Bosch prüft Alternativen für Standort Vénissieux

Stuttgart. Die Suche nach einem wirtschaftlich tragfähigen Konzept für den Bosch-Standort Vénissieux im Großraum Lyon geht weiter. Es gebe zwar kein greifbares Ergebnis, immerhin solle der Blickwinkel für mögliche Alternativen aber erweitert und andere Sparten einbezogen werden, sagte der Bosch-Konzernbetriebsratsvorsitzende Alfred Löckle im Anschluss an ein Treffen mit Bosch-Geschäftsführungsmitglied Rudolf Colm und dem für die Fertigung verantwortlichen Bereichsvorstand im Geschäftsbereich Diesel-Systeme, Werner Müller. Zuvor waren rund ein Dutzend Mitarbeiter des französischen Werks, die mit einer 700 Kilometer langen Fahrrad-Tour von Vénissieux zur Bosch-Zentrale gegen die drohende Schließung protestieren wollen, von den Managern empfangen worden.

Am Standort Vénissieux wird die Dieselpumpe mit interner Bezeichnung CP1-H vor allem für den französischen Hersteller PSA gefertigt. Im Zuge der anstehenden Euro-5 und Euro-6-Emissionsnorm gehen die Volumina für diese Pumpe stark zurück. Ohne Nachfolgeprodukt droht dem Standort mit 600 Mitarbeitern im Jahr 2012 die Schließung. Außerdem führt Bosch die Nachwirkungen des Konjunktureinbruchs mit den damit verbundenen Überkapazitäten als Grund für diese Maßnahme an. Hintergrund: Der Stuttgarter Zulieferer konzentriert das Nachfolgeprodukt CP4 an nur noch zwei Standorten: Dem Stammwerk Feuerbach und im tschechischen Jihlava. Neben Vénissieux ist davon über kurz oder lang auch der Standort Bari betroffen, wo derzeit auch die CP1-H vom Band läuft. Weil dort Pumpen für Fiat und ostdeutsche Hersteller gefertigt werden, hat das Werk laut Löckle aber noch eine längere Perspektive.

Laut Bosch ist es Ziel, "ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept zu finden, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten, und eine industrielle Tätigkeit am Standort Vénissieux weiter führen zu können". Vor diesem Hintergrund sei eine tiefgreifende Neuausrichtung notwendig. Aus eigener Kraft sieht sich der Geschäftsbereich Diesel-Systems außer Stande seine Aktivitäten dort wirtschaftlich fortzuführen. Laut Löckle hat Colm in den Gesprächen deutlich gemacht, dass jetzt über den Dieselbereich hinaus alle Optionen geprüft werden sollen und die Entscheidung nicht wie zuvor angestrebt bis Jahresende fallen müsse. Dabei setzt der Betriebsratschef seine Hoffnung in erster Linie auf die Einbeziehung der Industriesparte Bosch-Rexroth, die in unmittelbarer Nachbarschaft ein eigenes Werk unterhält. Neben dieser Option halten die französischen Betriebsräte auch die Ansiedlung einer Teilefertigung für Hybridsysteme und Elektromotoren für eine gangbare Alternative.

"Vénissieux ist das einzige Werk im Dieselbereich, der während der Krise nicht an Produktivität eingebüßt, sondern sogar dazu gewonnen hat," betont Löckle mit Blick auf eine engagierte Belegschaft. Außerdem verfüge der Standort über eine gute Infrastruktur und befinde sich in einem wissenschaftlichem und industriellen Ballungszentrum. Insgesamt konstatiert der Konzernbetriebsratschef bei Bosch eine neue Dimension bei der Neuausrichtung von Standorten und Kapazitäten: "Es geht nun nicht mehr um die Bereinigung von strukturschwachen Bereichen in kleineren Werken." Vielmehr versuche das Unternehmen jetzt mit Vénissieux Überkapazitäten abzubauen. Den Anfang habe das Werk im walisischen Cardiff mit noch 900 Mitarbeitern gemacht, das im zweiten Halbjahr 2011 geschlossen werde. In Spitzenzeiten hatten dort über 2000 Leute vor allem Lichtmaschinen gebaut. "Das können und wollen wir nicht hinnehmen. Wir wollen eine Wende erreichen," so Löckle.

Im vergangenen Jahr hat der Stuttgarter Stiftungskonzern dem Betriebsrat zufolge weltweit netto 14.000 Beschäftigte abgebaut. Seit 2008 hat sich das Gremium mit der Schließung oder dem Verkauf von 18 Standorten in Europa auseinander gesetzt. Laut Bosch-Chef Franz Fehrenbach genießt der Erhalt der Kernmannschaft oberste Priorität.