"2012 ist für uns das Jahr der Wahrheit"

Stuttgart. Die Lkw-Sparte von Daimler sieht sich in der laufenden Dekade strategisch gut aufgestellt, um am erwarteten weltweiten Marktwachstum überproportional zu partizipieren und auch in schwachen Geschäftszyklen profitabel zu bleiben. "Wir haben die Saat ausgebracht. In den kommenden Jahren werden wir die Früchte ernten. Die globale Großwetterlage in unserer Branche gibt unserer strategischen Aufstellung Recht", zeigte sich Truck-Chef Andreas Renschler am Montag auf einer Pressekonferenz zuversichtlich. Im laufenden Jahr rechnen die Stuttgarter trotz der Unsicherheiten im europäischen Markt mit einem steigenden Absatz und Umsatz. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) soll mindestens das Vorjahresniveau wieder erreichen.

Im vergangenen Jahr verkaufte Daimler Trucks weltweit knapp 425.800 Lkw. Der Umsatz betrug 28,8 Milliarden Euro. Beide Kennzahlen legten um jeweils 20 Prozent zu. Das EBIT stieg um gut 40 Prozent auf rund 1,9 Milliarden Euro. Die operative Marge verbesserte sich von 5,5 auf 6,5 Prozent. "2012 ist für uns gewissermaßen ein Jahr der Wahrheit", so Renschler. Während in den etablierten Märkten Europa, USA und Japan Daimler Milliarden Euro in neue Fahrzeuge und Motoren investiert hat, die künftige Abgasnormen schon heute erfüllen, gehen in den schnell wachsenden Märkten China und Indien neue Fabriken mit lokalen Produkten an den Start. Dazu wollen die Stuttgarter hohe Synergien durch die globale Forschung und Entwicklung sowie Modulbaukästen bei Fahrzeugen und Aggregaten heben.

Sichtbar dürften die Erfolge aber erst richtig im Jahr 2013 werden: Dann will Renschler den Absatz auf etwa 500.000 Lkw ausbauen. Darin sind erstmals die Fahrzeuge aus der eigenen indischen Produktion sowie Lkw aus dem chinesischen Joint Venture mit Beiqui Foton enthalten. Ab 2013 soll die Lkw-Sparte auch die angestrebte Zielrendite von acht Prozent erreichen. Dieses Profitabilitätsniveau will Renschler im Durchschnitt über die Geschäftszyklen halten. In der Praxis würde das bedeuten, dass Daimler Trucks nicht einmal bei starken Nachfrageeinbrüchen in die roten Zahlen rutscht. Die Wachstumspläne gehen jedoch weiter. Ab 2015 sollen deutlich über 500.000 Lkw und bis Ende des Jahrzehnts über 700.000 Fahrzeuge verkauft werden. Mittelfristig plant Daimler in Indien mit einer Kapazität von 70.000 schweren und mittelschweren Fahrzeugen. In China ist der Ausbau von heute 100.000 auf 160.000 Einheiten vorgesehen.

Trotz der erstarkenden Konkurrenz durch lokale Hersteller in den schnell wachsenden Schwellenländern und den ehrgeizigen Plänen von Volkswagen, bis in rund zehn Jahren einen neuen Weltchampion aus den Beteiligungen MAN und Scania zu formen, ist Renschler überzeugt: "Wir werden auch 2020 die Nummer Eins sein." Er nehme jeden Konkurrenten ernst, wisse aber wie schwer es sei, unterschiedliche Unternehmenskulturen zusammenzubringen. "Das ist keine einfache Arbeit." Umgekehrt will der Manager die lokalen Billiganbieter in ihren Heimatmärkten mit besseren Produkten selbst unter Zugzwang setzen.

Weltweit dürfte die Nachfrage nach Lkw über 3,5 Tonnen um 1,7 Millionen auf 6,7 Millionen Einheiten bis 2020 zulegen. "Fast 95 Prozent des Wachstums entstehen allerdings außerhalb unserer traditionellen Märkte. Aber als globaler Hersteller werden wir davon profitieren - egal wo das Wachstum stattfindet", so der Truck-Chef. Vor allem das so genannte Segment "Modern Domestic Trucks" sieht Daimler als Chance zur Expansion. Dabei handelt es sich um Fahrzeuge, die technologisch teilweise 20 Jahre hinter den Hightech-Trucks in Europa hinterherhinken, die aber der einheimischen Billikonkurrenz weit überlegen sind und durch den hohen Lokalisierungsgrad zu attraktiven Preisen angeboten werden können. Rückenwind erhält Daimler außerdem von anspruchsvollere Abgasnormen, die auch in diesen Ländern technisch aufwendigere Lösungen erfordern.

In Indien produziert Daimler mit einer Gesamtinvestition von 700 Millionen Euro in den Standort Chennai ab dem dritten Quartal die ersten auf indische Anforderungen ausgelegten Lkw der neu gegründeten Marke BharatBenz. In China werden die lokal mit Foton entwickelten Fahrzeuge im gleichen Zeitraum industrialisiert und unter der Marke Auman angeboten. In Russland verfügt Daimler über je ein Gemeinschaftsunternehmen für Transporter und für Lkw mit dem russischen Hersteller Kamaz. Vor kurzen hat das Gemeinschaftsunternehmen den ersten Lkw vorgestellt: einen Kamaz-Laster mit Daimler-Komponenten. Dazu gibt es Verhandlungen über eine Zusammenarbeit bei Fahrzeugkabinen und Achsen.

Für solche Emerging Markets, zu denen auch Brasilien gehört, wo Daimler schon seit Jahrzehnten eigene Lkw für die lokalen Anforderungen produziert, wollen die Stuttgarter einen eigenen Modulbaukasten für die Fahrzeuge und Aggregate entwickeln. Dieser soll die Basis für die lokal notwendigen Anpassungen bilden. Für die etablierten Märkte gibt es einen eigenen Baukasten. "Wir erzielen signifikante Volumeneffekte - bei Aggregaten zum Beispiel sprechen wir über Kostenvorteile von bis zu zehn Prozent", betont Renschler. Über die Hälfte der Kosten eines Lkw entfällt auf den Antriebsstrang.

Anhaltend hohes Wachstumspotenzial sieht Daimler in Europa, den USA und Japan im Geschäft mit Dienstleistungen, Aftersales und Telematik. "Unsere Kunden wollen eine hundertprozentige Verfügbarkeit der Fahrzeuge", so Renschler. Neben dem Fahrzeugvermietgeschäft, das vor allem Nachfragespitzen abdecken soll, spielt das Telematiksystem FleetBoard dabei eine wichtige Rolle. Derzeit arbeiten die Stuttgarter daran, eine Lösung für die vorauschauende Wartung der Lkw aufzubauen. Bis diese verfügbar ist, sind laut Renschler allerdings noch drei bis vier Jahre notwendig, weil zunächst eine Vielzahl von Fahrzeugdaten gesammelt und analysiert werden müssen. Bereits heute steuern Services, Aftersales und Telematik rund 20 Prozent des Spartenumsatzes bei.

"Wir haben die richtigen Produkte in den richtigen Märkten und die Größe, um damit nachhaltig profitabel zu sein", so Renschler. Seiner Ansicht nach ist und bleibt die Branche global gesehen eine Wachstumsbranche: "Und kein Hersteller ist besser aufgestellt als Daimler Trucks, um von diesem Wachstum nachhaltig zu profitieren." (Foto: Daimler)