Stuttgart. Mercedes arbeitet an völlig neuen Fahrerassistenzsystemen, die den Einstieg in das semi-autonome Fahren ebnen. Im ersten Schritt soll ein Fahrzeug automatisch ausweichen, falls ein Fußgänger von rechts unvermittelt die Fahrbahn betritt und eine Kollision nicht mehr zu vermeiden ist. "Damit fährt ein Auto zum ersten Mal für kurze Zeit nicht in die Richtung, in die der Fahrer will", bringt Walter Ziegler, Leiter der Fahrerassistenzsysteme in Forschung und Vorentwicklung, die Bedeutung dieser neuen Anwendung auf den Punkt. Während dies für Mercedes rein rechtlich kein grundsätzliches Problem darstellt, ist man noch unsicher, ob dies gesellschaftlich akzeptiert und vom Kunden gewünscht ist. Noch befindet sich die Ausweichassistenz, so der interne Arbeitstitel, im Forschungsstadium. Damit ist bereits heute klar, dass die Serienreife nicht bis zum Marktstart der neuen S-Klasse im Jahr 2012 erreicht wird.
Möglich wird die Ausweichfunktion durch die Verknüpfung verschiedener Technikbausteine auf Basis eines Stereobilds. Zum Einsatz kommen zwei Videokameras des Zulieferers Bosch, die in der bereits erhältlichen Nachtsichtfunktion verwendet werden. Die Kameras beobachten den Verkehrsraum vor dem Fahrzeug und erfassen alle stehenden und bewegten Objekte sowie die Freiräume. Ein intelligenter Algorithmus identifiziert die Fußgänger anhand von Größe, Bewegung und Textur. Ihre wahrscheinliche Bewegungsrichtung lässt sich in Echtzeit vorhersagen und so eine mögliche Kolissionsgefahr vorausberechnen. Auf Basis aller Informationen kann das System selbsttätig ein Ausweichmanöver durchführen - allerdings nur dann, wenn sich ein Aufprall nicht mehr vermeiden lässt. Steht ausreichend Zeit zur Verfügung, löst das System eine automatische Vollbremsung aus. Der Fahrer kann durch Lenken, Bremsen oder Gasgeben das System jederzeit übersteuern, was rein rechtlich vorgeschrieben ist.
Dieses semi-autonome Fahren befindet sich erst am Anfang der Entwicklung. So gibt es bereits Fahrzeuge, die automatisch einparken. Umstritten ist allerdings, wie weit solche Anwendungen gehen dürfen, das heißt, ob letztlich Robotern die Entscheidungsgewalt über Autos überlassen werden soll oder nicht. Während dies beim Einparken oder bei geringen Geschwindigkeiten eher denkbar ist, gibt es bei komplizierten Manövern wie dem Einfädeln an einer Kreuzung oder bei Überlandfahrten große rechtliche Bedenken. Weiterer Aspekt: Wenn der Fahrer eingreifen können muss, kann er sich nicht mit anderen Dingen beschäftigten, was die Frage nach dem generellen Nutzen aufwirft.