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Mobilitätssektor trotzt der Krise: Oliver Wyman-Studie zeigt Rekordvolumen bei Wagniskapital-Investitionen

Rund 54 Mrd. Dollar: Um so viel wuchsen die Investitionen in die Branche den Beratern zufolge zuletzt. Welche Schlüsse lassen sich aus dem "Mobility Investment Radar 2025" von Oliver Wyman ziehen? Die wichtigsten Learnings im Interview.  

Foto: jamesteohart/iStock

KI und autonomes Fahren befeuern die Mobilitätsbranche: Laut dem jüngsten "Mobility Investment Radar" von Oliver Wyman stiegen die Investitionen 2024 auf 54 Mrd. USD – ein Boom trotz geopolitischer Unsicherheiten und hohem Finanzierungsdruck. Was im Detail hinter der Zahl steckt, verraten Dr. Andreas Nienhaus und Steffen Rilling im Interview mit Automobilwoche.

Trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten und rückläufiger Finanzierungsrunden zieht der Mobilitätssektor wieder verstärkt Kapital an: Wie der "Mobility Investment Radar 2025" von Oliver Wyman zeigt, erreichten die weltweiten Investitionen in Mobilitätslösungen im Jahr 2024 mit 54 Milliarden US-Dollar den zweithöchsten Stand seit Beginn der Erhebung. Wachstumstreiber sind vor allem Innovationen in den Bereichen autonomes Fahren, künstliche Intelligenz und Elektromobilität. Der Report analysiert nicht nur technologische Trends, sondern zeigt auch, welche Regionen und Geschäftsmodelle das größte Potenzial haben – und wo Nachholbedarf besteht. Automobilwoche hat Dr. Andreas Nienhaus, Partner Automotive and Mobility, Private Capital, Climate and Sustainability, sowie Steffen Rilling, Principal Automotive and Industrial Goods, zum exklusiven Interview getroffen, um den jüngsten "Mobility Investment Radar" zu diskutieren:

Zur Person:

​Dr. Andreas Nienhaus ist Partner im Automotive- und Mobility-Team von Oliver Wyman und leitet das Oliver Wyman Mobility Forum. Seit über 17 Jahren berät er Automobilhersteller und Mobilitätsdienstleister in den Bereichen Elektrifizierung, Digitalisierung und nachhaltige Geschäftsmodelle.

Oliver Wyman - Dr. Andreas Nienhaus

Welche wesentlichen Botschaften lassen sich aus dem "Investment Radar 2025" für die Mobilitätsbranche ableiten?

Dr. Andreas Nienhaus: Wir beobachten einen zunehmenden Reifegrad der globalen Mobilitätsindustrie. Zwar sank die Zahl der Finanzierungsrunden 2024 um 30 % gegenüber dem Vorjahr, gleichzeitig wurden die einzelnen Runden jedoch deutlich größer. Das Kapital fließt verstärkt in etablierte Geschäftsmodelle, die eine Skalierung anstreben.

Steffen Rilling: Besonders auffällig ist das Wachstum bei Zulieferern von Hardware und Software für Elektrofahrzeuge sowie autonomen Fahrlösungen. EV-Supplier erhielten rund 60 % mehr Finanzierung, und auch im Bereich autonomes Fahren steigen die Investitionen weiter. Innovationen und datengetriebene Modelle spielen hier eine immer wichtigere Rolle.

Welche Rolle spielte Künstliche Intelligenz bei der Verdopplung der Investitionen in vernetzte und autonome Fahrtechnologien?

Rilling: Künstliche Intelligenz hat einen erheblichen Beitrag geleistet. Sie ermöglicht es, autonome Fahrzeuge effizienter und schneller zu trainieren, was die Entwicklungskosten senkt. Deshalb stiegen die Investitionen 2024 auf 18,2 Milliarden Euro – doppelt so viel wie im Vorjahr. Gleichzeitig muss man feststellen, dass geopolitische Spannungen die Entwicklung autonomer Fahrtechnologien deutlich beeinflusst haben und weiter beeinflussen: So erschwert die zunehmende Entkopplung zwischen den technologischen Ökosystemen der USA und Chinas – der sogenannte "Silicon Curtain" – die internationale Skalierung autonomer Fahrtechnologien erheblich. Firmen müssen künftig oft dedizierte Lösungen für unterschiedliche Märkte entwickeln.

Nienhaus: Vor allem die Märkte in den USA und China treiben diese Dynamik voran. 16,6 Milliarden Euro der globalen Investments entfallen auf diese beiden Regionen. Ein geringeres Maß an Regulierung in China sowie ein hoher Zugang zu Daten sind hier wichtige Erfolgsfaktoren. Was den "Silicon Curtain" angeht: Mittelfristig könnte diese Entwicklung zu einer vollständigen technologischen Spaltung führen. Das bedeutet höhere Kosten und komplexere Anforderungen für international agierende Unternehmen.

Zur Person:

​Steffen Rilling ist Principal bei Oliver Wyman in München und Experte für Mobilität und Industrie. Er berrät weltweit Automobilhersteller und Mobilitätsanbieter zu Strategie, Digitalisierung und datengetriebenen Geschäftsmodellen und ist Co-Autor des "Mobility Investment Radar“.

Portrait Rilling

Warum gingen die Investitionen in nachhaltige Mobilität 2024 um 21 Prozent zurück, obwohl dieses Segment weiterhin das größte Volumen aufweist?

Nienhaus: 2023 war ein Ausnahmejahr mit extrem großen Finanzierungsrunden, unterstützt etwa durch den Inflation Reduction Act in den USA. Viele EV-Hersteller und Batterieunternehmen haben sich umfangreich Kapital gesichert, wodurch 2024 weniger neuer Finanzierungsbedarf bestand.

Rilling: Hinzu kommt eine gewisse Marktabkühlung im Bereich Elektrofahrzeuge. Dennoch bleibt das Investitionsvolumen von 19,6 Milliarden Euro das dritthöchste jemals gemessene.

Welche neuen Geschäftsmodelle im Bereich Mobilitätsdienstleistungen haben Investoren 2024 besonders begeistert?

Rilling: Das Segment Mobilitätsdienstleistungen hat kräftig zugelegt. Das Investitionsvolumen stieg um knapp 90 % auf 11,7 Milliarden Euro. Besonders in westlichen Märkten fokussieren sich Investoren auf spezialisierte, oft sehr nischige Modelle wie Auto-Abonnements oder Plattformlösungen für Geschäftsreisen.

Nienhaus: In Märkten wie Indien erleben dagegen breitere Konzepte wie Ride-Hailing ein starkes Wachstum. Diese Märkte entwickeln sich aktuell dynamischer als viele westliche Länder.

Visual: Oliver Wyman

Seit 2015 haben sich die weltweiten jährlichen Investitionen in den Mobilitätssektor mehr als verdreifacht.

Wie hat sich die Investitionstätigkeit in Deutschland entwickelt? 

Nienhaus: In Deutschland lag das Venture-Capital-Volumen 2024 bei rund 570 Millionen US-Dollar – ein Rückgang um etwa 50 % im Vergleich zu 2023. Auch die Anzahl der Runden halbierte sich. Anders als im globalen Trend blieben die durchschnittlichen Rundengrößen hier konstant.

Rilling: Während nachhaltige Mobilitätslösungen, insbesondere Urban Air Mobility,  weniger Kapital anzogen, konnten Mobilitätsdienstleistungen wie Auto-Abonnements oder intermodale Plattformen an Bedeutung gewinnen.

Foto: iStock

Den Experten von Oliver Wyman zufolge dürfte der Fokus in den kommenden Jahren klar auf der kommerziellen Skalierung von Technologien wie dem Autonomen Fahren und Elektrofahrzeugen liegen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Mobilitätssektors in den kommenden fünf Jahren?

Nienhaus: Wir erwarten eine starke Fokussierung auf die kommerzielle Skalierung von Technologien wie autonomen Fahrzeugen und Elektrofahrzeugen. Disruptive Neuentwicklungen rücken etwas in den Hintergrund.

Rilling: Künstliche Intelligenz und datengetriebene Geschäftsmodelle bleiben Wachstumstreiber. Gleichzeitig werden geopolitische Spannungen und Handelsbarrieren, etwa im Halbleiterbereich, die globale Zusammenarbeit im Mobilitätssektor zunehmend beeinflussen. Börsengänge und niedrige Zinssätze könnten aber auch neue Kapitalströme in die Branche lenken.