"Kohle in den Sand gesetzt": Warum Händler mit neuen Transporter-Marken hadern

Im Pkw-Segment ist die Skepsis der Käufer gegenüber neuen Marken schon groß, doch bei Transportern ist sie nochmals deutlich größer. Dennoch drängen etliche Hersteller auf den Markt. Aber um Erfolg zu haben, reicht ein gutes Produkt häufig nicht aus.

"Ich glaube, in den nächsten drei bis fünf Jahren wird der Transporter-Markt neu gemischt. Wir müssen schnell sein, aber auch Geduld haben", sagt Daniel Kirchert, Gründer und CEO von Flynt. Die chinesische Marke will Mitte nächsten Jahres in Deutschland starten.

Flynt will einen E-Transporter zum Preis eines Diesels anbieten. Im ersten vollen Jahr will Kirchert mindestens 1000 Fahrzeuge verkaufen. "Bis wir fünfstellige Zahlen haben, werden einige Jahre vergehen."

Mit Blick auf die Entwicklung junger Marken ist Dataforce-Analyst Benjamin Kibies bei so ambitionierten Zielen skeptisch: "Einfach wird es aber nicht, viele neue Player haben sich schon wieder zurückgezogen, den Markteintritt abgebrochen oder zeigen fallende Zulassungszahlen."

Das bestätigen die Neuzulassungen der vergangenen Monate und Jahre. Den Durchbruch im Transporter-Segment hat von den Neuankömmlingen keiner geschafft. Im Gegenteil: Für viele ging es zuletzt wieder zurück. 

Bestenfalls Maxus, die Marke des chinesischen VW-Partners SAIC Motor, kommt auf nennenswerte Stückzahlen.

Svenja Geiß, Leiterin Marktforschung bei Dataforce, wundert das nicht: "Für neue Hersteller wie Maxus ist es schwierig, im Flottengeschäft Fuß zu fassen. Bei vielen kleineren Fuhrparks ist die SAIC-Marke noch unbekannt, es fehlen die Berührungspunkte."

Hinzu komme die große Bedeutung des Services, grade bei E-Transportern sei das Thema nochmals sensibler.

Das bestätigt Jörn Wohlers, Geschäftsführer der Krefelder Preckel-Gruppe. Wohlers muss es wissen. Er vertreibt nicht nur die Fahrzeuge von Maxus seit Jahren, sondern hat auch den ersten Showroom für die chinesische Marke in Deutschland eröffnet.

"Die größte Hürde ist die fehlende Markenbekanntheit. Viele Kunden setzen lieber auf etablierte Hersteller, und chinesische Marken kämpfen zusätzlich mit Vorurteilen", sagt Wohlers. Hinzu komme ein noch dünnes Händler- und Servicenetz, was die Kaufentscheidung erschwert.

Ein weiteres Problem stellen die unsicheren Restwerte dar. "Anders als klassische Dieseltransporter gehen diese Fahrzeuge nach Ende der Nutzung nicht in Exportmärkte wie Afrika, sondern bleiben bis zum Schluss in Europa – das drückt den Wiederverkaufswert", sagt Wohlers.

Negativ wirke sich auch der schnelle Modellwechsel vieler chinesischer Hersteller aus, der sowohl die Restwertkalkulation als auch die Ersatzteilversorgung problematisch mache.

Ohnehin ist die Ersatzteilversorgung das entscheidende Problem, gerade für Flottenkunden. Jeder Tag, an dem das Fahrzeug steht, bedeutet für den Kunden in der Regel einen Verdienstausfall. 

Ein Beispiel: Der Vermieter Sixt konnte vor einigen Jahren wochenlang einen Teil seiner Maxus-Transporter nicht vermieten, da Ersatzteile für die Reparatur fehlten. Und Maxus ist kein Einzelfall, die Ersatzteilproblematik betrifft auch andere junge Marken.

Max Christl, Geschäftsführer bei Christl & Schowalter, kann das bestätigen. Der bayerische VW-Händler gehört zu den Cenntro-Händlern der ersten Stunde, damals war der schwäbische Logistikkonzern Mosolf noch als Großhändler aktiv. Mit der chinesischen Marke wollte das Autohaus das Nutzfahrzeugangebot von Volkswagen nach unten abrunden.

"Wir hatten zum Teil massive Probleme mit Ersatzteilen. Damit die Fahrzeuge nicht monatelang stillstanden, brauchten wir kreative Lösungen", so Christl: "Wir sind teilweise in den Baumarkt gegangen und haben dort die uns fehlenden Ersatzteile geholt."

Der Vorführwagen stand bei Christl rund anderthalb Jahre auf dem Hof und war nicht einsatzfähig. Jüngst hat er ihn an einen niederländischen Händler verkauft, der kann die Ersatzteile brauchen.

"Als Volkswagen-Händler sind wir natürlich verwöhnt, was die Teileverfügbarkeit angeht", sagt Christl. Alle Schnelldreher-Teile sind in der Regel innerhalb eines Tages, Aggregate beispielsweise in ein bis zwei Wochen verfügbar. Aus Christls Sicht fehlt den neuen Marktakteuren bei der Teileverfügbarkeit einfach die Erfahrung.

Für das Autohaus hatte das entsprechende Konsequenzen: "Das Schlimmste war, dass wir unser Personal sauer gefahren haben, da die Prozesse auf Herstellerseite unausgereift waren", so Christl.

Mittlerweile hat sich das Autohaus von der Marke Cenntro verabschiedet – zumindest gedanklich. "Mit Cenntro haben wir Kohle in den Sand gesetzt", sagt Christl. "Aber das Lehrgeld haben wir auf dem Konto 'Erfahrung' verbucht."