Die Diesel-Skepsis in Japan wächst

Tokyo. Der kürzlich von BMW zu VW gewechselte neue VW-Markenchef Herbert Diess hat für ungewöhnliche Aufmerksamkeit in den japanischen Medien gesorgt. Diess entschuldigte sich in aller Form für den Betrug bei der Motorsteuerung bestimmter Dieselmotoren.

„Im Namen unseres gesamten Unternehmens möchte ich mich entschuldigen“, sagte Diess bei der Präsentation der VW-Neuheiten auf der Tokyo Motor Show. Das Vertrauen der Kunden sei das größte Gut für den Autobauer und VW werde alles tun, um dies zurückzugewinnen. „Nach dieser Krise werden wir auf dem Weg zu einem neuen und sogar noch besseren Unternehmen Volkswagen unterwegs sein,“ zeigte sich Diess überzeugt.

VWs Japan-Chef Sven Stein verbeugte sich sogar mehrere Sekunden lang besonders tief vor dem japanischen Publikum und zeigte damit eine selbst für japanische Verhältnisse deutliche Demutshaltung.

Der Absatz von VW in Japan sei seit der Betrugsaffäre um gut ein Drittel eingebrochen, räumte Stein dann vor Journalisten ein. Das liege aber wohl auch an einem eher veralteten Produktangebot auf dem japanischen Markt, fügte er hinzu. VW werde ein für das Frühjahr geplante neues Dieselmodell nun erst in der zweiten Jahreshälfte auf den Markt bringen, kündigte Stein an.

Die Demut bei VW kann indes wohl nicht verhindern, dass die Dieseltechnik für die japanischen Autobauer und ihre Kunden kein Antriebskonzept der Zukunft mehr ist. Bei der ersten internationalen Automesse seit dem Bekanntwerden des Diesel-Betrugs durch Volkswagen machten die Japaner aus ihrer Skepsis bezüglich des Pkw-Diesels keinen Hehl mehr.

Insgesamt spielen Dieselmotoren auf dem japanischen Pkw-Markt fast keine Rolle. Ihr Anteil an den Antriebssystemen liegt jahrelang bei nicht einmal 0,5 Prozent. Zuletzt aber war bei den deutschen Autobauern die Hoffnung gestiegen, das der Diesel in Japan populärer wird. Vor allem dank der modernen Madza-Aggregate war ihr Anteil 2014 auf rund drei Prozent gestiegen. Im vergangenen Jahr wurden in Japan 79.000 Diesel-Pkw verkauft.

„Wir glauben, dass der Trend zu Zero Emission geht,“ sagte etwa Nissan-Vorstand Trevor Mann, der als „Chief Performance Officer“ zuständig für alle regionalen Aktivitäten ist. Nissan habe schon vor der Diesel-Affäre bei Volkswagen einen schleichenden, weltweiten Rückgang bei der Popularität des Diesel-PKW festgestellt, „vor allem bei kleineren Fahrzeugmodellen“, so Mann zur Automobilwoche.

„Die Alternative für den Diesel ist doch schon da, es ist der Elektroantrieb“, meint Mann. „Die Infrastruktur für EVs ist auch vorhanden, es besteht also kein Grund mehr, mit einem Paradigmenwechsel der Antriebskonzepte zu warten.“

Renault-Nissan-Präsident Carlos Ghosn ist ebenfalls skeptisch, was die Zukunft des Diesels betrifft. „Dieser Skandal wird den Diesel in den USA und in Japan jedenfalls nicht populärer machen“, sagte er in Tokyo. Von ihren „Clean Diesel“-Träumen in Nordamerika müssten sich gerade die deutschen Hersteller wohl verabschieden, deutete Ghosn an: „Im besten Falle wird der Marktanteils des Diesels stabil bleiben.“

Die Zukunft des Diesels hänge nun wesentlich von dem künftigen weltweiten Fahrzyklus WLTP ab. Und selbst wenn die Affäre bald bewältigt werde, sei die Zukunft des Diesels wegen seiner Stickoxid-Belastung ungewiss, fügte Ghosn hinzu. „Die Probleme des Diesels begannen ja schließlich nicht mit dem Rückschlag, den einer unserer Wettbewerber erlitten hat, sondern sie bestehen schon länger,“ sagte er mit Blick auf die Stickoxid-Emissionen von Dieselmotoren.

Bei Toyota geht man noch einen Schritt weiter und erklärt den Diesel schon jetzt zum Auslaufmodell. Ab dem Jahr 2050 will der größte Autobauer der Welt sogar vollständig auf Pkws mit Verbrennungsmotor verzichten. Dadurch solle die durchschnittliche CO₂-Emissionen von Toyota Neuwagen um 90 Prozent sinken verglichen mit den Werten von 2010, sagte der für Antriebskonzepte zuständige Kiyotaka Ise. „Sie glauben womöglich, dass 35 Jahre eine lange Zeit sind. Aber für einen Autobauer ist es schon ziemlich außergewöhnlich sich vorzustellen, dass alle Verbrennungsmotoren verschwinden werden."

Eine wichtige Rolle dabei sollen Brennstoffzellen-Fahrzeuge wie der neue Mirai spielen. Schon ab 2020 wolle Toyota den weltweiten Absatz von solchen Fahrzeugen auf gut 30.000 Einheiten jährlich verzehnfachen, sagte Ise. Die Zahl der weltweit verkauften Hybridfahrzeuge soll sich bis dahin von derzeit acht auf 15 Millionen Einheiten nahezu verdoppeln.

Auch beim größten Anbieter von Diesel-Pkw in Japan, dem vergleichsweise kleinen Hersteller Mazda, wächst die Skepsis in Bezug auf den Diesel. Offiziell hält Mazda zwar noch dem Diesel die Treue – kein Wunder, denn rund 45 Prozent aller verkauften Diesel-Pkw in Japan stammen von Mazda. Mazda-Vorstandschef Masamichi Kogai hatte noch im Februar erklärt, die Ablehnung des Diesels durch den japanischen Verbraucher gehe zurück.

Doch hinter vorgehaltener Hand berichten Mazda-Veranwortliche jetzt, dass diese Hoffnung enttäuscht werden: „Wir überlegen derzeit, ob wir wie geplant für den Mazda 6 eine Dieselversion in den USA auf den Markt bringen wollen“, sagte ein ranghoher Manager der Automobilwoche. Es sei auch vorstellbar, den geplanten neuen Wankelmotor in einem Hybrid-Antriebsstrang einzusetzen und dadurch einige Diesel-Antriebsaggregate bei Mazda zu ersetzen.