Die Entmachtung von Chrysler-Chef Tom LaSorda noch bevor er sein Amt offiziell überhaupt antreten durfte, ist eine faustdicke Überraschung – und sie bestätigt das negative Image von Finanzinvestoren. Es handelt sich dabei nicht nur um eine bloße Personalie, sondern um eine deutliche Ansage, welchen Kurs der hochdefizitäre US-Automobilhersteller in Zukunft einschlägt. Dies wiederum könnte weitreichende Folgen für die neue Daimler AG haben, die immerhin noch mit 19,9 Prozent an der Chrysler LLC beteiligt bleibt.
Noch bei der Bekanntgabe der Trennung Mitte Mai sprach Cerberus-Chairman John W. Snow dem damaligen Chrysler-CEO LaSorda sein vollstes Vertrauen aus und kündigte an, mit ihm an der Spitze als langfristiger Investor die Sanierung des angeschlagenen Unternehmens vorantreiben zu wollen. Ohne Konzernzwänge sollte LaSorda das vollbringen, was vorher unter dem Dach von DaimlerChrysler mehrfach scheiterte: Aus dem chronischen Verlustbringer ein dauerhaft profitables Unternehmen zu machen.
Von Anfang an war klar, dass dies angesichts der Produktlebenszyklen von rund sieben Jahren in der Automobilindustrie allenfalls mittelfristig gelingen kann. Mit der Ernennung von Bob Nardelli zum neuen Chairman von Chrysler stellt sich die Frage, ob diese Strategie noch Bestand hat. Was kann der ehemalige Chef einer Baumarktkette besser als der anerkannte Produktionsfachmann LaSorda, der schon bei General Motors tätig war und sein Vorgänger, der heutige Daimler-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche?
Der Auftrag von Nardelli dürfte auf der kurzfristigen Gewinnmaximierung für Cerberus liegen – ganz wie es dem negativen Image von “Heuschrecken” entspricht. Der ehemalige Chairman von Home Depot habe es geschafft, in vier aufeinanderfolgenden Jahren ein Wachstum des Gewinns pro Aktie von 20 Prozent zu erzielen und die Dividende von 16 US-Cents auf 90 US-Cents pro Aktie zu steigern, lobte der Finanzinvestor den Manager bei der Bekanntgabe der Ernennung. Es sieht also ganz danach aus, dass Nardelli Chrysler so schnell wie möglich hübsch für den Weiterverkauf machen soll. Möglicherweise haben auch die Finanzierungsprobleme von Cerberus dazu beigetragen, das Engagement nochmals zu überdenken.
Für die neue Daimler AG ergibt sich durch den Wechsel an der Chrysler-Spitze ebenfalls eine völlig neue Situation. Anstatt über eine längerfristige Beteiligung mit allen Chancen auf einen Sanierungserfolg zu verfügen, stellt sich nun die Frage, was das Paket von knapp 20 Prozent mit einem vermeintlich kurzfristig orientierten Großaktionär überhaupt wert ist. Und was passiert, wenn Cerberus für Chrysler Gläubigerschutz nach Chapter 11 beantragt, um sich der Gesundheits- und Pensionslasten zu entledigen? Selbt wenn dies derzeit nur eine hypothetische Fragestellung ist, wird dennoch deutlich, dass der deutsche Automobilhersteller dem Können und der Fortune des branchenfremden Nardelli ausgeliefert ist. Sollte es schlecht laufen, könnte Cerberus angesichts dieser Rahmenbedingungen zudem versucht sein, den Deal nochmals zum Nachteil von Daimler nachzuverhandeln. Diese Situation wäre nicht neu: Um das Gesamtgeschäft zu retten, musste Daimler Cerberus vor Kurzem nachträglich eine neue Kreditlinie von 1,5 Milliarden US-Dollar einräumen.
Für die neue Daimler AG ist das Kapitel Chrysler also noch längst nicht erledigt. Und die Zukunft des angeschlagenen US-Automobilherstellers ist offener denn je.