München. Der sechs Meter große und 2,4 Tonnen schwere Mercedes- Stern dreht sich seit Jahresanfang über der noch menschenleeren Pkw-Fabrik im südungarischen Kecskemét. Das weltweite Symbol für Luxus und Wohlstand lockt allerdings deutlich weniger Arbeitsuchende an, als Daimler gedacht hat. Nur mit einem „Gewaltakt“ – so eine mit der Situation vertraute Person – konnten die Stuttgarter die ersten 1000 Mitarbeiter für das auf der grünen Wiese errichtete Kompaktwagenwerk verpflichten: „Die anfängliche Euphorie ist großer Ernüchterung gewichen.“ So musste Daimler das Einstiegsgehalt aufstocken und Abstriche bei den hohen Ansprüchen an Qualifikation und Sprachkenntnisse hinnehmen.
Ungarn ist wegen der niedrigen Kosten – ein Automobilarbeiter verdient bei Audi ein Fünftel seines deutschen Kollegen –, der motivierten Arbeitskräfte und der logistisch günstigen Lage ein attraktiver Standort für die europäische Fahrzeugindustrie. Weil aber der Arbeitsmarkt vor allem für Fach- und Führungskräfte leer gefegt ist, wird es zunehmend schwieriger, geeignetes Personal zu rekrutieren. Angesichts der angespannten Situation kommen sich Daimler und Platzhirsch Audi zwangsläufig ins Gehege.
Die VW-Tochter hat schon seit 1993 ein Motoren- und Fahrzeugmontagewerk in Györ. Inklusive Zulieferer beschäftigt das Werk 15.000 Menschen. „Wir haben keinen Fachkräftemangel, wir bekommen genügend qualifizierte Mitarbeiter“, betont Audi-Werkssprecher Peter Löre. Dabei profitiere Audi vom jahrelangen guten Image als beliebtester Arbeitgeber und nicht zuletzt von der besseren Lage des Standorts verglichen mit Kecskemét. Györ liegt an der Autobahn von Wien nach Budapest, 120 Kilometer von der österreichischen und 130 Kilometer von der ungarischen Hauptstadt entfernt. Die Region bildet einen wichtigen Industriestandort. Das neue Daimler-Werk hingegen verliert sich knapp 90 Kilometer von der Hauptstadt entfernt in den sandigen Weiten der landwirtschaftlich geprägten ungarischen Tiefebene.