Billig, aber mit Batterie - das können bislang nicht mal die Chinesen so richtig. Zumindest nicht bei uns. Doch Dacia-Chef Denis Le Vot muss das irgendwie hinbekommen, wenn er weiter so erfolgreich bleiben will wie bisher. Schließlich hängt auch über der aktuell wachstumsstärksten Volumenmarke in Europa das Damoklesschwert des Verbrennerverbots, das die Renault-Tochter zumindest in Europa ab dem Jahr 2035 auf die Electric Avenue zwingt. Und wenn ihm darauf keine passende Antwort einfällt, kann Le Vot die eine Million Autos pro Jahr vergessen, die er mittelfristig als Ziel für Dacia vor Augen hat. Dabei ist er mit knapp sieben Prozent Plus und beinahe 600.000 Autos allein im letzten Jahr doch auf einem guten Weg. Zumal Dacia im ersten Quartal 2023 sogar noch einmal 33 Prozent zugelegt hat.
Ja doch, sagt der Markenchef und wirkt dabei fast ein wenig genervt. Natürlich sieht auch er die Zeichen der Zeit. Doch während sich andere Hersteller gerade unterbieten mit ihren Ausstiegszenarien, will er dem Benziner, dem Diesel und den LPG-Umrüstungen so lange wie möglich die Treue halten und den Umstieg deshalb weiter hinauszögern. Wenn zum Jahresende der nächste Duster kommt, dann mag der deshalb vielleicht zwar den Hybrid-Antrieb aus dem Jogger übernehmen. Aber ein rein elektrisches SUV wird es noch nicht geben, stellt Le Vot klar.
So plant Dacia seine elektrische Zukunft
Alle reden über E-Mobilität - nur Dacia hält sich zurück. Für die Billigmarke stellt der Umstieg eine besondere Herausforderung dar.
Überhaupt fremdelt der Franzose in Rumänien noch arg mit allem, was elektrisch bislang so auf dem Markt ist. „Aktuell strebt die gesamte Branche nach einem Standard, der auch in der Kompaktklasse Reichweiten von 500 Kilometern und Ladezeiten von weniger als 30 Minuten ermöglicht und kommt damit auf Preise von 40.000 Euro und mehr“, sagt Le Vot. „Das können wir bei Dacia nicht bringen,“ stellt er klar und spricht von einer gesellschaftlichen Verantwortung: Solche Preise wollen und oft genug auch können seine Kunden schlicht nicht zahlen.
Deshalb werden wir uns wohl mit weniger Ladeleistung begnügen und mit weniger Reichweite, sagt Le Vot und es ist nur halb im Scherz gemeint, dass selbst der Spring mit seinen 26,8 kWh für 230 Kilometer Reichweite noch zu weit kommt. Schließlich liege die elektrische Tagesfahrleistung bei durchschnittlich nur 20 Kilometern, zitiert er aus den Kundendaten. „Und wir wollen ganz sicher nicht das beste Elektroauto, sondern eher das billigste“, gibt er als Ziel vor.
Wo der ideale Kompromiss zwischen Kosten und Reichweite ist, ob es wirklich die teuren Lithium-Ionen-Zellen sein müssen, ob nicht vielleicht Lithium-Eisen-Phosphat reicht oder gar schon Natrium-Ionen-Batterien verfügbar wären – außer, dass er sich natürlich im gut gefüllten Renault-Regal bedienen werde, hat Le Vot auf diese Fragen noch keine Antworten. Muss er aber auch nicht, sagt er mit einem siegessicheren Lächeln. Denn erst mit dem nächsten Sandero will er den nächsten Schritt zum E-Anbieter machen. „Und weil der erst 2027/28 kommt, müssen wir das alles erst in zwei Jahren entscheiden.“
Angst, dass ihm die Chinesen dabei das Leben schwermachen, hat der Dacia-Chef nur eingeschränkt. Ja, natürlich wird es einen gewissen Preisdruck geben und ein paar Angriffe vermeintlicher Billigmarken. „Aber bislang haben sich die Newcomer aus dem Fernen Osten Segmente und damit Preisregionen ausgesucht, in denen sie uns sehr viel weniger wehtun als anderen Marken“, tut er den asiatischen Angriff ab.
Zwar lässt sich Le Vot noch viele Wege offen. Doch hat auch er zumindest für Europa einen vagen Elektrifizierungsplan, der bereits über den Sandero hinausreicht: Wenn schon nicht den nächsten, dann doch zumindest den übernächsten Duster wird es auch als E-Auto geben, stellt der Dacia-Chef in Aussicht und schließt alle davon noch abzuleitenden Modelle wie den dann irgendwann fälligen Nachfolger des Bigster mit ein. „Schließlich reden wir damit über den Anfang der 2030er Jahre.“ Und wenn sich das Verbrennerverbot nicht noch einmal verschiebt, werde es dann langsam auch für Dacia Ernst mit der Elektromobilität in Europa.
„Spätestens dann werden wir deshalb in jeder unserer Baureihen auch eine elektrische Alternative anbieten“, sagt Le Vot. Doch anders als das Mutterhaus setzt er dabei nicht auf solitäre Strom-Skateboards, sondern auf Multi-Energy-Plattformen, die alle Antriebsarten zulassen. Denn Le Vot braucht maximale Flexibilität. Schließlich macht er keinen Hehl daraus, dass sie bei Dacia am liebsten die letzten wären, die noch einen Verbrenner verkaufen. Und nachdem die Rumänen für das Mutterhaus viele Autos bauen, die dann in fernen Regionen wie Südamerika, Afrika oder Arabien mit Rhombus verkauft werden, könnte das zumindest innerhalb des Konzerns genau so kommen.

Mit einem Einstiegspreis von 22.750 Euro gehört der Dacia Spring zu den billigsten Elektroautos.
Doch will sich Le Vot bei aller Skepsis gegenüber den Stromern nicht vorwerfen lassen, dass Dacia sich gegen die Mobilitätswende sperre und sich den neuen Trends verschließe. Nicht nur, dass sie am Stammsitz Pilesti neuerdings zumindest kleine Batterien für den Jogger Hybrid verbauen. Sie haben ja schließlich auch den Spring im Programm, der mit einem Listenpreis von 22.750 Euro zu den billigsten E-Autos überhaupt zählt – und mit einem Verkaufsanteil von zwölf Prozent innerhalb der Dacia-Palette auf dem gleichen Level liegt wie die Elektromobilität in Europa: „Wir sind also nicht hintendran, sondern sogar mitten drin.“
Aus dem Datencenter:
Entwicklung der Dacia-Absatzzahlen in Deutschland 2005 bis 2022