Die Nutzfahrzeugbranche befindet sich derzeit in einer dramatischen Situation: In diesem Jahr ist mit einem Marktrückgang zwischen 30 und 50 Prozent zu rechnen. Wir vom VDA-Vorstandskreis Nutzfahrzeuge schlagen der Politik deshalb zur Entlastung der Transport- und der Nutzfahrzeugbranche vor, die Emissionsnorm Euro-6 um zwei Jahre zu verschieben. Außerdem sollte die öffentliche Hand ihre geplanten Fahrzeugbeschaffungen vorziehen. Zur Belebung der Konjunktur plädiere ich darüberhinaus für eine allgemeine Investitionszulage für Unternehmen.
Nfz-Hersteller fordern Verschiebung der Abgasnorm Euro-6
Zur Klarstellung: Wir wollen die Abgasnorm nicht abschaffen, sondern lediglich ein Moratorium von zwei Jahren erreichen. Damit würden die europäischen Nutzfahrzeughersteller um rund sechs Milliarden Euro entlastet. Das würde übrigens den Steuerzahler überhaupt nichts kosten, aber den Herstellern und ihren Kunden massiv helfen.
Nach heutigem technischem Stand wird ein Lkw mit Euro-6 rund zehn Prozent mehr kosten als die aktuellen Euro-5-Fahrzeuge. Auch der Betrieb der Fahrzeuge wird teurer werden, weil mit verschärften Grenzwerten bei den Stickoxiden der Verbrauch steigt. Wir schätzen um zwei bis drei Prozent. Das macht allein auf unsere europäischen Mercedes-Benz-Lkw-Kunden eine Jahres hochgerechnet einen Mehrverbrauch von 40 Millionen Litern Diesel im Jahr. Durch eine Verschiebung hätten die Kunden geringere Anschaffungs- und Betriebskosten. Sie könnten die schwierigen Zeiten besser durchstehen. Übrigens hätte dies auch Vorteile für den Co2-Ausstoß: Dieser steigt mit dem Verbrauch an. Das ist eine physikalische Folge. Falls das Moratorium kommt, hätten wir Nutzfahrzeughersteller Zeit gewonnen, um die Abgasreinigung weiter zu entwickeln mit dem Ziel, auch bei Euro-6-Fahrzeugen zumindest den gleichen Verbrauch und Co2-Ausstoß wie bei Euro-5 zu erreichen.
Wir sind uns dort weitgehend einig, etwa beim Vorziehen von kommunalen Aufträgen. Noch vor Ostern werden wir auch die Entscheidung zu Euro-6 diskutierien. Ich bin überzeugt, dass wir uns für eine Verschiebung aussprechen. Wichtig ist, dass das Moratorium schnell erfolgt. Aufgrund der langen Entwicklungszeiten brauchen wir die Entscheidung jetzt, weil sonst die Investitionen bei den Herstellern schon getätigt sind.
Dabei handelt es sich um ein Instrument, das in Deutschland in der Rezession Mitte der 70er Jahre bereits erfolgreich angewandt wurde. Konkret finanziert der Staat einen Teil der Investitionen von Unternehmen. Um die Konjunkur allgemein zu beleben, sollte man jetzt dieses Instrument wieder einsetzen: Dadurch wird zum Beispiel im Maschinenbau und der Baubranche wieder investiert, was dann auch die Transportbranche wieder belebt. Zurzeit fehlen den Spediteuren die Aufträge. In den ersten zwei Monaten sind die Mauteinnahmen um über 20 Prozent zurückgegangen.
Wir stellen im Gespräch mit Politikern oft fest, dass die dramatische Entwicklung in unserer Branche, dort noch nicht angekommen ist. Das ist wahrscheinlich auch die Schuld der Industrie, die das besser kommunizieren muss. Wenn man aber erklärt, dass dieses Jahr bis zu 50 Prozent des Marktes wegbrechen könnten, dann zeigen sich die Politiker sehr offen für Lösgungsvorschläge, die helfen können, die Folgen dieser Entwicklung zu mildern.