Stuttgart. Die deutschen Autohersteller fordern praxisnähere CO2-Vorgaben auf europäischer Ebene. Nach Informationen der Automobilwoche wollen sie erreichen, dass ein Ansparsystem für CO2-Emissionen in den Gesetzesentwurf aufgenommen wird, der noch das EU-Parlament und den Rat passieren muss. Beim sogenannten "Banking“ erhalten Hersteller, die das ab 2015 geltende individuelle Flottenziel unterschreiten, CO2 gutgeschrieben. Der Kredit ergibt sich aus der Differenz zwischen Ist- und Zielwert. Diese wird mit der Zahl der Fahrzeugverkäufe sowie einem Verrechnungsfaktor multipliziert. Je näher das Jahr 2020 rückt, desto geringer der Faktor und damit die Gutschrift. Nach 2020 kann das Guthaben genutzt werden, um das Flottenziel zu senken. Ein solches Verfahren gibt es auch in den USA. Investitionen in neue Antriebe werden dadurch gefördert und gleichzeitig über einen längeren Zeitraum gestreckt.
Die EU-Kommission hat im aktuellen Gesetzesvorschlag ab 2020 ein europäisches Flottenziel von 95 Gramm CO2 je Kilometer festgelegt (Automobilwoche 16/2012), wobei sich aus dem durchschnittlichen Fahrzeuggewicht individuelle Ziele für jeden Hersteller ableiten. Völlig überraschend für die Industrie sind die Vorgaben für große und schwere Fahrzeuge verschärft worden, während kleine Pkw entlastet wurden. Zusätzlich zu den EU-Vorgaben, die jeder Hersteller erfüllen muss, um hohe Strafzahlungen zu vermeiden, haben sich manche Hersteller selbst ambitionierte Ziele gesetzt. So will der VW-Konzern ab 2015 unter 120 Gramm CO2 kommen. Daimler will den Ausstoß auf rund 125 Gramm im Jahr 2016 senken. Und die Marke Renault soll schon im kommenden Jahr unter 120 Gramm und 2016 unter 100 Gramm CO2 liegen.Hersteller wollen CO2 ansparen
Während die europäische Industrie am Grenzwert selbst und der Gewichtskomponente nicht mehr rütteln will, drängt sie auf Erleichterungen bei den sogenannten Eco-Innovationen und Super-Credits, die bereits im Gesetzesentwurf enthalten sind. Eco-Innovationen wie LED-Beleuchtung, Solardächer, reflektierende Lacke und Thermoverglasung spielen zwar keine Rolle bei der Verbrauchsermittlung im Fahrzyklus, helfen aber in der Praxis beim Spritsparen. Mit diesen Innovationen sollen die Hersteller eine Gutschrift von bis zu sieben Gramm CO2 für ihre Flotte erreichen können. Nach Recherchen der Automobilwoche hat die EU hierfür aber bislang keine einzige Technologie anerkannt. Als hinderlich erweist sich, dass eine Eco-Innovation für die Anerkennung mindestens ein Gramm CO2 einsparen muss. "Dabei kämpfen wir hier um jedes Zehntel Gramm“, beschwert sich ein Hersteller. Die EU tue alles, damit Eco-Innovationen nicht angerechnet werden, kritisiert ein anderer Autobauer. Falls die EU an den hohen Hürden festhalte, sollten Eco-Innovationen besser aus dem Gesetz gestrichen werden, so die einhellige Meinung.
Zweiter Stein des Anstoßes sind die sogenannten Super-Credits. Fahrzeuge, die weniger als 35 Gramm CO2 je Kilometer emittieren, können sich die Hersteller mit dem Faktor 1,3 anrechnen lassen. Plug-in-Hybride schaffen dieses Niveau nicht und würden somit keine Credits erhalten. Ohne Plug-in-Hybride sind nach Ansicht der Industrie die neuen Grenzwerte für große Fahrzeuge aber nicht zu schaffen. Obwohl für diesen Antrieb Mehrkosten zwischen 5000 und 8000 Euro je Auto entstehen, würden sie nicht angemessen berücksichtigt, so die Kritik. Daher sprechen sich die Hersteller dafür aus, besser die Effizienz eines Fahrzeugs als Kriterium heranzuziehen. Es sollten eher Fahrzeuge angerechnet werden, die doppelt so effizient sind, wie sie es laut Zielvorgabe sein müssten.