Rekordjahr für Dekra

Stuttgart. Dekra will im laufenden Geschäftsjahr einen Umsatz von zwei Milliarden Euro schreiben und im kommenden Jahr weiter wachsen. "Unser Anfang des Jahres eingeführtes Strategieprogramm zeigt Wirkung. Auf dem Weg zu Spitzenleistungen hat Dekra die nächste Wachstumsstufe gezündet“, sagte Stefan Kölbl, Chef der Stuttgarter Sachverständigenorganisation, am Donnerstagabend zu Journalisten. Auch das operative Ergebnis werde deutlich zulegen. Trotz konjunktureller Unsicherheiten erwartet der Manager im kommenden Jahr "eine positive Entwicklung des Unternehmens." "Wir werden verstärkt in Infrastruktur und Prozesse investieren und darüber hinaus unsere internationale Präsenz weiter ausbauen – sowohl mit Partnerschaften als auch durch gezielte Akquisitionen“, kündigte Kölbl an. Der Expansionsfokus liege auf Nord-und Südamerika sowie Asien. Inzwischen erlöst das Geschäft außerhalb Deutschlands ein Drittel des Konzernumsatzes.

Erstmals nahm das Unternehmen am freien Kapitalmarkt Geld auf. "Die Resonanz der Investoren auf unsere Schuldschein-Emission mit einem Volumen von 200 Millionen Euro war hervorragend. Wir hätten das Doppelte platzieren können“, so der Dekra-Chef. Dekra platzierte Schuldschein-Darlehen mit Laufzeiten von fünf bis sieben Jahren und einer Verzinsung von 3,5 bis vier Prozent. Den Lead hatten die LBBW und die Deutsche Bank, die die Titel an Sparkassen und Versicherungen weiterreichten. "Wir zahlen dafür extrem niedrige Zinsen“, zeigte sich Kölbl zufrieden. Die Finanzmittel sollen in erster Linie die Liquidität des Unternehmens absichern, auch wenn sich die ökonomischen Rahmenbedingungen verschlechtern. Dazu will die aus 250 Einzelgesellschaften bestehende Organisation hohe Investitionen in die Vereinheitlichung der IT-und Prozessinfrastruktur stecken. Ein weiterer Teil soll als finanzielle Reserve für mögliche Akquisition dienen.

Mit dem Erreichen der Schwelle von zwei Milliarden Euro Umsatz hat Dekra eines der selbst gesteckten Ziele erfüllt, auch wenn die Wachstumsrate mit acht Prozent leicht schwächer ausfiel als die zu Jahresanfang erhofften zehn Prozent. Bereits im Vorjahr war das Wachstum hinter den Planungen zurückgeblieben. Bis 2015 wollen die Stuttgarter vor allem durch den Ausbau des Industrie-Prüfgeschäfts den Konzernumsatz auf drei Milliarden Euro ausbauen. Außerdem soll das Unternehmen deutlich profitabler werden. Konkret peilt Kölbl eine Umsatzrendite von zehn Prozent an. Im Geschäftsjahr 2010 hat Dekra Erlöse von 1,86 Milliarden Euro sowie einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 121,6 Millionen Euro ausgewiesen. Die operative Marge lag damit bei 6,5 Prozent. Im Vorkrisenjahr 2008 hatte der Konzern eine Umsatzrendite von 7,6 Prozent geschafft.

Rückgrat der Organisation bleibt das Automotive-Geschäft. Mit Fahrzeugprüfungen, Gutachten und Dienstleistungen wie dem Gebrauchtwagen-Management erlöst Dekra in diesem Jahr 1,2 Milliarden Euro – ein Plus von knapp acht Prozent. "Wir haben in diesem Bereich unsere Position als weltweite Nummer eins weiter ausgebaut“, so Kölbl. Die deutsche Dekra Automobil GmbH trägt rund 860 Millionen Euro bei, nach rund 820 Millionen Euro im Jahr 2010. Aus dem Ausland flossen rund 300 Millionen in die Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung. Das entspricht einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 16 Prozent.

Damit wächst das traditionelle Geschäft stärker als die Wachstumssparte Industrie-Prüfleistungen, die ihren Umsatz um mehr als sechs Prozent auf rund 530 Millionen Euro steigern wird. Dennoch sieht der Dekra-Chef die Division auf dem richtigen Weg: "Wir haben nun erstmals die Schwelle von 500 Millionen Euro Umsatz überschritten und wollen in fünf Jahren die Grenze von einer Milliarde Euro erreichen.“ Zurückhaltend blieb Dekra zum Abschneiden der dritten Sparte Dekra Personnel. Kölbl sprach von einem "gemischten Bild.“ Während das das Geschäft mit Leiharbeitern boomte und den Umsatz um ein Drittel auf mehr als 200 Millionen Euro ausbaut, blieb die Dekra Akademie unter dem Vorjahresumsatz von 173 Millionen Euro. Als Grund wurden die Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand genannt. Die gesamte Sparte hat im Vorjahr Erlöse von 323 Millionen Euro erzielt.

Um das geplante Wachstum auch organisatorisch stemmen zu können, investiert Dekra stark in die weltweite IT-Standardisierung und Vereinheitlichung von Prozessen zum Beispiel im Bereich Finanzen und Controlling. Begonnen wird zunächst mit den Kernmärkten Deutschland und Frankreich. Notwendig wird die Harmonisierung durch den seit Jahren anhaltenden Akquisitionskurs. So übernahm Dekra 2011 zum Beispiel den französischen Gebrauchtwagen-Spezialisten AutoContact Holding SAS mit einem Umsatz von über 50 Millionen Euro. Dazu kam erst vor Kurzem der brasilianische Gutachter Jopema. Die Sparte Industrial erwarb das britische Unternehmen Chilworth Global, das auf Explosionsschutz fokussiert ist. Im Jahr 2011 steigt die Zahl der weltweiten Mitarbeiter um rund 3000 auf über 28.000. Auch die Zentrale in Stuttgart braucht mehr Platz: Bis Mitte 2013 soll ein Erweiterungsbau für 300 Mitarbeiter stehen.

Ein weiterer wichtiger Wachstumsmarkt ist China – besonders in der Produktprüfung und Zertifizierung. Dekra verfügt heute über fünf Prüflabore im Reich der Mitte und beschäftigt an neun Standorten rund 400 Mitarbeiter. Im Frühjahr 2011 wurde in Shanghai die neue Asienzentrale für das Produktprüfungs-, das Zertifizierungs-, das Automobilprüf- sowie das Industrieprüfgeschäft in Betrieb genommen. Das Gebäude beherbergt eines der modernsten Prüflabore für Elektronik in China, in dem die Experten mit High-Tech-Prüfverfahren beispielsweise LEDs testen. Auch im Gebrauchtwagen-Management und bei Schadensgutachten sehen die Stuttgarter Geschäftspotenzial. Fahrzeugprüfungen sind hingegen in staatlicher Hand. (Foto: Dekra)