Berlin. Die Daimler AG sieht in den nächsten Monaten keine gravierende Besserung der Pkw- und Nutzfahrzeugnachfrage und will darauf mit einem verschärften Sparkurs reagieren. Frühestens in der zweiten Jahreshälfte werden die Automobilmärkte die Talsohle durchschreiten, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche zu rund 7000 Aktionären des Stuttgarter Autokonzerns auf der Hauptversammlung in Berlin. Bei der Beschreibung der aktuellen Situation scheute sich der Manager nicht, dramatische Worte zu gebrauchen. Wie schon zu Jahresbeginn sprach Zetsche von einer "Jahrhundertkrise",die niemanden in der Autobranche - vom Hersteller bis zu den Zulieferern und den Händlern - veschonen werde. "Wir werden nicht zulassen, dass ein Unternehmen gefährdet wird, dessen Marken und Produkte weltweit als Aushängeschild der deutschen Industrie gelten," so Zetsche. Der Anspruch von Daimler sei es, zu den Besten im Wettbewerb zu zählen. Sowohl bei der Fähigkeit, sich wirksam gegen diese Krise zu wappnen,als auch schon jetzt die Weichen für die Zeit danach zu stellen. Nun will Daimler pro-aktiv das Unternehmen durch die Turbulenzen steuern. "Wer auf krisenhafte Entwicklungen stets nur reagiert, wird schon nach kurzer Zeit in der Rolle des Getriebenen sein, der nicht mehr weiss, welcher Brand zuerst gelöscht werden soll," so Zetsche. Gleichzeitig räumte er im vergangenen Jahr Versäumnisse ein. Die Aktie legte am Mittwoch um 9,3 Prozent auf 24,39 Euro zu. Angetrieben wurde das Papier von einer positiven Studie der Investmentbank Goldman Sachs. Im vergangenen Jahr fiel der Aktienkurs um etwa 60 Prozent und notiert laut Daimler auf einem historisch niedrigen Niveau.
Für das laufende Geschäftsjahr prognostiziert Zetsche einen deutlichen Rückgang des Geschäftsvolumens. Der Umsatz wird in allen automobilen Geschäftsfeldern deutlich unter dem Vorjahresniveau liegen. Im ersten Quartal wird Daimler einen deutlichen Verlust ausweisen. Im Gesamtjahr rechnet der Konzern mit weiteren erheblichen Belastungen. Im Jahresverlauf soll sich die Ergebnissituation schrittweise verbessern. Dazu werde die neue E-Klasse, die gerade eingeführt wird und für die 50.000 Bestellungen vorliegen , ebenso helfen, wie das eingeleitete Krisenmanagement. In den ersten drei Monaten verzeichnete die Pkw-Sparte mit den Marken Mercedes-Benz, Maybach und Smart einen Absatzeinbruch von 23,2 Prozent auf 244.800 Fahrzeuge. Während die Marke Mercedes mehr als 25 Prozent auf 216.000 Einheiten verlor, zeigte sich die Kleinstwagenmarke Smart mit einem Rückgang von 0,5 Prozent auf 28.800 Fahrzeuge stabil. Im Monat März schwächte sich der Nachfragerückgang ab: Die Verkäufe von Mercedes-Benz Cars sanken nur noch um 16 Prozent. Wegen der Absatzkrise hat der Konzern in allen Sparten Kurzarbeit angeordnet. Derzeit sind davon 68.000 Mitarbeiter bei Pkw, Transportern und Lkw betroffen.
Mehrere Fondsmanager und Kleinaktionärsvertreter zeigten sich angesichts der aktuellen Entwicklung besorgt und drängten auf weitere Einsparungen. Gleichzeitig kritisierten mehrere Redner die im Wettbewerbsvergleich "schlechten Verbrauchs- und Co2-Werte" von Mercedes. Fondsmanager Ingo Speich von der Union Investment sieht Zetsche in seiner Doppelrolle als Vorstandsvorsitzender und Mercedes-Chef überfordert. "Schaffen Sie Klarheit in Ihren Führungsstrukturen und beenden Sie diese Personalunion." Außerdem verlangte er den Verkauf der EADS-Beteiligung. Eine weiteres Diskussionsthema war der Aktienrückkauf, der Daimler im vergangenen Jahr 1,4 Milliarden Euro gekostet hat, während gleichzeitig der neue Großaktionär aus Abu Dhabi zu günstigen Konditionen mit knapp zwei Milliarden Euro eingestiegen ist. Aufsichtsratschef Manfred Bischoff verteidigte die Bezüge des Vorstands. Durch die variablen Bestandteile seien die Bezüge stark am Unternehmenserfolg orientiert, sagte Bischoff. Auch in Zeiten der Krise müssten die Spitzenmanager angemessen bezahlt werden. "Exzellente Führungskräfte sind ein knappes Gut und werden auch von anderen umworben." Insgesamt bekam der sechsköpfige Vorstand des Stuttgarter Premiumherstellers im vergangenen Jahr mit 16,6 Millionen Euro nur noch etwa halb so viel wie im Jahr zuvor (30,2 Millionen Euro). Trotz der Kritik wurden die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder von über 99 Prozent der an der Abstimmung teilnehmenden Aktionäre entlastet. Die Präsenz bei der Hauptversammlung lag bei 41,6 Prozent. Mit 93,2 Prozent billigte die Aktionärsversammlung den Vorratsbeschluss für eine Kapitalerhöhung um eine Milliarde Euro, der mit Zustimmung des Aufsichtsrats bis zum 7.April 2014 genutzt werden kann. Außerdem würden auf der Kapitalseite mit Philips-Chef Gerard Kleisterlee und dem früheren General-Electric-Manager Lloyd G. Trotter zwei neue Aufsichtsratsmitglieder gewählt. Sie folgen dem ehemaligen Nortel-Networks-Präsidenten William A. Owens und dem früheren Bertelsmann-Chef Mark Wössner, die aus Altersgründen ihre Sessel räumen. (siehe Infokasten).