München. Für Fahrzeugflotten in Europa gilt ab dem Jahr 2020 ein Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, setzen die Fahrzeughersteller auf einen Technologiemix.
VW-Chef Martin Winterkorn hält das Ziel für "extrem ehrgeizig". stellt sich aber den Herausforderungen. Er erwartet aber, dass bei der Beurteilung der Reduktionserfolge auch Elektro- und Hybridautos berücksichtigt werden."Wir ziehen alle Register“, erklärt Heinz Hollerweger, bei Audi Leiter Entwicklung Gesamtfahrzeug. Das gelte sowohl "bei der weiteren Effizienzsteigerung unserer Motoren und Getriebe oder beim Senken aller Fahrwiderstände. Grundsätzlich geht es uns dabei nicht nur um niedrige Verbrauchswerte im NEFZ-Zyklus, sondern um geringe Kraftstoffverbräuche unserer Kunden im Alltag.“ Dabei helfe die Elektrifizierung aller Nebenaggregate sowie der Einsatz von 48-Volt-Bordnetzen. "Zudem sehen wir im intelligenten Energiemanagement noch große Potenziale. Ebenso bei neuen Assistenzsystemen, die dank hochgenauer prädikativer Streckendaten vorausschauen und dem Fahrer bei einer sparsamen Fahrweise unterstützen können“, ergänzt Hollerweger.Kein Königsweg zum CO2-Ziel
Auch Herbert Kohler, Vizepräsident Konzernforschung und Nachhaltigkeit bei Daimler, will sich alle Technologieoptionen offen halten. "Die Zukunft liegt definitiv in der Elektrifizierung des Antriebs, jedoch sind wir davon überzeugt, dass es künftig nicht die eine Technologie als Königsweg zur nachhaltigen Mobilität geben wird, sondern maßgeschneiderte Lösungen für alle Mobilitätsanforderungen. Dementsprechend verfolgen wir eine dreigliedrige Antriebsstrategie und setzen auf einen intelligenten Mix aus innovativen Verbrennungsmotoren, deren Hybridisierung sowie emissionsfreies Fahren mit Batterie- oder Brennstoffzelle.“
Auch beim koreanischen Autobauer Hyundai sieht man in den konventionellen Antrieben noch viel Potenzial. "Langfristig ist aus heutiger Sicht die Brennstoffzellentechnolgoie die wichtigste Alternative“, erklärt Europachef Allan Rushforth. Für ihn ist Wasserstoff "der Kraftstoff der Zukunft. Hinsichtlich Reichweite und Betankung bietet das Brennstoffzellenfahrzeug die gleichen Vorteile wie ein Fahrzeug mit klassischem Verbrennungsmotor – und das Ganze ohne Ausstoß von Emissionen“. Hyundai sei der erste Autohersteller, der die Brennstoffzellentechnologie kommerzialisiert. "Die Serienproduktion des ix35 FCEV begann im Januar 2013. Bis 2015 werden wir 1000 Einheiten an gewerbliche Nutzer vermarkten“, erklärt Rushforth.Auch bei BMW spielt das Thema Wasserstoff-/Brennstoffzellenantriebe eine Rolle – doch äußert man sich dort zurückhaltender. Zwar bieten die Technologien "langfristig die Chance auf hohe emissionsfreie Reichweiten bei kurzen Betankungszeiten, ähnlich heutiger Benzin- und Dieselfahrzeuge“, heißt es bei der BMW-Technologiekommunikation. Damit eignen sie sich insbesondere für mittlere und große Fahrzeuge auf der Langstrecke. Aktuell seien die Kosten des Brennstoffzellenantriebs (vor allem Brennstoffzellen und Wasserstofftank) jedoch "noch nicht großserienreif“. Die Bayern forschen aktiv an verbesserten Konzepten mit Potenzial zur Kostensenkung wie beispielsweise innovativer Tank- und Betankungstechnologie in Kombination mit neuen Kühlkonzepten für die Brennstoffzelle. "Ein marktfähiges Produkt ist abhängig von der Verfügbarkeit einer ausreichenden Tankstelleninfrastruktur frühestens ab 2020 denkbar“, heißt es dort.
BMW bringt seine Erfahrung nun auch in die kürzlich besiegelte Forschungs-Kooperation mit Toyota ein, um die "Herausforderungen auf dem Weg zur Marktreife der Brennstoffzellentechnik gemeinsam zu bewältigen“. Dabei liegt der Fokus auf der Weiterentwicklung der Kernkomponenten des Brennstoffzellenantriebs (Brennstoffzelle, Wasserstofftank, E-Antrieb) für den Einsatz in leistungsstarken mittleren und großen Fahrzeuge.Beim Thema Elektromobilität verweisen die Münchner auf den europäischen Automobilherstellerverband ACEA, der im Jahr 2020 von möglichen drei bis acht Prozent Elektromobilität ausgeht. "Abhängig von den politischen Rahmenbedingungen insbesondere innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten teilen wir diese Meinung, dass im Jahr 2020 vollelektrische Fahrzeug und Plug-in-Hybride zusammen etwa diesen Anteil bei neu zugelassenen Fahrzeugen erreichen können“, heißt es dort.
Der elektrische Motor arbeite einerseits sehr effizient mit einem extrem hohen Wirkungsgrad von bis zu über 90 Prozent. Andererseits passe der Elektroantrieb durch sein äußerst direktes Ansprechverhalten und das hohe Drehmoment aus dem Stand ideal zum dynamischen Charakter der BMW-Fahrzeuge. Zwar erzeuge der elektrische Motor während des Betriebs keine Emissionen. BMW verweist allerdings darauf, dass die Gesamtbilanz stimmen müsse. Die CO2-Emissionen der Stromvorkette hängen von dem durch den Nutzer in Anspruch genommenen Strom ab. Der Energiemix variiere erheblich zwischen einzelnen Ländern und Stromanbietern.BMW spricht sich weltweit in der energiepolitischen Diskussion für die Bereitstellung des für E-Fahrzeuge erforderlichen zusätzlichen Strombedarfs durch regenerative Quellen wie beispielsweise Wind und Solar aus. Für eine flächendeckende Lösung müsse die Politik unterstützen.
Bei Porsche ist neben bekannten Maßnahmen wie Direkeinspritzer- und Dieselmotoren, und verbrauchssenkende Techniken wie Start-Stopp, Thermomanagement oder intelligente Getriebeschaltprogramme "die weitere Elektrifizierung des Antriebs der nächste logische Schritt. Besonders die Plug-in-Hybrid-Technologie, die den elektro- und verbrennungsmotorischen Antrieb perfekt und ohne Kompromisse miteinander verbindet, hat für den Sportwagenhersteller eine große Bedeutung."Wir setzen nicht auf eine einzelne Technologie, sondern auf eine breite Portfolio-Strategie von Maßnahmen wie Aerodynamik, Gewichtsoptimierungen, Downsizing sowie einer Verbreiterung der Hybridisierung, wie beispielsweise Start-Stopp-Systeme“, erklärt Andreas Ostendorf, Vizepräsident für Nachhaltigkeit, Umwelt und Sicherheit bei Ford Europa.
"Für die Flotten-Grenzwerteerreichung muss der Schwerpunkt aber klar bei den effizienten Benzin- und Dieselfahrzeugen bleiben, also bei Fahrzeugen mit EcoBoost-Motoren, also mit Benindirekteinspritzung und Turboaufladung, sowie bei Fahrzeugen mit ECOnetic-Motoren, also mit besonders verbrauchs- und emissionsoptimierten Dieselmotoren“, so Ostendorf weiter.Um die Emissionszeile für 2020 zu erreichen, spielt bei Kia der Verbrennungsmotor auch zukünftig eine zentrale Rolle. "Die Elektrifizierung des Antriebsstrang hat mit der nahezu flächendeckenden Verwendung von Start-Stopp-Systemen und intelligenten Batterie-Managementsystemen bereits ‚schleichend' stattgefunden“, heißt es bei den Koreanern.
Mit dem Optima Hybrid befinde sich seit neuestem auch ein Fahrzeug mit deutlich höherem Elektrifizierungsgrad im Markt – welches beispielsweise auch den rein elektrischen Fahrbetrieb zulasse. "Der für die jeweiligen Segmente optimierte Hybridantrieb stellt für uns eine attraktive Antwort auf die unterschiedlichen Mobilitätsanforderungen dar“, heißt es bei Kia.Neben der technischen Weiterentwicklung der Verbrennungsmotoren werden bei Opel die Aggregate verstärkt für den Einsatz alternativer Kraftstoffe vorbereitet. So bietet Opel CNG- (Compressed natural Gas) und LPG-Motoren (Liqufied Petroleum Gas) für verschiedene Modellreihen ab Werk an.
Den Anfang in der Reihe der neu konstruierten Opel-Vierzylindertriebwerke mit Benzin-Direkteinspritzung (SIDI = Spark Ignition Direct Injection) macht der 1.6 SIDI ECOTEC Turbo, der ab Frühjahr 2013 in verschiedenen Modellen Premiere feiert. Während der Motor gegenüber dem Vorgänger mit einem Drehmomentplus von bis zu 33 Prozent aufwartet, sinken Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß um bis zu 13 Prozent, heißt es bei Opel. Der neue Vierzylinder-Turbodiesel 1.6 CDTI ECOTEC mit Aluminiumblock setzt Maßstäbe bei Laufruhe, Kraftentfaltung und Umweltverträglichkeit. Mit diesem Motor erfüllt Opel erstmals mit einem Diesel die strengen Regularien der künftigen Euro 6-Schadstoffklasse, versprechen die Rüsselsheimer.Der französische Fahrzeughersteller PSA sieht sich momentan als Marktführer für Europa beim CO2-Ausstoß mit einem Durchschnitt von 122,9 g/km (Durchschnittswert aller Pkw-Zulassungen von Peugeot und Citroen in Europa, Januar bis Dezember 2012. 2011 lag der Durchschnittswert für PSA noch bei 127,9 g/km.
Damit hat der Konzern den für 2015 vorgesehenen individuellen Zielwert von 127,6 g/km bereits unterboten. Nach dem aktuellen Entwurf der CO2-Regulierung für das Jahr 2020 (Durchschnitt aller Pkw in der EU 95 g/km) liegt das individuelle Ziel für den Durchschnitt der CO2-Emissionen aller von PSA im Jahr 2020 zugelassenen Pkw bei 93 g/km. Um die Ziele zu erreichen, verweisen die Franzosen unter anderem auf eine neue Generation von Start-Stopp-Systemen, und die HYbrid4-Technologie, wie sie im Peugeot 3008, 508, 508RXH und Citroen DS5 eingesetzt wird.