Stuttgart. Die Realität hat den Lackieranlagenhersteller Dürr auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeholt. Lange Zeit sträubte sich der Vorstandsvorsitzende Ralf Dieter, die Krise in der Autoindustrie zur Kenntnis zu nehmen. Er setzte auf strategische Projekte der Hersteller, auf den Kapazitätsaufbau in Emerging Markets, auf den Trend zum Kleinwagen oder zumindest auf Modernisierungsinvestitionen. "In den nächsten vier Jahren werden weltweit 82 paint shops neu gebaut. Wenn es am Ende nur 60 sind, steht Dürr immer noch gut da,“ sagte er noch im Oktober, als die Automobilmärkte schon längst dramatisch eingebrochen waren. Tatsächlich hat der absolute Zwang zum Erhalt der Liquidität bei den Autoherstellern dazu geführt, dass seit langem geplante und auch strategisch wichtige Projekte zumindest kurzfristig – wenn nicht sogar auf Jahre - verschoben wurden. Folge für Dürr: Das im S-Dax notierte Unternehmen musste alle drei Monate die eigenen Prognosen kassieren. Noch im März war das Wort Krise im Unternehmen verpönt. Inzwischen rechnet man im Gesamtjahr mit einem EBIT zwischen 20 bis 30 Millionen Euro, wobei neun Millionen Restrukturierungsaufwendungen noch nicht eingerechnet sind. Netto fiel im ersten Halbjahr ein Verlust von 6,6 Millionen Euro an, im Gesamtjahr ist man froh, wenn daraus "eine rote Null“ wird. Weil damit die im Kreditvertrag festgelegten Kennzahlen nicht mehr zur tatsächlichen Situation passen, verhandelt Dieter nun mit den Banken bevor der Bruch der "Convenants" tatsächlich eintritt. Im schlechtesten Fall muss Dürr ungünstigere Kreditkonditionen in Kauf nehmen, im günstigen Fall wird nur eine Gebühr fällig. Auf einen Nenner gebracht ist Dürr mit voll gesetzten Segeln in einen Orkan gerauscht und muss den Schaden nun teuer reparieren.
Analyse – Neuer Realismus bei Dürr
Dass sich die Auftragslage kurzfristig wieder ändert, ist indes nicht abzusehen. Im nächsten Jahr rechnet Dieter mit einem weltweiten Investitionsvolumen, das um 20 bis 25 Prozent unter dem Niveau vor der Autokrise liegt. Entsprechend werden dieses Jahr rund 1100 Jobs abgebaut. In der Folge steigt natürlich der Wettbewerb um die verbleibenden Projekte, was die guten Margen aus 2007 und 2008 abschmelzen lässt. Auch technisch ist Dürr mit Hauptkonkurrent Eisenmann in harter Konkurrenz: Beide haben neue Lackieranlagen mit unterschiedlichen Lösungen für eine Trockenabscheidung von überflüssigem Lack entwickelt, die nicht nur deutlich umweltfreundlicher, sondern auch viel niedrigere Betriebskosten haben sollen. Welche Technologie sich durchsetzt, ist offen.
Unbestritten haben Dürr-Chef Dieter und Finanzvorstand Ralph Heuwing bei der Restrukturierung des vor wenigen Jahren schwer angeschlagenen Konzerns einen guten Job gemacht. Deshalb steht das Unternehmen finanziell gesehen nach wie vor solide da: Von der Barkreditlinie über 200 Millionen Euro, deren Konditionen nun neu verhandelt werden, werden nur 60 Millionen Euro genutzt. Dazu kommt eine Liquiditätsreserve von 64 Millionen Euro und die Erwartung, dass der Cash-flow im zweiten Halbjahr positiv wird. Nun müssen die beiden Manager beweisen, dass sie das auf Großprojekte ausgerichtete Unternehmen verschlanken und an die neuen Realitäten anpassen können: Die Kunst besteht nun darin, auch mit kleineren Aufträgen in einem scharfen Wettbewerb gutes Geld zu verdienen.