Jubiläum - Zetsche will "Daimler und Benz nicht enttäuschen"

Stuttgart. Die Daimler AG ist am Samstag Abend mit einem Festakt im festlich angestrahlten Mercedes-Museum ins Jubiläumsjahr gestartet. Schon bei der Ankunft wurden die Ehrengäste, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel und Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus, sowie die weiteren 1400 geladenen Gäste auf den 125-jährigen Geburtstag des Automobils eingestimmt: Die breite gepflasterte Auffahrt zum futuristischen Museum direkt neben der Daimler-Zentrale in Stuttgart-Untertürkheim wurde auf der einen Seite von Fahrzeugen aus der Ahnengalerie des Autoherstellers flankiert, während auf der anderen Seite die aktuellen Modellen aufgereiht waren.

"Die Erfindung von Daimler und Benz hat die Welt zum Besseren verändert – und sie wird dies auch weiter tun. Die Geschichte hat gezeigt: Wenn eine Gesellschaft automobil wird, dann wird sie auch sozial mobil und wirtschaftlich erfolgreich“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. Während Daimler, die Bundeskanzlerin und Ministerpräsident Mappus die Erfolgsgeschichte des Autos und des Unternehmens hervorhoben, war der Abend dennoch stark von den künftigen Herausforderungen geprägt. "Als Erfinder des Automobils hat Daimler den Anspruch, die Zukunft der Mobilität von der Spitze weg zu gestalten. Wir werden alles daran setzen, Daimler und Benz nicht zu enttäuschen“, versprach der Daimler-Chef.

Auf den Tag genau vor 125 Jahren, am 29. Januar 1886, hatte Carl Benz sein "Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ unter der Patentnummer 37435 beim damaligen Kaiserlichen Patentamt in Berlin eingereicht. Dieses Datum gilt als Geburtstag des Automobils. Zeitgleich arbeitete der schwäbische Erfinder Gottlieb Daimler an einer Motorenkutsche, die er im gleichen Jahr fertigstellte. Benz und Daimler haben sich nie persönlich getroffen, gelten aber als Urväter der heutigen Daimler AG. Die Fusion beider Unternehmen erfolgte in den 20er Jahren auf Betreiben der Deutschen Bank.

In der bewegten Geschichte des Pkw- und Nutzfahrzeugherstellers gab es nicht nur Erfolge, sondern auch einige strategische Weichenstellungen, die sich als falsch herausstellten und Milliarden kosteten. In den 80er Jahren wollte der damalige Vorstandsvorsitzende Edzard Reuter einen integrierten Technologiekonzern schaffen. Dazu sollte Know-how aus der Elektronik- und Luffahrtindustrie gewonnen werden, um Synergieeffekte mit anderen Unternehmensbereichen zu erreichen. Dieses Vorhaben scheiterte. Danach änderte sein Nachfolger Jürgen Schrempp, der ebenfalls im Mercedes-Museum mitfeierte, den Kurs: Er wollte die Welt AG errichten – einen international aufgestellten Autokonzern, der auch im Volumensegment tätig sein sollte. Dazu fusionierte er das Unternehmen mit dem US-Hersteller Chrysler. Auch diese Neuausrichtung gelang nicht.

Im Jahr 2007 trennte sich Zetsche, der Anfang 2006 das Ruder bei Daimler übernommen hatte, von Chrysler. Heute konzentriert sich Daimler im Pkw-Geschäft wieder auf das Premium- und Luxussegment. Hinzu kommen die Nutzfahrzeug-Aktivitäten mit Lkw, Transportern und Bussen. Intern wird derzeit die Abspaltung des Lkw- und Busgeschäfts diskutiert. Innerhalb von zwei Jahren will man zu einer Entscheidung kommen.

Zu Beginn des Abends fuhr Zetsche mit der Ur-Enkelin von Carl Benz, Jutta Benz, mit dem neuen Roadster SLK auf die Bühne. Jutta Benz erinnerte an die erste Langstrecken-Fahrt, die Bertha Benz ohne Wissen ihres Mannes Carl Benz von Mannheim nach Pforzheim unternommen hatte: "Erst danach war klar, dass das Auto seinen Siegeszug antreten würde.“ Zetsche begrüßte anschließend die Gäste, zu denen auch Bosch-Chef Franz Fehrenbach gehörte, im Namen von Mercedes-Benz und fügte dann hinzu: "Herzlich willkommen bei Daimler.“ Ministerpräsident Mappus konnte nicht umhin, den US-Präsidenten Barack Obama zu korrigieren: "Ein Amerikaner war es definitiv nicht, der das Auto erfunden hat.“ Er erinnerte daran, dass das Auto in Baden-Württemberg für beträchtlichen Wohlstand sorge und zeigte sich zuversichtlich, dass hierzulande alle Voraussetzungen gegeben seien, diesen auch künftig zu sichern.

Auch Bundeskanzlerin Merkel würdigte die Geburtsstunde des Automobils als "eine Sternstunde“, richtete aber auch den Blick in die Zukunft: "Das Auto ist in einer echten Umbruchphase.“ Es stelle sich die Frage, ob Deutschland auch in den nächsten 125 Jahren noch die führende Nation sein könne. "Diese Frage wird in den nächsten zehn Jahren entschieden.“ Die Bundeskanzlerin zeigte sich optimistisch, verband dies aber mit dem eindringlichen Appell an alle Bevölkerungsgruppen – ob jung oder alt – die Innovationsfähigkeit zu erhalten: "Die Welt wartet nicht auf deutsche Erfindungen.“ Zum heutigen Entwicklungsstand bemerkte sie scherzhaft: "Automatisches Einparken kann für einige der menschlichen Spezies eine echte Hilfestellung sein – nicht nur für Frauen vermute ich.“

Pünktlich zum Geburtstag überreichte Cornelia Rudloff-Schäffer, Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts, an Zetsche die Patenturkunde für die so genannte Bipolare Rahmenflachzelle. Diese Technologie ist bei Daimler noch in der Forschungsphase, soll aber das Potenzial bieten, einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur massenhaften Einführung der Lithium-Ionen-Batterie zu beschreiten. "Daimler ist Stammkunde bei uns“, so Cornelia Rudloff-Schäffer. Mit Blick auf die Patentanmeldungen in der Datenbank des Patentamts sagte sie: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass die deutsche Autoindustrie die Zukunft des Autos entscheidend mitbestimmen wird.“

Eine Technologie, der Daimler viel Potenzial bemisst, ist die Brennstoffzelle. Um deren Alltagstauglichkeit zu beweisen, gaben die Stuttgarter den symbolischen Startschuss für eine Weltumrundung von Elektrofahrzeugen mit Brennstoffzelle. Dazu fuhren die Formel-1-Piloten Michael Schumacher und Nico Rosberg sowie DTM-Fahrer David Coulthard drei senfgelb lackierte B-Klassen auf die Bühne. Bundeskanzlerin Merkel überreichte die Schlüssel an drei Ingenieurinnen aus der Brennstoffzellenentwicklung, die nach dem Formel-1 üblichen Countdown die Autos von der Bühne fuhren.

In seiner anschließenden Rede erinnerte Zetsche daran, dass der bisherige Abend vor allem der linken Hirnhälfte gewidmet worden war, die für rationale Prozesse verantwortlich ist. Die rechte – die automobile Emotion – sei ein bisschen zu kurz gekommen. "Wir sind bei Daimler fest davon überzeugt: Das Auto der Zukunft muss auch faszinieren. Sonst hat es keine Zukunft“, so der Daimler-Chef. Einen Teil der Faszination entsteht Zetsche zufolge durch die emanzipatorische Kraft des Autos: "Erfahrungsgemäß begünstigt die Verbreitung des Automobils auch die politische Entwicklung des Menschen vom passiven Untertanen zum aktiven Bürger.“ Angesichts der weltweiten Herausforderungen ist für ihn klar, dass das Auto der Zukunft emissionsfrei sein muss. "Wir müssen das Automobil nicht deshalb neu erfinden, weil es in seiner bisherigen Form an Faszination verloren hätte. Sondern genau umgekehrt: Wir müssen es erfinden, weil es mehr Menschen denn je fasziniert.“

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