Bundespräsident eröffnet neue Halbleiter-Fabrik von Bosch

Reutlingen. In Anwesenheit von Bundespräsident Horst Köhler hat die neue Halbleiter-Fabrik von Bosch in Reutlingen ihren Betrieb aufgenommen. Mit einem Volumen von 600 Millionen Euro handelt es sich um die größte Einzelinvestition in der Firmengeschichte. "Trotz der Wirtschaftskrise hatten wir den Willen, die Kraft und die Mittel, um dieses Vorhaben umzusetzen", sagte Bosch-Chef Franz Fehrenbach bei der Eröffnung. Bereits in wenigen Wochen sollen die ersten integrierten Schaltkreise und mikromechanischen Bauelemente an Kunden ausgeliefert werden. Es dauert durchschnittlich sechs Wochen bis die 200 Millimeter kleinen Siliziumscheiben (Wafer) den kompletten Herstellungsprozess durchlaufen haben. In das Werk am Standort Reutlingen, rund 30 Kilometer von Stuttgart entfernt am Fuße der Schwäbischen Alb, sollen im Endausbau im Jahr 2016 von 800 Mitarbeitern jeden Tag bis zu einer Million Chips gefertigt werden. Ursprünglich war der Start schon ein Jahr früher vorgesehen gewesen. Aufgrund der Absatzkrise hat Bosch den Produktionsbeginn aber nach hinten verlegt. Von der Gesamtinvestition entfallen 400 Millionen Euro auf Maschinen und 200 Millionen Euro auf Gebäude sowie Infrastruktur.

Nur wenige Autozulieferer stellen die von ihnen benötigten Halbleiter selbst her, sondern kaufen diese bei darauf spezialisierten Herstellern wie Infineon, Freescale, Texas Instruments oder STMicroelectronics ein. Neben Bosch verfügt auch der japanische Zulieferer Denso über eine eigene Halbleiter-Produktion. "Dies ist eine Kernkompetenz von Bosch und ermöglicht uns viele Innovationen", so Christoph Kübel, der den Bereich Autoelektronik der Robert Bosch GmbH leitet. In der neuen Fabrik entstehen anwendungsspezifische integrierte Schaltungen (ASICs), analoge integrierte Schaltkreise (ICs) und Hochleistungsbauelemente. Diese kommen unter anderem in elektronischen Steuerungen für Verbrennungsmotoren und Getrieben, im Schleuderschutz ESP, in Airbag- und Fahrerassistenzsystemen zum Einsatz. Außerdem werden mikromechanische Sensoren (MEMS) gebaut, die feinste Bewegungen messen können.

Der Bedarf für die Halbleiter dürfte in den nächsten Jahren stark zulegen. "Wenn ein Auto heute über Halbleiter im Wert von 300 US-Dollar verfügt, wird sich dies bis 2020 mehr als verdoppeln", prognostiziert Kübel. In Europa wird heute bereits jeder fünfte Halbleiter in einem Auto verbaut. Während immer mehr Sicherheitsfunktionen und Fahrerassistenzystemen in den Fahrzeugen eingebaut werden, wird die Elektrifizierung des Antriebsstrangs für den größten Schub sorgen. Hier müssen große elektrische Energieströme gesteuert werden. Dazu dient die so genannte Leistungselektronik, die neben der Batterie die Schlüsseltechnologie bei alternativen Antrieben bildet. In einem heutigen Fahrzeug sind im Schnitt rund 1000 Chips enthalten. In einem Hybridfahrzeug dürften es bis zu 3000 Chips sein.

Entsprechend der schwachen Autonachfrage war 2009 auch das Halbleitergeschäft rückläufig: Der Markt für Autochips brach um 20 Prozent auf 15,8 Milliarden Dollar ein, während sich der weltweite Halbleitermarkt nur um acht Prozent auf 226,3 Milliarden Dollar abschwächte. "In diesem Jahr rechnen wir aber wieder mit einem deutlichen Wachstum im Automotive-Segment," so Kübel. Die gesamte Halbleiter-Industrie dürfte im prozentual zweistelligen Bereich zulegen. Auch der Bosch-Geschäftsbereich Autoelektronik litt unter der schlechten Konjunktur. Nach einem Umsatzrückgang von 19,5 Prozent im vergangenen Jahr erwartet Kübel 2010 ein Plus von mindestens 15 Prozent: "Dennoch wird es bis 2012 dauern bis wir das Umsatzniveau von 2007 wieder erreicht haben." Trotz dieser heftigen Delle sind die mittel- bis langfristigen Perspektiven für Elektronik-Komponenten von Bosch gut. "Wir wollen mindestens mit dem Umsatz der Kfz-Technik-Sparte mitwachsen," so Kübel. Diese hat sich nach Informationen der Automobilwoche selbst zum Ziel gesetzt, die Erlöse bis 2019 mehr als zu verdoppeln - von 21,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf dann 45 Milliarden Euro.

Der Ausbau der Chipkapazitäten in Reutlingen soll schrittweise erfolgen. Aktuell hat Bosch die Hälfte der geplanten Endkapazität in der neuen WaferFab installiert, wo aktuell 200 Mitarbeiter tätig sind. Rund 90 Prozent der Ausbringung soll in der eigenen Kfz-Technik-Sparte Verwendung finden. Der Rest geht in das Consumer-Geschäft, das ausgebaut werden soll. Hier werden zum Beispiel Bewegungssensoren in Laptops eingebaut, die falls das Gerät herunterfällt, blitzschnell die Sicherung der Festplatte auslösen. Im vergangenen Jahr haben die Schwaben rund 220 Millionen solcher MEMS-Sensoren auf den Markt gebracht und damit die weltweite Führungsposition den eigenen Angaben zufolge verteidigt.

Zusätzlich zur neuen Wafer-Fertigung errichtete Bosch in Reutlingen auch ein neues Testzentrum. Dort werden die Halbleiterschaltungen und Sensoren geprüft und entsprechend der späteren Anwendung programmiert. Der Standort ist Sitz des Geschäftsbereichs Automobilelektronik, wo insgesamt 6700 Mitarbeiter beschäftigt sind, davon 1200 in der Entwicklung. Außerdem befindet sich dort das neue Studien- und Forschungszentrum für Leistungselektronik - ein Bündnis von Bosch, der Hochschule Reutlingen, der Universität Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg. Der Verbund umfasst sieben Lehrstühle. Davon werden fünf neue Professuren mit einem Gesamtvolumen von mehr als 25 Millionen Euro finanziert.