Modellvorschau: So will Jaguar sich radikal neu positionieren

Wie neu darf neu sein? Diese Frage diskutiert die Autowelt seit Ende 2024 mit Blick auf Jaguar. Die britische Nobelmarke hat eine radikale Wende eingeleitet. Mit einem Fahrzeug, das zumindest als Studie vor allem eines schafft: Es polarisiert.

Der Type 00 ist ein großer Gran Turismo mit schier endloser Haube, scharfen Kanten und großen Flächen. Man kann darin manches erkennen, am ehesten vielleicht einen Rolls-Royce – aber ganz gewiss keinen Jaguar.

Und genau das ist das Ziel der Marke: "Copy Nothing", heißt das Leitmotiv. Kopiere nichts – nicht mal dich selbst. Eine Philosophie, die gleichermaßen radikal neu und "back to the roots" ist. Schon Jaguar-Gründer William Lyons folgte in den 1920er-Jahren der Philosophie, dass ein Jaguar einzigartig und unverwechselbar sein müsse.

Das ist dem Designteam rund um Gerry McGovern definitiv gelungen. Der Chef-Kreative erklärt diplomatisch, dass die Designs in den vergangenen Jahren nicht schlecht gewesen seien. Allerdings habe der Versuch, mit einer breiten Anziehungskraft mit etablierten Premiummarken zu konkurrieren, Jaguar gewöhnlich gemacht. Genau das aber sollen die neuen Modelle nicht mehr sein.

Der Type 00 soll deshalb auch fast so auf die Straße kommen, wie er dasteht. Das Serienmodell des 2+2-Sitzers wird im Spätsommer 2026 an den Start gehen und "nicht wesentlich anders aussehen als das Showcar", sagte Jaguar-Chef Rawdon Glover zuletzt im Rahmen eines Roadshow-Stopps in Paris. Das Concept Car tourt gerade um die Welt.

Wobei "nicht wesentlich" sicherlich Definitionssache ist. Die größte Änderung in der Serie: Der Gran Turismo wird vier Türen haben. Und keine davon wird so elegant nach oben aufschwingen wie bei der Studie. Was auf jeden Fall bleiben wird, ist das neue Jaguar-Logo. Ein Schriftzug mit abgerundeten Buchstaben, ein stilisiertes J und R und kein Raubtierkopf mehr.

Allein das neue Logo würde Jaguar in den Ruin treiben, unkten Kritiker bei der Premiere, die in der Neuausrichtung einen Verrat der Tradition sehen. Was viele vergessen: Jaguar steht bereits vor dem Ruin. Hätten die alten Formen, das alte Logo, die alte Werbung dafür ­gesorgt, dass mehr Leute Jaguar gekauft hätten, wäre dieser radikale Bruch nicht nötig.

Jetzt setzt Jaguar alles auf eine Karte. JEA heißt die Basis, auf der die künftigen, allesamt rein elektrischen Modelle aufbauen werden. Viel ist darüber noch nicht bekannt. Einmal hieß es, dass die Reichweite bei rund 700 Kilometern liegen soll und das Laden von zehn auf 80 Prozent knapp über zehn Minuten dauern wird.

Das sind keine spektakulären Werte, aber realistische. Mehr auf den Putz hauen könnte Jaguar bei der Leistung. Ursprünglich war von rund 500 PS die Rede. ­Inzwischen geistert der doppelte Wert durch die Branche. Und auch zum Preis gibt es erste Spekulationen. Nicht unter 150.000 Euro, heißt es, soll das erste ­Modell zu haben sein. 

Günstiger dürften auch die weiteren Fahrzeuge nicht werden. Zumal Jaguar zumindest in absehbarer Zeit nicht noch einmal versuchen wird, mit preiswerten Modellen wie dem XE in Volumensegmente vorzustoßen. ­

Darin unterscheidet sich der Weg der Briten beispielsweise von Mercedes’ Luxus-Strategie. Die Stuttgarter können es sich nicht leisten, etwa auf das starke Kompaktsegment zu verzichten. Mit dem hohen Preis will sich ­Jaguar die in der Vergangenheit verloren gegan­gene Exklusivität zurückholen – und das hohe ­Investment für die Neuaufstellung.

Insgesamt 15 Milliarden Pfund, hieß es schon 2023, wolle man in die Positionierung als Elektromarke investieren. Sie geht auch mit einem kompletten Umbau des historischen Werks in Halewood einher. Und während die Kosten auf der einen Seite hochgehen, verzeichnet Jaguar auf der Einnahmeseite derzeit kaum noch Nennenswertes.

Denn: ­Aktuell verkauft Jaguar keine Neufahrzeuge mehr. Wie es konkret nach dem GT weitergeht, lässt die Marke noch offen. Als gesetzt gelten darf, dass die Briten als Nächstes ein SUV bringen. Gerüchten zufolge im Format eines Bentley Bentayga.

Das mag vielleicht eine Nummer zu groß gegriffen sein, doch mit Luxus-SUVs hat der Konzern ­Erfahrung. Schließlich spielt ­Jaguars Schwestermarke mit dem erfolgreichen Range Rover in der obersten Liga mit. 

Und dann? Eine klassische ­Limousine wird kolportiert oder ein Coupé. Dass sich Jaguar für Letzteres entschieden hat, gilt als wahrscheinlicher. Ein Stufenheck-Modell könnte zu nah am Gran Turismo sein – und man will ja schließlich nichts kopieren.