Stuttgart. Chrysler hat den Daimler-Konzern wegen Vertragsbruchs auf Schadenersatz verklagt. "Wir weisen die Vorwürfe als unbegründet zurück," sagte ein Unternehmenssprecher des Stuttgarter Autoherstellers auf Nachfrage der Automobilwoche. Der einstige Fusionspartner wirft Daimler vor, vereinbarte Lieferungen - zum Beispiel Lenksäulen und Getriebeteile - nicht eingehalten zu haben und damit die Produktion verschiedener Fahrzeuge wie der Limousine Chrysler 300C und dem Jeep Grand Cherokee zu gefährden. Die Klage wurde bereits vergangenen Freitag bei einem Konkursgericht in New York eingereicht. Daimler versuche von Chrysler einen höheren Preis für Dieselmotoren zu bekommen, während das Unternehmen noch vor einigen Monaten auf einen bestimmten Betrag verzichtet habe, heißt es bei dem US-Hersteller aus Detroit. Dabei werde die Lieferung der Komponenten als Druckmittel benutzt.
Der US-Hersteller hat sich vor wenigen Monaten für zahlungsunfähig erklärt und ist unter den Gläubigerschutz nach Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts geschlüpft. Dabei wurden viele Altlasten wie Bankschulden, Pensionsverpflichtungen und Lieferantenverbindlichkeiten abgeladen. Im Juni hat das Unternehmen das Involvenzverfahren verlassen und firmiert nun als New Chrysler. Gleichzeitig ist der italienische Autohersteller Fiat mit zunächst 20 Prozent eingestiegen. ZIel ist die Beteiligung schrittweise auf bis zu 35 Prozent aufzustocken. Fiat-Chef Sergio Marchionne führt nun auch das US-Unternehmen.
Die Taktik, Unternehmen zu verklagen, um bessere Konditionen herauszuschinden oder Verträge nicht erfüllen zu müssen, hat Chrysler schon vor dem Insolvenzverfahren mehrfach gegenüber Zulieferern angewandt. Prominentes Beispiel ist der Bau einer Fabrik für jährlich 700.000 Doppelkupplungsgetriebe unter der Führung des deutschen Getriebeherstellers Getrag. Als Chrysler seinen Anteil an der Finanzierung leisten sollte, wurden das Projekt kurzerhand abgesagt und die beteiligten Unternehmen - dazu gehört auch der Roboter- und Anlagenbauer Kuka - auf Vertragsbruch verklagt. Der entstandene Schaden liegt bei rund 500 Millionen Dollar. Gegen Chrysler läuft eine Schadenersatzklage.
Im nun vorliegenden Fall bezweifelt Daimler einerseits, dass das Gericht überhaupt zuständig ist. Andererseits erklären sich die Stuttgarter bereit, "die offenen Fragen im Zusammenhang mit den Teilelieferungen einvernehmlich zu klären". Aus diesem Grund habe man auch einer Belieferung der früheren Tochter bis zur Klärung zugestimmt und diese nach Ende der Werksferien in dieser Woche wieder aufgenommen. "In Übereinstimmung mit bestehenden Vereinbarungen hat Daimler über Monate mit Chrysler neue Lieferverträge verhandelt und sogar gerichtliche Fristen zugunsten von Chrysler verlängert", so der Sprecher.
Daimler hatte 2007 nach neun gemeinsamen Jahren 80,1 Prozent der Chrysler-Anteile an den Finanzinvestor Cerberus abgegeben. Im vergangenen Frühjahr trennte sich der Konzern auch vom Rest. Erst vor kurzem haben einstige Chrysler-Gläubiger den Stuttgarter Autohersteller auf Schadenersatz verklagt. Sie sind der Ansicht, dass sie beim Verkauf der Mehrheit vor zwei Jahren um Milliarden an Vermögenswerten gebracht wurden.