Getrag-Bürgschaft über 20 Millionen Euro bewilligt

Stuttgart. Der angeschlagene Getriebehersteller Getrag kann bei der Restrukturierung auf die millionenschwere Hilfe des Landes Baden-Württemberg bauen. Der Wirtschaftsausschuss des Landtags gewährt dem Familienunternehmen eine Landesbürgschaft über 20 Millionen Euro. Die Zustimmung sei mit großer Mehrheit erteilt worden, so Veronika Netzhammer, Vorsitzende des Ausschusses und CDU-Abgeordnete. Die Bürgschaft ermögliche es dem Unternehmen, lang- und mittelfristige Finanzierungen abzusichern. Außerdem trage sie zur Sicherung der Standorte und Arbeitsplätze der Getrag-Gruppe in Baden-Württemberg bei. Die Automobilwoche hatte vor kurzem bereits über entsprechende Pläne des Landes-Baden-Württemberg berichtet.

Das Unternehmen mit Sitz in Untergruppenbach bei Heilbronn ist vergangenen Herbst unvermittelt in Turbulenzen geraten, nachdem fest eingeplante Aufträge kurzfristig geplatzt sind und die Autobranche aufgrund der Finanzkrise die Produktion stark gedrosselt hat. Für zusätzlichen Druck sorgt eine produktionsbereite Fabrik für jährlich 700.000 Doppelkupplungsgetriebe, die der US-Hersteller Chrysler entgegen gültigen Verträgen nun doch nicht in Betrieb nehmen will. Nach früheren Angaben der IG Metall wurde die Auslandsexpansion hochgradig fremdfinanziert. Die Arbeitnehmervertreter sahen das Unternehmen zwischenzeitlich sogar in einer Existenzkrise.

Dem widerspricht das Getrag-Management vehement. "Wir haben von einer unabhängigen Unternehmensberatung eine positive Gesamtaussage für die Zukunft von Getrag. Diese Botschaft war sehr hilfreich bei unseren Bankengesprächen über die mittel- und langfristige Finanzplanung, die wir in den nächsten Wochen abschließen können," sagt CEO Dieter Schlenkermann im Interview mit der Automobilwoche in der neuesten Ausgabe vom Montag. Basis ist ein Sanierungskonzept für die deutschen Standorte, das vor kurzem mit den Arbeitnehmervertretern vereinbart wurde. Durch die Neuordnung der Produktion und dem Abbau von insgesamt 350 Stellen will Getrag jährlich 27 Millionen Euro einsparen. Welchen Beitrag die Eigentümerfamilie Hagenmeyer leisten wird, ist nicht bekannt.

Im Jahr 2007 erzielte die Getrag Corporate Group einen Umsatz von 2,6 Milliarden Euro. Der Vorsteuergewinn belief sich laut Bundesanzeiger auf 108,3 Millionen Euro. Nach Abzug von Sondererlösen verblieb ein Gewinn von 56,1 Millionen Euro, was einer bereinigten Vorsteuerrendite von 2,1 Prozent entspricht. Die Bankschulden betrugen 477,3 Millionen, die Eigenmittel 788,3 Millionen. Zahlen zum Geschäftsjahr 2008 hat das Unternehmen noch nicht veröffentlicht. In diesem Jahr rechnet Getrag mit einem Umsatzrückgang von bis zu 35 Prozent.

Auch der Wirtschaftsauschuss hob das positive Urteil der Unternehmensberatung Roland Berger bei der Gewährung der Bürgschaft hervor: Die Prüfer seien zu dem Ergebnis gelangt, dass die Firma ihre Wettbewerbs- und Renditefähigkeit wiedererlangen könne, sofern die geplanten Maßnahmen wie Kostensenkungen und Preisnachverhandlungen umgesetzt und die benötigten Finanzmittel bereitgestellt würden. Getrag sei weltweit einer der größten Lieferanten für Getriebe- und Antriebsstrangsysteme und nach Marktanteilen der größte unabhängige Getriebehersteller in Westeuropa. Das Unternehmen verspreche sich mit dem Doppelkupplungsgetriebe, das sowohl manuelle Schaltgetriebe als auch herkömmliche Automatikgetriebe ersetzen solle, zukünftig zusätzliche Marktanteile. "Vor diesem Hintergrund ist die Bürgschaft für Getrag sinnvoll und vertretbar“, erklärte Netzhammer. Die Bürgschaft trage zur Sicherung der Standorte und Arbeitsplätze der gesamten Gruppe in Baden-Württemberg bei, was gleichzeitig zur Stabilisierung vieler tausend Arbeitsplätze von Zulieferern aus dem Land führe.

Nach Informationen der Automobilwoche hat sich das Wirtschaftsministerium von Baden-Württemberg - nachdem die Schwierigkeiten öffentlich wurden - an Getrag mit dem Angebot einer Bürgschaft gewandt. Erst vor kurzem hat die Landesregierung den Bürgschaftsrahmen für das Haushaltsjahr 2009 von 150 Millionen Euro auf 500 Millionen Euro erhöht und dies mit der Verschlechterung der Finanzierung für den Mittelstand begründet. Gleichzeitig ist die Vergabe an enge Kriterien gebunden. Zu den insgesamt zwölf Bedingungen gehört unter anderem, dass "ein strukturell tragfähiges Konzept mit positiver Zukunftsprognose" vorhanden sein muss. Außerdem wird ein "signifikanter Eigenbeitrag der Gesellschafter" verlangt. Und: Für das Unternehmen darf es "keinen Zugang zum Kapitalmarkt" mehr geben. Kein Kriterium für die Vergabe einer solchen Bürgschaft ist hingegen die Systemrelevanz, die derzeit bei Bankbürgschaften eine wesentliche Rolle spielt. In den letzten zehn Jahren bewilligte Baden-Württemberg nur acht Landesbürgschaften über fünf Millionen Euro. Der Höchstbetrag, der früher bei zehn Millionen Euro gedeckelt war, beträgt nun 25 Millionen Euro. Der Antrag muss über die Hausbank gestellt werden. Diese muss die Hälfte des Risikos übernehmen, die andere Hälfte liegt beim Land.