Aus meiner Sicht stehen die Hersteller vor einem gewaltigen Transformationsprozess: Sie müssen sich überlegen, wie sie künftig das gleiche Geld wie heute verdienen können. Traditionell erzielt der Bereich Aftersales einen großen Teil des Gewinns. Steigt die Zahl von Elektrofahrzeugen drohen diese Einnahmequellen Stück für Stück zu schwinden. So entfällt der Ölwechsel, Wartung und Reparaturen werden weniger – um nur einige Beispiele zu nennen. Das mag ein schleichender Prozess sein, aber aufzuhalten ist er nicht. Gleichzeitig eröffnet er aber auch neue Chancen ...
"SAP will bis 2014 eine Milliarde Nutzer erreichen“
Durch die Vernetzung des Autos mit dem Internet, den Consumer-Electronics-Geräten der Kundenund das regelmäßige Stromtanken ist der Hersteller in einem dauernden und häufig sogar direkten Kontakt mit seinen Kunden. Daraus ergeben sich neue Geschäftschancen mit mobilen Dienstleistungen. So können zum Beispiel Services dem Fahrzeugbesitzer direkt angeboten werden oder bessere Kundenprofile für gezielte Kampagnen erstellt werden. Da gibt es in der Zukunft viele Möglichkeiten.
Die SAP ist heute in der Position, dass praktisch alle Autohersteller weltweit SAP-Systeme einsetzen und viele Prozesse im Unternehmen steuern. Auf dieser Basis sehen wir zwei Ansatzpunkte, wie wir der Autoindustrie helfen können. Erstens: Durch die Akquisition von Sybase im Sommer 2010 haben wir eine mobile Plattform, auf der wir Daten und Informationen direkt aus den SAP Systemen auf mobile Endgeräte bringen und die Eingaben wieder verarbeiten können. Außerdem können wir die Software auf den Endgeräten verwalten und die notwendige Sicherheit sicherstellen. Zweitens verfügen wir über viel Industrie-Know-how etwa in der Telekommunikation sowie bei Versorgern und auch die dazugehörigen Produkte, um mit unseren Kunden aus der Autoindustrie neue Geschäftsmöglichkeiten etwa im Bereich Aftersales zu realisieren. Auch hier spielt natürlich der mobile Zugriff eine Rolle. SAP ist damit in der Lage, komplette End-to-End Prozesse komponentenübergreifend abzubilden.
Künftig wird das Fahrzeug nach der Auslieferung an den Kunden richtig interessant. Heute kommt der Kunde zweimal im Jahr in die Werkstatt, sonst gibt es wenig Kontakt. Künftig wird es darum gehen, ihm viel mehr Dienstleistungen anzubieten. Man kann beispielsweise Daten aus dem Fahrzeug nutzen, um rechtzeitig Fehlfunktionen zu identifizieren und den Kunden in das eigene Werkstattnetz zu routen, Services können zielgruppengerecht angeboten werden und so weiter. Auch beim Infotainment gibt es viele Möglichkeiten sowie im Bereich der "Orchestrierung“ von Softwareständen im Servicenetz und am Ende sogar in den Fahrzeugen. Es geht darum, ständige Kundentransaktionen zu ermöglichen, anstelle der heutigen punktuellen Kontakte.
Wir haben für einen Hersteller ein Entertainment-Package sowie eine Assistenzhilfe pilotiert, die man sich ins Auto herunterladen beziehungsweise aus dem Auto abrufen kann. Dafür muss der Kunde einen bestimmten einmaligen Preis bezahlen - oder es gibt eine Art pre-paid-Funktion, so dass man Dienstleistungen so lange abrufen kann, wie Geld auf dem Konto ist. Alle diese Prozesse muss die IT abbilden: Von den Kunden- und Kontodaten bis zum Herunterladen. Insgesamt wird es zu einer Vielzahl von Transaktionen und Bezahlmodellen kommen, die gesteuert werden müssen.
Nein, im Augenblick planen wir nichts in dieser Richtung. Ich bezweifle auch, dass Autohersteller die Kundendaten, die ja immer wichtiger werden, aus der Hand geben wollen. Unser Ansatz ist, dass wir mit dem Hersteller aus unseren Produkten eine individuelle Lösung bauen. Den Betrieb übernimmt dann zunächst nicht ein Outsourcing-Partner, sondern die unternehmenseigene IT. Die Daten und die darauf basierenden Services bilden einen strategischen Wettbewerbsvorteil. Ich empfehle deshalb, erst mit einer Inhouse-Lösung zu beginnen und möglicherweise einzelne, spezielle Anwendungen später auszulagern. Übrigens: Viele der genannten Plattformen werden aus SAP-Anwendungen gebaut.
Sybase und der Kauf des französischen Softwareherstellers Business Objects, der auf die Auswertung von Daten und deren Visualisierung spezialisiert ist, sowie unsere In-Memory Technologie bilden die wesentlichen Wachstumssäulen im Konzern. Für unsere Kunden bedeutet das unter anderem, dass wir Prozesse von mobilen Endgeräten aus steuern und beeinflussen können – unsere SAP Systeme werden mobil. Wir können damit jede IP-Adresse erreichen, das kann natürlich auch ein Auto mit einer SIM-Karte sein.
Jeder Entscheider in einem Autounternehmen kann sich egal wo und wann bestimmte Daten aus SAP Systemen zum Beispiel auf sein Smartphone holen und dann einen bestimmten Prozess anstoßen – etwa eine Entscheidung zur Auszahlung eines Garantiebetrags oder die Buchung eines Services. Dies geschieht sicher und wird ohne Brüche bis in den letzten "Winkel“ des Systems sofort verarbeitet und gebucht. Unser Vorteil gegenüber anderen Lösungen ist, dass bei SAP alle Komponenten miteinander kommunizieren können und wir eine "In-House-Integration“ standardmäßig mitbringen. Mit der "Mobilmachung“ will SAP bis 2014 eine Milliarde Nutzer erreichen. Heute haben wir über 109.000 Kunden in 120 Ländern und 35 Millionen Nutzer. Unsere Applikationen sollen zukünftig viel breiter in den Unternehmen genutzt werden als heute.
Auf jeden Fall muss ein Kunde Lizenzgebühren für die Nutzung der Sybase-Software bezahlen. Dazu überlegen wir gerade, wie wir das Geschäftsmodell weiter gestalten wollen. Vorstellbar ist, dass wir Apps entwickeln und gegen eine einmalige Gebühr verkaufen. Wir wollen aber auch so offen sein, dass jedes Unternehmen seine eigenen Anwendungen entwickeln und einsetzen kann. Dazu verfügt Sybase über eine eigene Entwicklungsumgebung namens Eclipse. Die möglichenPricingmodelle gegenüber den Endkunden, diedie SAPLösungenunterstützen, bieten maximaleGestaltungsfreiheit für innovative Geschäftsmodelle.
Ja, dabei spielt zunächst die Sicherheit von mobilen Anwendungen eine Rolle. Im Falle eines Verlustes oder Diebstahls etwa des Smartphones lässt sich das Gerät aus der Ferne sperren. Wir sind mit der Software Afaria somit grundsätzlich auch in der Lage, die mobilen Endgeräte – eventuell auch Infotainment-Systeme in Autos – zu verwalten. Wir könnten den Unternehmen oder deren Kunden zum Beispiel neue Software mit neuen Funktionen und Anwendungen automatisch aufspielen. Die Anwendungen von Sybase müssen nicht zwangsläufig an SAP gekoppelt sein. Wir denken über solche Szenarien nach - ich muss aber zugeben, dass wir hier konzeptionell noch am Arbeiten sind.
"Wir möchten unseren Kunden die Entscheidung überlassen, ob sie eine Lizenz-Lösung oder eine On-Demand-Lösung wählen möchten. Teilweise gibt es Vorbehalte zu Themen wie Sicherheit oder Schutz von personenbezogenen Daten. Gleichzeitig möchten Unternehmen oft nicht in IT-Infrastruktur investieren. Das heißt, dass es einen Trend zur Auslagerung von Dienstleistungen gibt, die nicht unbedingt zur Kernkompetenz des Unternehmens gehören. Das macht eine Nutzungsabhängige- oder Software-as-a-Service-Technologie attraktiv. Ich sehe jedoch bei den Herstellern eine gewisse Resistenz, ihre wettbewerbsdifferenzierenden Daten in der Cloud weiterverarbeiten zu lassen und kann dies zum Teil nachvollziehen. Wir gehen daher davon aus, dass sich die IT-Landschaft der Anwenderunternehmen auch in Zukunft hybrid zusammensetzen wird und die Nachfrage nach On-Demand Lösungen steigen wird. Deshalb rechne ich damit, dass wir mit Erweiterung unseres Portfolios mit In-Memory, Business Objects und Sybase auch weiter ein starkes Lizenzierungsgeschäft haben werden. Umgekehrt wollen wir vom Trend zu mobilen Anwendungen stark profitieren. Es wird dadurch viel mehr Transaktionen und Nutzer in unseren Systemen geben – und das ist unser Ziel.
Zunächst einmal hat die SAP mit der Akquisition von Sybase den richtigen strategischen Schritt getan. Zum Beispiel sind Smartphones heute schon Standard im Management und es ist doch logisch, dass die Nutzer von unterwegs Einfluss auf Prozesse nehmen oder bestimmte Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen. Klar ist aber auch, dass das Thema noch neu ist. Es ist unsere Aufgabe, den Unternehmen sinnvolle Anwendungen zu zeigen, die für mehr Effizienz in der eigenen Organisation sorgen und neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. Wir hoffen, noch in diesem Jahr einen großen Autohersteller dafür gewinnen zu können. Parallel dazu gehen die anderen IT-Themen natürlich weiter, inklusive fortschreitender Kostensenkungen.