Frankfurt/Main - Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, rechnet auch in den nächsten drei bis fünf Jahren mit ungünstigen Wechselkursen für die deutsche Autoindustrie. „Ich glaube, dass eine Reihe von Argumenten für einen anhaltend schwachen Wechselkurs in der Spanne zwischen 1,30 und 1,50 Dollar für einen Euro sorgt“, sagte Walter der Branchen- und Wirtschaftszeitung Automobilwoche in einem authorisierten Wort-Interview. Bereits bei einem Euro-Kurs von 1,30 Dollar ist laut Walter die Schmerzgrenze für die Automobilindustrie schon längst überschritten. Der Euro notiert derzeit bei rund 1,35 Dollar.
Norbert Walter: Dollar bleibt noch drei bis fünf Jahre schwach
„Sollte die Wechselkurssituation anhalten, ist dies automatisch mit einer Gewinnbelastung für die deutschen Automobilhersteller verbunden“, warnte auch Automobil-Analystin Maria Bissinger von der Ratingagentur Standard & Poor’s in der Automobilwoche. Es gebe zwar die Möglichkeit, sich gegen Kursveränderungen durch finanzielles oder natürliches Hedging abzusichern. „Das ist aber immer mit zusätzlichen Kosten verbunden“, so die Expertin.
Durch das Ungleichgewicht gegenüber der weltweiten Leit-Währung Dollar entstehen der deutschen Automobilindustrie massive Nachteile: Die Umsätze geraten unter Druck und die Gewinnmargen der exportierten Fahrzeuge sinken. Verschärft wird diese Situation durch den gleichzeitig ebenfalls schwachen Yen, der den japanischen Hauptkonkurrenten auf dem Weltmarkt Rückenwind gibt. Eine Prognose zur Entwicklung des Yen wollte Walter im Interview zwar nicht wagen. Die deutsche Automobilindustrie täte aber gut daran, nicht auf steigende Kurse zu hoffen, so der oberste Volkswirt der Deutschen Bank.
Während Ökonomen bei solchen Rahmenbedingungen zur Kostensenkung und Produktionsverlagerung nach Übersee oder in Billig-Lohnländer raten, plädierte Walter im Interview mit der Automobilwoche überraschend für einen zusätzlichen Lösungsansatz: „Anstatt in einen Kostenwettbewerb einzutreten, sollten sich die deutschen Vorstände vielmehr auf die eigenen Stärken besinnen: Gute, sichere und prestigeträchtige Autos zu bauen, für die man am Markt einen höheren Preis erzielen kann“. Gerade die Premiumanbieter müssten ihre Alleinstellungsmerkmale „stärker verteidigen“ und damit den Kostendruck besser ertragen.
„Diese Rahmenbedingungen werden die Strategien der Unternehmen wesentlich beeinflussen“, unterstrich Automobilexperte Andreas Baier von der Unternehmensberatung Accenture in der Automobilwoche. Er rechnet damit, dass beispielsweise Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW ihre Produktion in den USA in den kommenden Jahren deutlich ausbauen und so das natürliche Hedging erhöhen. Dies sei die wesentlich günstigere Variante als Kurssicherungen am Finanzmarkt.