München. Die europäische Autoindustrie steuert auf ein schwieriges Jahr 2009 zu: Während einerseits der weltweite Wirtschaftsaufschwung an Fahrt verliert, sorgen hohe Rohstoffpreise, ungünstige Wechselkurse und milliardenschwere Investitionen in sparsame und umweltfreundliche Antriebstechnologien für Belastungen. „In den nächsten Quartalen dürften auch die Volumenhersteller gezwungen sein, ihre Prognosen nach unten zu korrigieren“, prophezeit Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Besonders das Mittelklasse-Segment von Volkswagen, Opel, Ford, Fiat und Peugeot sowie Renault wird seiner Ansicht nach von den schlechten Rahmenbedingungen betroffen sein. Zur Überraschung nahezu aller Branchenexperten hatten sich im ersten Halbjahr gerade die konjunkturanfälligen und unter hohem Wettbewerbsdruck stehenden Volumenhersteller stabil gezeigt, während mit Mercedes-Benz und BMW zwei Premiumanbieter mit Gewinnwarnungen schockierten hatten. „Der Grund ist, dass beide Hersteller im Gegensatz zu den europäischen Konkurrenten stark vom rückläufigen US-Markt und dem niedrigen Dollarkurs betroffen sind“, erklärt Marc-René Tonn von M.M. Warburg.
Bei BMW kommen hausgemachte Probleme hinzu: Um den Absatz anzukurbeln, haben die Münchner in den USA jahrelang zu freizügig Rabatte gewährt und die Restwerte der verleasten Autos zu hoch angesetzt. Dies summierte sich im ersten Halbjahr zu Sonderabschreibungen und Kreditausfällen von 695 Millionen Euro. In der zweiten Jahreshälfte sind weitere Belastungen nicht ausgeschlossen. Sowohl BMW als auch Mercedes steuern nun mit der Drosselung der Produktion gegen. Die Stuttgarter wollen bis Jahresende 45.000 Fahrzeuge weniger produzieren und dies durch den Abbau der gut gefüllten Arbeitszeitkonten kostenneutral bewerkstelligen. BMW-Chef Norbert Reithofer hat angekündigt, zwischen 20.000 und 25.000 Fahrzeuge weniger als geplant vom Band laufen zu lassen. Auch Automobilzulieferer Robert Bosch bereitet sich aktuell mit Produktionskürzungen bei Dieselpumpen auf die spätestens für 2009 erwarteten geringeren Abrufe der Hersteller vor. Nach vier Jahren globaler Hochkonjunktur sei der Gipfel der wirtschaftlichen Entwicklung erreicht, sagte Bosch-Chef Franz Fehrenbach im Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“. Dass auch die Volumenhersteller in absehbarer Zeit um eine Verringerung der Kapazitäten nicht herumkommen dürften, liegt auf der Hand.
Die Notwendigkeit kompletter Werksschließungen sieht Analyst Pieper insbesondere bei Ford und Opel. Doch selbst die Perspektiven von VW und Audi sowie Fiat, die aktuell noch von der starken Position in Schwellenländern profitieren, trüben sich zusehends ein. Sowohl Pieper als auch Tonn rechnen damit, dass die abkühlende Weltkonjunktur auch die bisher noch schnell wachsenden Schwellenländer in Asien, Südamerika und Osteuropa treffen wird und auf die Automobilnachfrage drückt. Während die europäische Autobranche im kommenden Jahr einerseits mit Absatz- und Umsatzeinbußen rechnen muss, steigen auf der anderen Seite die Belastungen auf der Rohstoffseite, die durch Effizienzsteigerungen nicht mehr zu kompensieren sind. So rechnet Mercedes im laufenden Jahr trotz eines höheren Absatzes mit einem rückläufigen operativen Gewinn. Kopfzerbrechen bereiten insbesondere die Stahlpreise, für die im Herbst eine neue Preisrunde mit möglicherweise deutlich schlechteren Konditionen ansteht. Viele Hersteller wollen deshalb einen Teil der Belastung auf die Lieferanten abwälzen und denken über Preiserhöhungen nach. Während dies bei Premiumanbietern ein probates Mittel ist, um sich Erträge zu sichern, bezweifelt Tonn, ob dies im hart umkämpften Volumensegment überhaupt möglich ist. Allerdings könnte die nachlassende Konjunktur auf der Rohstoffseite für Entspannung sorgen.