Zunächst mussten wir vor zwei Jahren in der Krise natürlich kräftig auf die Bremse treten. Da haben wir das IT-Budget um rund ein Viertel zurückgefahren. Wichtig ist aber, dass wir nicht nur einen Notdienst aufrecht erhalten haben, sondern auch bedeutende strategische Projekte weitergeführt haben.
"Wie eine Operation am offenen Herzen"
Das wichtigste Projekt nennen wir PIA. Das ist die Abkürzung für Porsche Integriertes Auftrags- und Ressourcen-Managementsystem. Dabei handelt es sich um ein onlinebasiertes SAP-Programm, das den gesamten Prozess vom Auftragseingang, der Werksbelegung, dieVerfügbarkeit von Teilen beim Lieferanten bis zur Fahrzeugauslieferung abbildet. Das gab es vorher nicht. Das System wird nun bei Importeuren und Händlern eingeführt.
Der größte Vorteil für mich ist, dass man mit diesem System deutlich mehr Umsatz generieren kann– vor allem im Optionsbereich. Auch die Kundenzufriedenheit lässt sich steigern. Ein Beispiel: Weil wir die gesamte Prozesskette in einem durchgängigen System abbilden, kann der Händler dem Kunden bereitsbeim Konfigurieren des Fahrzeugs die genaue Lieferzeit nennen. Wir können bei einem veränderten Nachfrageverhalten der Kunden schnell reagieren und bestimmte Kapazitäten beim Lieferanten und bei uns hochfahren. Die Prozesse sind also deutlich effizienter.
Klarist, dass wir dieses Wachstum nicht nurdurch einebessere Erschließung bestimmter Regionen hinbekommen, sondern dass wir dazu neue Modelle wie den kleinen Geländewagen Cajun (Arbeitstitel) brauchen. Dabei gehen wir eine noch engere Zusammenarbeit mit dem VW-Konzern ein als wir diesbeispielsweise beim Cayenne getan haben. Dadurch müssen wir neue Prozesse vor allem in der Produktentstehung, in der Beschaffung und der Produktion definieren, die in der IT abzubilden sind. Dieses Thema ist sehr herausfordernd…
Die IT-Systeme vonPorsche und von VW/Audi sind unterschiedlich. Eine Vereinheitlichungist zumBeispiel im Produktdatenmangement und in der Produktdokumentation notwendig. Bei einem Fertigungsunternehmen ist ein solcherEingriffmit einer Operation am offenenHerzen vergleichbar. Deshalb folgen wir einem klar gestuften Prozess: In den nächsten drei Jahren geht es hauptsächlich um die Verbindungder Systemeüber Schnittstellen. Mittelfristig streben wir eine Vereinheitlichung an. Klar ist aber heute schon, dass wir künftig einen kompletten Systemwechsel bei den Stücklisten brauchen, weil ein gegenseitiger Austausch von Baukästen und Modulen sowie ein gemeinsames Gleichteilmanagement sonst nicht sinnvoll umgesetzt werden kann.
Das lässt sich im Moment noch kaum konkret beziffern und hängt auch stark von den gemeinsamen Fahrzeugprojekten ab. Heute profitiert unsere IT natürlich schon durch den gemeinsamen Einkauf mit VW bei Softwarelizenzen, Servern etc. Da haben wir schon mehrere Millionen Euro eingespart.
Selbstverständlich. Der VW-Konzern plant zum Beispiel unsere Lösung für Customer Relationship Management zu übernehmen. Unser SAP-basiertes CRM-System ist seit fünf Jahren in Betrieb, wir sind damit absoluter Benchmark. Sämtliche Kundendaten sind in einer Datenbank zusammengefasst und können auf verschiedenste Art und Weise auf Knopfdruck ausgewertet werden. ImGegenzug profitiert Porsche beispielsweise von VW bei der Anbindung unserer Dealer-Managementsysteme. Wir können hier auf bereits entwickelte Anbindungskonzepte von VW zurückgreifen.
Wir haben mit der PIKS GmbH eine hundertprozentige Tochtergesellschaft, die sich um die Infrastruktur und den Betrieb kümmert. Das Rechenzentrum der PIKS stellt die Kapazitäten den Nutzern zur Verfügung. Bei den Servern erreichen wir einen Virtualisierungsgrad von 70 Prozent. Bei allen neuen Projekten erhalten die Fachabteilungen keine eigene Hardware mehr. Sie bekommen nur Rechenzeit und Speicher aus der internen Cloud. Das soll natürlich in Richtung 100 Prozent gehen.
Durch die Virtualisierung der Server bei unserer Tochtergesellschaft kann man die Fixkosten deutlich senken, die Effizienzen erhöhen und die Betriebskosten insgesamt drücken, ohne über Outsourcing zu reden. Wir denken natürlich in einem nächsten Schritt darüber nach, mit VW gemeinsame Clouds aufzusetzen. Beim Thema public cloud bin ich vorsichtig: Man wird abhängig von einem Partner, es gibt viele rechtliche Themen und es gibt Sicherheitsrisiken. Dennoch überlegen wir kontinuierlich, wie wir die Prozesse und Kosten im Betrieb und der Infrastruktur weiter optimieren können.
Wir bearbeiten das Thema im Zusammenhang mit dem Elektroauto. Spätestens mit der Markteinführungeines Plug-in-Hybrid-Modells müssen wir eine Lösunganbieten. Der Kunde muss sich über den Ladezustand seiner Batterie, die Reichweite bis zur nächsten Ladestation informieren können und über geeignete Abrechnungssysteme verfügen. Meiner Ansicht nach muss man als Premiumhersteller die Verbindung zum Internet über die eigene Onboard-Communication-Unit und einen eigenen Server herstellen. Nur dann kann man neue Geschäftsmodelle dominieren.
Vorstellbar sind Lizenzmodelle, etwa wenn Porsche bestimmte Kapazitäten an Ladestationen reserviert. Auch location-based Services wie Restaurantreservierungen könnten Lizenzen einspielen. Denkbar sind auch Erlöse durch Werbung. Unser Ziel ist es auf jeden Fall, Geld mit bestimmten Services rund um dasvernetzte Auto zu verdienen. Hierfür ist unsere IT bereits in enger Abstimmung mit der Fahrzeugentwicklung und anderen Ressorts.
Wir haben schon viel in eine einheitliche Architektur und in die Standardisierunginvestiert. In vielen Bereichen wie CRM, der Gewährleistung und Ersatzteilversorgung sind wir Benchmark. In fünf Jahren wird alles nochein bisschen aufgeräumtersein als heute und stärker vernetzt mit dem VW-Konzern.