Berlin. Mercedes hat mit den Händlern in Deutschland ein neues Vergütungsmodell vereinbart, das ihnen auch in wirtschaftlich schlechteren Zeiten ihr Einkommen im Neuwagenverkauf und die Mittel für Investitionen in künftiges Wachstum garantieren soll. "Der Hersteller sichert dem Handel eine Mindestrendite im Fahrzeugverkauf. Das ist eine bedeutende Weichenstellung, weil sich das System selbst regelt und nicht einfach Geld in den Markt geschüttet wird", sagt Peter Ritter, Sprecher des Mercedes-Vertreterverbands im Gespräch mit der Automobilwoche im Anschluss an dessen Jahresversammlung in Berlin, wo das neue System vorgestellt wurde.
Das Modell, das vom Händlerbeirat und der Mercedes-Benz Vertriebsorganisation Deutschland (MBVD) für die heute 96 Händler ausgehandelt wurde, gilt ab dem kommenden Jahr. Notwendig wurde die Neugestaltung laut Ritter aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks, der zu einem starken Preis- und Margenverfall geführt habe: "Wir brauchen einen Rohüberschuss, um künftige Investitionen auch in Wachstum tätigen zu können." Die neue Vereinbarung sieht vor, dass die MBVD dem deutschen Händlernetz eine Mindestrendite von einem Prozent im Geschäft mit Neu-und Vorführwagen garantiert. Wird der Zielwert im Durchschnitt nicht erreicht, erfolgt eine Ausgleichszahlung an das Netz. "Dies ist eine Bestätigung des Agentursystems. Letztlich profitieren beide davon: Wenn der Fahrzeugverkauf gut läuft, braucht der Hersteller nichts zu bezahlen. In schlechten Zeiten werden die Händler abgesichert", so Ritter. Die Zielrendite im Vertreternetz über alle Geschäftsaktivitäten also inklusive dem Gebrauchtwagenhandel und dem Servicegeschäft liegt bei zwei Prozent, wobei in diesem Jahr nur rund ein Prozent im Durchschnitt erreicht werden dürfte. Einem Mercedes-Händler zufolge dürfte MBVD nach 2008 und 2009 auch 2012 eine Ausgleichszahlung leisten. Die Rede ist von rund 25 Millionen Euro.Das neue Geschäftsmodell biete Anreize für Leistung, minimiere durch ein Ausgleichsmodell zum Geschäftsjahresende aber auch mögliche Ergebnisrisiken, teilte die MBVD auf Nachfrage der Automobilwoche mit. Dadurch werde sichergestellt, dass notwendige Investitionen in Personal oder Infrastruktur in den Handelsbetrieben, die für die Umsetzung der Volumenstrategie 2020 erforderlich seien, auch verzögerungsfrei in Angriff genommen werden könnten.Mercedes stützt deutsche Händler
Der Stuttgarter Premiumhersteller stützt seine Vertriebspartner in Deutschland nun schon zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren: Im Jahr 2008 hat die MBVD in Abstimmung mit dem Händlerverband ein Hilfspaket von 63 Millionen Euro geschnürt, um Verluste der damals knapp 100 Vertreter auszugleichen. Im Folgejahr haben die Händler weitere rund 42 Millionen Euro als so genannte Marketing-Kick-backs erhalten. Gleichzeitig hatte sich Mercedes bereit erklärt, seine Händler vollständig von Restwertrisiken zu befreien. Hintergrund: Als einzige in Deutschland - und auch nur hier - unterhalten die Schwaben das so genannte Agentensystem. Im Gegensatz zu Händlern, die auf eigene Rechnung Fahrzeuge kaufen und verkaufen, vermitteln Agenten als Handelsvertreter die Autos gegen eine Provision. Das unternehmerische Risiko ist geringer, so müssen Lagerfahrzeuge nicht selbst finanziert werden. Dafür liegt die Grundprovision von Mercedes-Vertretern unter den üblichen Händler-Margen. Als Zielrendite im Händlernetz werden zwei Prozent angepeilt, die allerdings sei Jahren nicht flächendeckend erreicht wird.
Das Agentensystem geht bei Mercedes bis weit in die Vorkriegszeit zurück. Ursprünglich sollte diese Vorgehensweise die Möglichkeit von Barrabatten begrenzen, weil der Autokäufer direkt mit dem Hersteller den Vertrag abschließt. Inzwischen allerdings sind laut Marketing- und Vertriebsexperte Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft (IfA) indirekte Rabatte wie ein kostenfreier Satz Winterreifen fast wichtiger geworden als ein Barrabatt: "Die Kontrolle der Transaktionspreise ist also nicht mehr so einfach wie das früher gedacht war." Der Branchenverband ZDK ist ein großer Verfechter des Agentensystems und hat in der Vergangenheit stets die Stützungsmaßnahmen von Mercedes für den Handel begrüßt.Im vergangenen Jahr hat die Pkw-Sparte von Daimler in Deutschland 291.261 Fahrzeuge der Marken Mercedes und Smart verkauft. Das waren 0,7 Prozent weniger als 2010. In den ersten zehn Monaten liegt Mercedes-Benz Cars mit 238.209 Einheiten leicht über dem Vorjahr. Im kommenden wollen die Händler das Volumen der Marke Mercedes um zehn Prozent ausweiten, wie Ritter ankündigte. Vor allem die neue A-Klasse soll den Absatz ankurbeln.
Daimler- und Mercedes-Chef Dieter Zetsche hat in den nächsten Jahren eine Wachstumsoffensive ausgerufen: Bis zum Jahr 2020 soll die Pkw-Sparte ihr weltweites Volumen auf rund 2,6 Millionen Einheiten verdoppeln. Wachstumstreiber ist unter anderem der Ausbau der Modellpalette im Kompaktsegment mit Derivaten der A- und B-Klasse sowie die erhoffte starke Nachfrage in den Schwellenländern. Bis 2020 will Mercedes auch wieder profitabelster Premiumhersteller werden und an den Konkurrenten BMW und Audi vorbeiziehen. "Unsere strategische Zielsetzung im Bereich Pkw ist es, die gesamte Kraft in unsere Wachstumsoffensive zu investieren. Wir erweitern unsere Modellpalette und erschließen neue Kundengruppen. Diese Wachstumsstrategie flankieren wir mit einem neuen Geschäftsmodell, um den Handel bei der Erreichung seiner Ziele zu unterstützen", so die MBVD.