E-Auto: Berater der Regierung fordern Politikwechsel

Stuttgart. In einer gemeinsamen Initiative haben führende deutsche Unternehmen und Wissenschaftler einen Politikwechsel bei der Förderung der Elektromobilität gefordert. Konsumanreize nach dem Muster der so genannten Umweltprämie allein seien kein Weg, hochgesteckte Ziele wie die des "Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität" der Bundesregierung zu erreichen, wie es in einem Positionspapier der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech heißt. Wer die Elektromobilität in Deutschland voranbringen wolle, sollte vor allem in Forschung und Entwicklung investieren. Statt der Schaffung eines subventionierten Elektroautomarktes, regt die Initiative an, Deutschland zum Leitanbieter für marktfähige Elektromobilität zu machen. Angesichts des rasanten internationalen Wettbewerbs und begrenzter öffentlicher Mittel wird die Zusammenarbeit aller Akteure aus Forschung, Vermarktung und Politik angemahnt, Nur wenn umgehend ein "System Elektromobilität" geschaffen werde, könne Deutschland zu den wirtschaftlichen Nutznießern dieser Technologie zählen.

Das Positionspapier basiert auf Gesprächskreise mit Vertretern aus der Wirtschaft und Wissenschaft. Dazu gehörten unter anderem die Autohersteller BMW, Daimler und Volkswagen sowie die Zulieferer Bosch und ZF Friedrichshafen. Auch die Stromversorger ENBW, E.ON und RWE sowie Technologiekonzern Siemens und Chemieriese BASF waren involviert. Die in München ansässige acatech vertritt die Interessen der deutschen Technikwissenschaften und berät die Politik. Erst vor wenigen Tagen gründete die deutsche Autoindustrie mit weiteren Technologiepartnern den so genannten "eNOVA Strategiekreis Elektromobilität“, der als gemeinsame Interessenvertretung fungieren und Einfluss auf die Gestaltung der Förderpolitik nehmen soll.

Der "Nationale Entwicklungsplan" will erreichen, dass in Deutschland bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen fahren. Dafür stehen Mittel von 500 Millionen Euro bis 2011 für Forschungs- und Entwicklungsprojekte zur Verfügung. Diskutiert wird auch die direkte Subventionierung des Elektroautokaufs. Wie hoch diese Förderung ausfallen soll, steht noch nicht fest. Die acatech rechnet nun vor, dass die Bundesregierung - wenn sie ihr Ziel erreichen will - bei einer Förderung von 7000 Euro pro Fahrzeug insgesamt sieben Milliarden Euro ausgeben müsste. Der angenommene Förderbetrag entspricht vereinfacht gesagt dem bereits verabschiedeten europäischen Durchschnitt. Weil die Elektromobilität aus technischen und Kostengründen auf längere Sicht nur in großen Städten eine sinnvolle Alternative zum Verbrennungsmotor sein kann, würden direkte Kaufsubventionen nach Ansicht der Experten vor allem einer bereits gut situierten Käufergruppe nutzen: den Haltern von Zweit- und Drittfahrzeugen zum Kurzstreckenverkehr in Städten - den so genannten First Movern. "Statt den Kauf von Batteriefahrzeugen zu subventionieren, die derzeit konventionellen Fahrzeugen hinterherfahren, sollten wir die Investitionen nutzen, um Elektroautos massentauglich zu machen," fordert Dieter Spath, Vizepräsident der acatech und Institutsleiter des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart. "Wir müssen die Technologie systemisch weiterentwickeln, also vom Einzelteil bis hin zum Gesamtsystem inklusive Infrastruktur," so der Wissenschaftler.

"Elektromobilität könnte der nächste Baustein der weltweit als führend angesehenen Umwelttechnologien "Made in Germany" werden," beschreibt Henning Kagermann, Präsident der acatech, die Bedeutung der Technologie. "Nur wenn wir in die Entwicklung der Technik investieren, erzeugen wir nachhaltiges Wachstum und damit Arbeitsplätze in Deutschland. Dabei blicken die Wissenschaftler mit Sorge auf die massive staatliche Förderung der Elektromobilität in China und den USA. Insgesamt verfügt die deutsche Industrie nach Ansicht der Experten international über eine gute Position. Bereits heute verfügt Deutschland über den weltweit höchsten Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion. Damit gebe es beste Chancen, die Elektromobilität auch als CO2-effiziente Technologie zu realisieren. Dazu komme die gute Verkehrsinfrastruktur.

Um Deutschland zum Leitanbieter für Elektromobilität zu machen, empfiehlt die Akademie einerseits die bereitgestellten Mittel stärker in Forschung und Entwicklung zu investieren. Dabei steht besonders die Batterie im Fokus, die rund 40 Prozent der Herstellungskosten ausmacht und deren Reichweite derzeit nur bei 150 Kilometer liegt. Ein erster Schritt könnte die Etablierung einer Nationalen Plattform Elektromobilität unter der Federführung von ein bis zwei Ministerien sein. Außerdem bemängelt acatech, die zersplitterte Forschung, die zu stark entlang tradierter Fächergrenzen verlaufe und nur isolierte Einzelinitiativen hervorbringe. Die Ausrichtung der Hochschulbildung müsse angepasst und integrierte Forschungscluster geschaffen werden.

Neben der Schaffung einer befriedigenden Ladeinfrastruktur ist den Experten zufolge die kostengünstige Batterieherstellung das entscheidende Kriterium im globalen Wettbewerb mit asiatischen Anbietern. Außerdem empfehlen die Wirtschaftsvertreter und Wissenschaftler kleinere und mittlere Unternehmen besonders zu unterstützen: Angesichts der angespannten konjunkturellen Situation fehlten diesen Firmen häufig die Mittel zur Erweiterung und Neuausrichtung des Geschäfts.

Ungeachtet der Wachstumschancen der Elektromobilität werden nach Einschätzung von acatech Verbrennungsmotoren für mindestens zwei Jahrzehnte die Straßen dominieren - im Fern- und Güterverkehr sogar noch länger.