Stuttgart. Während die Grünen mit Winfried Kretschmann bald den Ministerpräsidenten in Baden- Württemberg stellen werden, hofft die lokale Autoindustrie auf den Koalitionspartner SPD. Die Partei mit dem guten Draht zur IG Metall soll in der grün-roten Regierung für Realitätssinn sorgen. Denn die Grünen haben viel vor: Laut Wahlprogramm soll Baden-Württemberg ein „ökologischer Industriestandort“ werden. Das bisherige Vorgehen der Autobranche, „überwiegend mit großen Premiumwagen eine ausreichende Wertschöpfung zu erzielen“, berge „erhebliche Risiken“. Ein klarer Angriff gegen die Stuttgarter Autobauer Porsche und Mercedes, auch bei Audi in Neckarsulm laufen große Limousinen wie der A6 und A8 vom Band. Entsprechend lautet das ökologische „Premium-Entwicklungsziel“ der Grünen: Die Autos werden „kleiner, leichter, effizienter“. Auch eine weitere Senkung der CO2-Grenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge steht auf dem Öko-Programm.
Noch zeigt sich Cheflobbyist Matthias Wissmann dialogbereit: „Die Industrie respektiert den Wählerwillen.“ Allerdings hofft der Präsident des VDA, „dass sich mit Herrn Kretschmann der pragmatische und nicht-ideologische Teil der Grünen durchsetzt, der die wirtschaftlichen Realitäten des Landes kennt und akzeptiert“. Jeder vierte Arbeitsplatz der deutschen Automobilindustrie liegt in Baden-Württemberg, wo jährlich mehr als eine Million Fahrzeuge produziert werden. Das Bundesland ist Exportland, ein Drittel der Gesamtausfuhr entfällt auf die Autoindustrie. Auch der Chef von Deutschlands größtem Autozulieferer Bosch regt an, „das gute wirtschaftliche Klima in Baden- Württemberg zu erhalten“.
Für die Attraktivität als Wirtschaftsstandort seien die Förderung von Forschung und Entwicklung und eine nachhaltige, bezahlbare Energieversorgung „entscheidend“, so Franz Fehrenbach. Hinter den Kulissen arbeiten Auto-Lobbyisten bereits eifrig an Argumentationspapieren. Der Erhalt der Arbeitsplätze steht ganz oben auf der Agenda: Die Grünen würden den Aufschrei ihrer Wähler schon erleben, wenn die Produktion großer Limousinen von Stuttgart aus beispielsweise in den Wachstumsmarkt China verlagert würde, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Entsprechend interpretiert die IG Metall Baden-Württemberg den Regierungsauftrag. „Die neue Landesregierung muss insbesondere das sozialpolitische Profil stärken“, so Bezirksleiter Jörg Hofmann. Die Rahmenbedingungen müssten mit einer aktiven Industriepolitik so umgestaltet werden, dass Baden-Württemberg der Top- Standort für Forschung, Entwicklung und Produktion ist. Dafür biete der Politikwechsel im Land neue Chancen.