Stuttgart. Sein Motto lautete: "Was Du nicht gern machst, das lass' besser sein!" Nach dieser Devise hat Paul Pietsch, der am 31. Mai nur wenige Wochen vor seinem 101. Geburtstag gestorben ist, sein Leben verbracht und sowohl als Rennfahrer als auch als Verleger große Erfolge gefeiert.
Der spätere Gründer von "Auto, Motor und Sport" wurde am 20. Juni 1911 als Sohn eines Bierhändlers geboren und war schon früh vom Automobil fasziniert. Mit einem Teil seines Erbes kaufte er sich 1932 einen Bugatti, den weißen T 35B des Privatfahrers Heinz-Joachim von Morgen. Bei dieser Gelegenheit lernte er auch den Firmengründer kennen: "Ettore Bugatti wollte selbst sehen, welcher 20-Jährige sich denn einen seiner Rennwagen leisten konnte."Jahrzehnte später entdeckte VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech Gemeinsamkeiten zwischen Pietsch und sich selbst: "Mit 20 entschied er sich gegen das elterliche Brauereigeschäft. Und für die, wie ich meine, schönste Nebensache der Welt. Denn auch für mich persönlich waren Rennwagen immer deutlich attraktiver als Bierfässer."In den folgenden Jahren feierte Pietsch diverse Erfolge auf den Rennstrecken. 1936 holte ihn der Rennleiter der Auto Union zusammen mit Bernd Rosemeyer ins Juniorteam. Als seinen größten Erfolg hat er seinen dritten Platz beim Großen Preis von Deutschland 1939 angesehen, als er mit einem Maserati 8CFT zeitweilig sogar vor Rudolf Caracciola im Silberpfeil lag. Technische Schwierigkeiten sorgten dafür, dass er "nur" Dritter wurde. Nach dem zweiten Weltkrieg setzte er seine Karriere erfolgreich fort, wurde 1950 Deutscher Sportwagen-Meister auf seinem Veritas RS und gewann 1951 die Deutsche Formel-2-Meisterschaft.Paul Pietsch ist tot
1953 zog sich Pietsch aus dem aktuellen Rennzirkus zurück, um sich vollständig auf seine 1946 begonnene Karriere als Verleger zu konzentrieren. Zusammen mit seinen Freunden Ernst Troeltsch und Josef Hummel hatte er ein Jahr nach dem Krieg die Zeitschaft "Das Auto" gegründet. Die französischen Besatzer wollten ihnen zunächst keine Lizenz erteilen, weil sie keinen Bedarf sahen: "Es wird in Deutschland nie wieder so viele Autos geben, dass ein Automagazin nötig wäre." Es kam anders. 1951 steuerte der Vogel-Verlag sein Magazin "Motor und Sport" bei und 1963 erhielt das Blatt seinen heutigen Namen "Auto, Motor und Sport".
Die Liebe zum Rennsport ließ den erfolgreichen Verleger jedoch nicht los: Im Auto Motor Sport Nachwuchskader förderte er diverse Talente, von Ellen Lohr über Bernd Schneider und Karl Wendlinger bis zu Markus Winkelhock.Neben den sportlichen und geschäftlichen Erfolgen schätzten ihn Freunde und Mitarbeiter auch für seine soziale Ader: Dazu gehörte das traditionelle Stück Erdbeertorte, dass jahrelang jeder Motorpresse-Mitarbeiter an Pietschs Geburtstag erhielt, ebenso wie seine Verantwortung für die Mitarbeiter und seine Hilfe für die Schwachen in der Gesellschaft, über die er nie große Worte verlor. Auch im hohen Alter war er vital, lehnte Gehstock und Hörgerät als "Sachen für alte Leute" ab, fuhr an seinem 90. Geburtstag noch einmal einen Bugatti 35 durch den Park der Villa Hügel in Essen, und nahm immer lebhaften Anteil an der Entwicklng seines Verlages.Die Motorpresse ist heute mit 140 Titeln in 20 Ländern einer der größten Fachzeitschriftenverlage der Welt. Pietsch selbst kommentierte seine Erfolge einmal, typisch bescheiden, mit den Worten "Man muss in seinem Leben immer ein bisschen Glück haben." Das hat er sicher gehabt – aber er hat auch viel daraus gemacht.
"Paul Pietsch war eine der großen Verlegerpersönlichkeiten der deutschen Nachkriegszeit. Er hat früher als andere erkannt, dass Autos mehr sind als als Fortbewegungsmittel von A nach B, sondern hoch emotionale Produkte", sagte Automobilwoche-Chefredakteur Guido Reinking. Pietsch war zudem der letzte Überlebende einer Epoche, "als Autorennen noch ein Tanz mit dem Tod waren". Seine Rennfahrerkarriere 1953 endgültig gegen die des Verlegers eingetauscht zu haben, sei wohl seine klügste Entscheidung gewesen. Reinking: "Wir verneigen uns heute vor diesem großen Rennfahrer und Medien-Macher." (Foto: Motorpresse Stuttgart)