Es ist wichtig, als Unternehmen mit einer Stimme zu sprechen und entsprechend aufzutreten, das gilt insbesondere für ein Land wie China, das zentral regiert wird. Bei der Vertretung von Daimler geht es nicht nur um die einzelnen Sparten, es müssen auch die Interessen der Joint Ventures austariert werden. Wir als Daimler-Konzern sehen in China nicht nur einen Markt mit riesigen Wachstumschancen, sondern wollen auch einen Beitrag zur Entwicklung des Landes leisten. Dass wir von der Regierung als ein solcher Partner wahrgenommen werden, ist entscheidend.
"Das größte Risiko ist Protektionismus“
Wir gehen davon aus, dass die Pkw-Nachfrage mittelfristig in der Größenordnung von zehn bis 15 Prozent jährlich zulegt. Das hat mit der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung zu tun. Das Luxus- bzw. Premiumsegment, in dem Mercedes-Benz vertreten ist, wird sogar noch stärker zulegen. In China ist ein Auto ein Statussymbol und mit steigendem Einkommen will man auch ein höherwertiges Fahrzeug. In den nächsten Jahren – es gibt unterschiedliche Prognosen, wann – wird China zum weltweit größten Markt für Luxus-Automobile. Da hilft sicher der neue Fünfjahresplan ...
Die chinesische Regierung will den Bürger stärker an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben lassen. Die Kluft zwischen dem reichen Osten und dem Westen soll verringert, die Binnenkonjunktur angekurbelt werden. Der Staat will kreditfinanzierte Autokäufe von Privatpersonen fördern.
Das Risiko sehen wir nicht - im Gegenteil. Während die Zahl der Millionäre weiter zulegt, wächst in den nächsten zehn Jahren der Mittelstand mit einem Jahreseinkommen von über 18.000 Euro von heute 125 Millionen Menschen auf 250 Millionen. Modelle wie die E- oder S-Klasse werden weiter gefragt sein, und zusätzlich entsteht in jedem Segment ein Premium-Markt. Das heißt, wir werden unten stark wachsen, aber nicht zu Lasten von oben.
Ein Benchi – so nennen die Chinesen einen Mercedes – hat den höchsten Stellenwert – vor allen anderen Premiummarken. Während wir noch vor einigen Jahren vor allem mit der S-Klasse assoziiert wurden, wissen immer mehr Kunden: Einen Mercedes kann man in jeder Fahrzeugklasse kaufen – er ist nicht unerreichbar, aber eben immer Premium. Für uns geht es deshalb nicht darum, bei den Stückzahlen unseren Wettbewerb zu schlagen. Wir müssen die Marke pflegen und profitabel wachsen.
Wir haben uns vorgenommen bis 2015 in China den Pkw-Absatz von rund 150.000 Einheiten in 2010 auf 300.000 zu verdoppeln. Davon sollen 200.000 aus lokaler Produktion stammen. In der ersten Ausbaustufe realisieren wir jetzt 100.000 Einheiten. Zum Vergleich: In 2010 hat das Joint Venture Beijing Benz Automotive rund 50.000 E- und C-Klassen produziert. Außerdem bauen wir für 200 Millionen Euro ein Werk für Vierzylinder-Benzin-Motoren, die in Pkw und Transportern verwendet werden können. Unsere Transporterproduktion soll ebenfalls ausgebaut werden, in Kürze wird dort auch der Sprinter montiert.
Das größte Wachstum bietet das SUV-Segment. Deshalb wird der kompakte GLK bald auch in China produziert werden. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Modelle der Nachfolgegeneration der A- und B-Klasse in China gebaut werden. Mit Sicherheit gibt es dort eine große Zahl von Kunden. Soll ich Ihnen mal an einem Beispiel zeigen, was das alles bedeutet?
Die Fläche am Standort Peking ist so groß wie unser größtes Pkw-Werk in Sindelfingen, aber nur zu einem Drittel bebaut. In den nächsten Jahren wird dieses Gelände durch Kapazitätsausbau und andere Erweiterungen wie beispielsweise die Motorenfabrik komplett bebaut werden. Dazu kommen neue Produkte und der Ausbau des Händlernetzes. Das alles müssen wir auch qualitativ stemmen.
Ende 2010 hatten wir gut 160 Händler in 80 Städten. Wir werden das Händlernetz stark nach Westen ausdehnen. In China gibt es rund 300 Städte mit über einer Million Einwohner. Konkret bedeutet das, dass wir in den nächsten Jahren jedes Jahr über 30 neue Händler etablieren. Wir müssen dafür die richtigen Leute aussuchen, die nicht nur das notwendige Investment tragen können, sondern auch professionell sind und die Marke richtig repräsentieren. Ein großer aber lohnender Aufwand ist die Ausbildung und Qualifizierung der Vertriebs- und Servicemitarbeiter. Im vergangenen Jahr haben die zahlreichen Teilnehmer 60.000 Trainingsstunden absolviert.
Das haben wir derzeit nicht auf unserer Agenda.
Die Marke braucht sicher noch etwas Zeit, um sich zu etablieren. In den vergangenen Monaten haben wir aber schon große Erfolge verzeichnet. Die Marke funktioniert in erster Linie in Städten mit ausgesprochen lifestyleorientierten Kunden. Wir haben 2010 rund 4000 Fahrzeuge verkauft und werden auch 2011 wieder zulegen. Im ersten Quartal 2011 waren es bereits rund 2300 Einheiten.
Solche Konzepte werden zwar in den Megacities schon diskutiert, wahrscheinlich dürfte es aber noch einige Jahre dauern, bis sich diese Ideen durchsetzen.
Bei einem Gemeinschaftsunternehmen wird der Gewinn eben immer geteilt. Dafür muss man aber auch nur die Hälfte der Investitionen stemmen. Man sollte das ohnehin ganzheitlich sehen. Sie haben nur den Gewinn in China selbst betrachtet. Wenn wir eine Lokalisierungsquote von 45 Prozent haben, heißt das, dass 55 Prozent aus Deutschland kommen, zum Teil aus eigener Produktion - und davon profitieren wir ja auch. Nochmal: Insgesamt ist unser China-Geschäft, das ja nicht nur aus lokaler Fertigung besteht, sehr profitabel und wir haben die Chance, die Profitabilität weiter zu steigern.
Mit steigendem Volumen können wir unsere Kostenposition stark verbessern. Wir werden noch wettbewerbsfähiger. Außerdem wollen wir den Anteil von chinesischen Lieferanten steigern und weniger von internationalen Unternehmen beziehen, die lediglich in China produzieren.
Derzeit haben wir ein Portfolio von einer Milliarde Euro und sind profitabel. Das kann sich sehen lassen. Hauptsächlich bieten wir Kunden- und Händlerfinanzierungen an. Bei der Fahrzeugfinanzierung gibt es mit einer Durchdringungsrate von zwölf Prozent noch Potenzial. Um für ein erweitertes Leasinggeschäft gerüstet zu sein, bauen wir derzeit auch die Gebrauchtwagenvermarktung aus.
Das größte Risiko könnte ein möglicherweise aufkommender Protektionismus sein. Es gibt in China viele lokale Hersteller mit Über-Kapazitäten, während Gemeinschaftsunternehmen mit ausländischen Herstellern ihre Fabriken auslasten und ausbauen können. Deshalb ist für die öffentliche Wahrnehmung entscheidend, dass man als Unternehmen China nicht nur als Cashcow sieht, sondern tatsächlich vor Ort produziert und investiert. Gleichzeitig muss aber Produktion und Vertrieb flexibel sein.