Sindelfingen. Mercedes verbindet mit der neuen S-Klasse hohe Erwartungen an Absatz und Gewinn. "Wir rechnen mit einem höheren Volumen - einerseits durch zusätzliche Varianten und neu hinzukommende Märkte. Anderseits wollen wir weitere Marktanteile gewinnen," kündigte Daimler- und Mercedes-Chef Dieter Zetsche beim Produktionsstart der neuen Oberklasse-Baureihe im Werk Sindelfingen an. Die Kosten der Baureihe seien deutlich gesenkt worden. Dieser Spielraum sei in großem Umfang genutzt worden, um zusätzliche Inhalte ins Fahrzeug zu bringen. "Die neue S-Klasse ist deutlich wettbewerbsstärker. Wir erwarten uns, einen wesentlichen positiven Beitrag zum angestrebten durchschnittlichen Renditeziel von Mercedes", so Zetsche. Die S-Klasse sei ein "sehr profitables Fahrzeug", dessen Rendite deutlich über dem Zielwert der Sparte liege.
Die Pkw-Sparte von Daimler hat sich über die Zyklen hinweg eine operative Rendite von durchschnittlich zehn Prozent vorgenommen, lässt aber offen, wann dieses Ziel erreicht werden soll. Im vergangenen Jahr hat Mercedes-Benz Cars eine Rendite von 7,1 Prozent ausgewiesen. Damit liegt der Stuttgarter Autohersteller allerdings weit hinter den Konkurrenten BMW und Audi zurück, die auf 10,9 bzw. 11,7 Prozent kamen. Auch beim Absatzvolumen hinkt Mercedes hinterher. Bis 2020 wollen die Schwaben die Verkäufe auf rund 2,6 Millionen Fahrzeuge verdoppeln und auch bei der Profitabilität an der Spitze des weltweiten Premiumsegments stehen. Das Flaggschiff S-Klasse ist ein wichtiger Botschafter der Marke und Treiber der Rendite. Die neue Baureihe kommt ab 20. Juli in den Handel. Der Einstiegspreis liegt bei knapp 79.800 Euro für die Dieselvariante S 350 BlueTec mit kurzem Radstand. Gefertigt wird die Baureihe ausschließlich in Sindelfingen. Das Vorgängermodell, das 2005 auf den Markt kam, ist über 500.000 Mal verkauft worden. Im vergangenen Jahr sind es trotz des Auslaufs noch 65.000 Einheiten gewesen - davon sind 30.000 in China ausgeliefert worden.S-Klasse soll Rendite von Mercedes verbessern
Seit der Verkaufsfreigabe in vielen Märkten Europas vor rund vier Wochen sind laut Zetsche 12.000 Bestellungen eingegangen: "Wir sind mit dem Start außerordentlich zufrieden." Nach der Einführung in Europa folgen im Abstand von zwei bis drei Monaten die wichtigen Überseemärkte USA und China. "Um die Nachfrage schnellstmöglich zu erfüllen, produzieren wir in den Sommermonaten ohne Pausen durch", so Willi Reiss, Werkleiter Sindelfingen. In die Produktion der neue Baureihe mit dem internen Kürzel W222 investiert Mercedes zwischen 2011 und 2014 rund 350 Millionen Euro in den Rohbau, rund 130 Millionen Euro in das Presswerk und rund 70 Millionen Euro in die Montage. Nach der Einstellung der Luxusmarke Maybach wird die S-Klasse-Baureihe um drei auf sechs Modelle erweitert. Offiziell bekannt gegeben wurden bislang eine Limousine mit langem und mit kurzem Radstand sowie ein Coupé, das 2014 auf den Markt kommt. Außerdem hat Mercedes das Geld genutzt, um die Fertigung effizienter und kostengünstiger zu gestalten. "Wir haben einen Produktivitätsfortschritt von insgesamt 20 Prozent erzielt", sagte Reiss während einer Werksführung. Kostenvorteile soll auch die Modulstrategie bringen: Die sechs Varianten sollen zu 90 Prozent mit identischen Bauteilen auskommen.
"Wir werden mit der S-Klasse unsere Benchmark-Ziele erreichen", zeigte sich der neue Produktions- und Einkaufsvorstand der Pkw-Sparte, Andreas Renschler, zuversichtlich. Der Manager hat zuvor die Nutzfahrzeugsparte geleitet und ist seit Juni auf der neuen Position. Auf Druck der Arbeitnehmervertreter ist sein Vorgänger, Wolfgang Bernhard, an die Spitze der Lkw-Sparte gerückt. Renschler ließ keinen Zweifel daran, dass er die Kostensenkungs- und Rationalisierungsstrategie seines Vorgängers fortsetzen will - allerdings gemeinsam mit dem Betriebsrat: "Wir haben ein gemeinsames Interesse, die deutschen Standorte effizient zu gestalten. Wir arbeiten nicht gegen den Betriebsrat - und er nicht gegen uns." Vor allem das Werk Sindelfingen, das bereits 1915 die Produktion aufgenommen hat und inzwischen die größte Fertigungsstätte von Mercedes-Pkw ist, gilt unter Experten als problematisch: Einerseits ist die Fabrik historisch gewachsen und zwischen die Städte Sindelfingen und Böblingen gezwängt, so dass ein kostenoptimales Fabriklayout, wie es bei Neuansiedlungen auf der grünen Wiese erreicht wird, kaum umzusetzen. Anderseits hat sich die Belegschaft über die Jahre hinweg Privilegien erstritten, die nur schwer rückgängig gemacht werden können. Dennoch hat Renschler den Anspruch, Sindelfingen zu einer "der effizientesten Produktionsstufen" im Mercedes-Verbund zu machen. Trotz der erhofften Produktivitätsgewinne und der kompletten Verlagerung der C-Klasse-Fertigung im kommenden Jahr nach Bremen, Südafrika und die USA sieht Reiss in den nächsten Jahren kein Beschäftigungsproblem in Sindelfingen. Der Standort wird weltweites Kompetenzzentrum für Oberklasse- und Luxusmodelle bleiben. Trotz des Kapazitätsausbaus in Ungarn und China für die neue Kompaktklasse will Daimler an Deutschland festhalten. "Die deutschen Werke werden auch in Zukunft eine bedeutende Rolle im Produktionsverbund spielen", so Renschler.Bei den angekündigten Kostensenkungsmaßnahmen aus dem Kurzfrist-Programm "Fit for Leadership" und darüber hinaus reichenden Ideen für strukturelle Ansatzpunkte sieht sich die Daimler-Pkw-Sparte im Plan. "Wir sind 2013 besser unterwegs als wir uns das vorgenommen hatten", so Zetsche. Bis Ende 2014 sollen die Kosten bei Mercedes um zwei Milliarden Euro sinken, rund 1,3 Milliarden davon sind für 2013 eingeplant. Zetsche zeigte sich zuversichtlich, in Gesprächen mit dem Betriebsrat auch bei den "strukturellen Themen" voranzukommen. Während Mercedes zur konkreten Fertigungszeit bei der S-Klasse keine Angaben machen wollte, bekräftigte das Unternehmen das Ziel, 30 Stunden pro Fahrzeug (hours per vehicle) in der Sparte bis 2015 erreichen zu können. Aktuell liegt der Wert bei 40 hpv, vor einigen Jahren waren es noch 60 hpv gewesen.
Während die neue S-Klasse noch keine positiven Spuren im Abschluss des zweiten Quartals hinterlassen kann, glaubt Zetsche, dass die Sparte die Talsohle durchschritten hat: "Wir haben den Scheitelpunkt erreicht. Das zweite Quartal wird positiver sein." Im ersten Vierteljahr war der Gewinn von Mercedes-Benz Cars um 63 Prozent auf 460 Millionen Euro eingebrochen. Die operative Marge war von 8,2 Prozent auf nur noch 3,3 Prozent erodiert. Auch auf Jahressicht prognostiziert Mercedes einen Gewinnrückgang gegenüber den 4,4 Milliarden Euro aus 2012. Insgesamt rechnet Zetsche damit, dass sich die Nachfrage im zweiten Halbjahr erholt. "Unser Markt gibt weiteres Wachstum her. Das Premiumsegment wird laut Prognosen jährlich um über fünf Prozent zulegen - in China sogar mehr als doppelt so viel", so der Daimler-Chef.