Stuttgart. Daimler hat zum wiederholten Mal für maßlose Enttäuschung gesorgt: Der Gewinn im dritten Quartal brach ein, die Prognosen für das Jahr wurden herunter korrigiert und die für 2013 avisierten Renditeziele einkassiert. Und wie immer in dieser Situation präsentierte sich das Management demonstrativ tatkräftig: Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen (und nach eigenem Selbstverständnis auch hingehören). Aber wir haben einen Plan. Und wie immer liegen die Ziele so weit in der Zukunft, dass einige Führungskräfte den Erfolg oder Misserfolg des Plans nicht mehr als aktive Manager erleben werden.
Nur zur Klarstellung: Daimler und Mercedes sind keine Sanierungsfälle. In diesem Jahr wird der Konzern rund acht Milliarden Euro an operativem Gewinn einfahren und den Aktionären wahrscheinlich wieder eine schöne Dividende zahlen. Aber im Vergleich zu Konkurrenten aus der Pkw- und Nutzfahrzeugbranche bringen die Schwaben ihre PS halt nicht auf die Straße - und schon gar nicht regelmäßig und einigermaßen berechenbar. Gleichzeitig schürt das Management hochgesteckte Erwartungen - einerseits aus dem eigenen Anspruch als selbsternannter Erfinder des Automobils heraus - andererseits um den Aktienmarkt bei Laune zu halten. Entsprechend groß ist das Enttäuschungspotenzial.Und wieder hat Daimler die Messlatte ganz hoch gehängt: Bis 2020 soll Mercedes wieder volumenstärkster und profitabelster Premiumhersteller der Welt werden. Dazu müssen die Schwaben BMW und Audi überholen. Dabei lässt Finanzchef Bodo Uebber durchblicken, dass der Abstand eigentlich gar nicht so groß ist wie er für außenstehende Beobachter scheint: Mercedes muss nur das Produktportfolio erneuern, ein paar Lücken in der Modellpalette schließen und in China das Händlernetz auf Vordermann bringen. Dabei erweckt er den Eindruck, als seien diese Defizite vom Schicksal hervorgerufen - einer Naturkatastrophe etwa. Die Tatsache, dass die Probleme hausgemacht sind, ignoriert der Manager.Warum muss Mercedes die E-Klasse schon zur Mitte des Lifecyle komplett erneuern? Früher hat eine Modellpflege mit etwas Kosmetik gereicht, um das Fahrzeug frisch zu halten. Warum hat BMW die Marktnachfrage antizipiert und mit dem X1 einen kleinen Geländewagen gebracht und Mercedes nicht? Warum drucken Audi und BMW in China Geld, während die Schwaben sogar das Händlernetz subventionieren müssen? Warum haben die Konkurrenten in China längst eine einheitliche Vertriebsorganisation für lokal produzierte und importierte Fahrzeuge und Mercedes verkauft den längst überfälligen Schritt nun als wichtigen Baustein des Plans?Um die eigenen Versäumnisse der Vergangenheit aufzuholen, braucht Daimler wie immer ein Programm. "Fit for Leadership" soll kurzfristig zwei Milliarden Euro sparen und langfristig die Pkw-Sparte effizienter machen. Wie? Daran arbeiten die Abteilungen noch. Dabei hat Daimler schon durchblicken lassen, was nicht gemacht wird: Es ist kein massiver Stellenabbau geplant - denn Mercedes-Benz Cars will ja bis 2020 den Absatz verdoppeln. Die im Industrievergleich sehr hohe Fertigungstiefe wird nicht grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt - denn eigentlich kann niemand so gut Getriebe, Achsen und Sitze fertigen wie Daimler selbst. Bei alternativen Antrieben muss man Batterien, Elektromotoren etc. selbst entwickeln und bauen - nur dann verfügt man über die Schlüsseltechnologien. Und im Vertrieb, der wie bei kaum ein anderer Autohersteller auf eigene Niederlassungen setzt, ist ebenfalls kein Strategiewechsel geplant. Denn nur so wird aus einem Autokauf ein Markenerlebnis. Auffällig ist, dass Daimler seit Jahren die Effizienz erhöhen will, aber nie davon spricht, schlanker werden zu wollen. Am Neckar scheint sich Hilflosigkeit breit zu machen.Kommentar: Wir können alles - irgendwann
Nach einem Gewinneinbruch hat Daimler die eigenen Renditeziele kassiert. Nun sollen Sparprogramme den Autohersteller wieder in die Spur bringen. Am Neckar scheint sich Hilflosigkeit breit zu machen.
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