Daimler eröffnet neues Lkw-Werk in Mexiko

Saltillo. Der Stuttgarter Autohersteller Daimler hat im Beisein des mexikanischen Präsidenten Felipe Calderon ein neues Lkw-Werk mit einer Jahres-Kapazität von 30.000 Lkw der US-Marke Freightliner eröffnet. „Damit verbessert Daimler Trucks seine Wettbewerbsposition auf dem amerikanischen Kontinent nachhaltig,“ sagte Lkw-Vorstand Andreas Renschler bei der Eröffnungsfeier am Freitag. In der neuen Produktionsstätte wird die schwere Cascadia-Baureihe der Klasse 8 hauptsächlich für den Export in die USA vom Band laufen. Auch der kanadische und mexikanische Markt kann von hier aus bedient werden. Die Investition von 300 Millionen Dollar schafft in Mexiko 1400 direkte und 200 indirekte Arbeitsplätze.

Die neuen zusätzlichen Kapazitäten in Mexiko stehen zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt zur Verfügung: Während die Produktionsstätte in Saltillo bereits vor mehr als drei Jahren beschlossen wurde, brach die Nachfrage im US-Markt seit dem Peak im Jahr 2006 so stark ein, dass sich die Produktion in den Jahren 2007 und 2008 halbierte. Verschärft wird die Situation, weil der Markt mittelfristig kaum auf eine Erholung hoffen lässt. Dies machte eine weitreichende Restrukturierung des inzwischen defizitären nordamerikanischen Geschäfts notwendig, zu der die Aufgabe der US-Marke Sterling sowie die Schließung eines Werks im kanadischen St. Thomas und des Traditionsstandorts in Portland im US-Bundesstaat Oregon gehört. In Folge werden 2300 Arbeiter ihre Jobs verlieren, in der Verwaltung werden 1200 Stellen gestrichen.

Mit diesen Maßnahmen, deren Kosten insgesamt auf 600 Millionen Dollar veranschlagt werden, will Renschler ab 2001 jährlich den Sparten-Gewinn um 900 Millionen Dollar verbessern. Daimler Trucks hat im vergangenen Jahr aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise und des damit verbundenen Einbruchs der Lkw-Nachfrage vor allem in den USA und Japan einen Gewinnrückgang um 24 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro erlitten.

„Wir wissen, dass wir in den nächsten drei bis vier Jahren die Marktvolumina aus den Jahren 2005 und 2006 nicht wieder erreichen werden – möglicherweise nicht einmal bis Mitte der nächsten Dekade,“ prognostiziert Chris Patterson, President und CEO des nordamerikanischen Truck-Geschäfts von Daimler. Dieses umfasst mittlere und schwere Lkw der Marken Freightliner, Western Star und noch Sterling. Patterson räumte ein, dass man zuvor zu optimistisch hinsichtlich der Marktentwicklung gewesen sei. Angesichts dieser Marktbedingungen dürfte es noch viele Monate dauern, bis das neue Werk in Saltillo tatsächlich in den Zweischicht-Betrieb geht und die Kapazität voll ausnutzt. Inzwischen wird in der Freightliner-Fabrik in Cleveland, wo ebenfalls ausschließlich der Sattelschlepper Cascadia vom Band läuft, eine Schicht herausgenommen.

Derzeit verfügt das nordamerikanische Truckgeschäft von Daimler über 40 Prozent der Kapazität in Mexiko und 60 Prozent in den USA. In beiden Ländern wird es nach der Restrukturierung je zwei Werke geben: In Cleveland werden wie in Saltillo nur Cascadia-Sattelschlepper in hoher Stückzahl gefertigt. Im US-Werk Mount Holly laufen mittelschwere Fahrzeuge vom Band. In der seit Jahren etablierten Fabrik in Santiago hingegen werden verschiedendste Freightliner- und Western-Star-Modelle in einer äußerst flexiblem Produktion montiert.

Die Einsparungen, die sich durch den neuen Standort Saltillo erzielen lassen, basieren nicht nur auf niedrigere Arbeitskosten,die in Mexiko zwischen fünf und zehn Dollar liegen. In Deutschland betragen sie 50 Euro. Der weit größere Anteil soll durch eine insgesamt schlankere Produktion mit geringeren Materialeinsatz und vor allem durch einen niedrigeren Logistikaufwand erzielt werden. Für Truck-Chef Renschler ist das neue Werk für die ganze Branche ein Beispiel für eine moderne und effiziente Lkw-Produktion, auch innerhalb des Konzerns soll es neue Maßstäbe setzen: „Das Ergebnis unsere Planungen ist die höchstmögliche Qualität des Lkw, bei geringsten Kosten und der maximalen Produktivität.“ Weil die neue Fabrik in der Wüste Mexikos von Grund auf geplant wurde, konnte das Produktionssystem von Daimler quasi ohne wesentliche Einschränkungen realisiert werden.

Es zeichnet sich durch einen geringen Automatisierungsgrad und einfache Lösungen für die Montage aus. Vor allem bei der reinen Montagezeit und der Durchlaufzeit – also der Zeit vom Auftrag bis zur Auslieferung – soll es neue Maßstäbe im Konzern setzen. Insgesamt strebt Daimler einen Produktivitätsfortschritt von 20 bis 30 Prozent an. Der Standort Saltillo umfasst insgesamt 100.000 qm überbauter Fläche. Dort befinden sich neben dem Produktionswerk, ein Verwaltungsgebäude und ein Ausbildungs- und Schulungszentrum. Das Training für die Mitarbeiter wurde vom mexikanischen Staat bezahlt. Über die Höhe der Subventionen wollte Daimler keine Angaben machen.

Im vergangenen Jahr verkaufte Daimler insgesamt 472.100 Lkw. Während in Europa und Lateinamerika der Absatz um sechs Prozent stieg, gingen die Volumina in den USA um zwölf Prozent zurück. Im laufenden Jahr rechnet Renschler mit einer sich weiter abschwächenden Nachfrage in den Kernmärkten der Triade. Über die branchenüblichen Zyklen hinweg will Daimler eine Umsatzrendite von acht Prozent erreichen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr sank die Marge von 7,5 auf 5,6 Prozent.