Gebrauchte E-Autos: Warum Preisparität vielen Kunden nicht reicht

Lange waren E-Autos auch als Gebrauchtwagen erheblich teurer als Verbrenner. Wer im Januar 2023 einen zwei bis drei Jahre alten VW ID.3 kaufen wollte, musste nach Zahlen der Gebrauchtwagenplattform AutoScout24 rund 38.300 Euro hinblättern. Einen VW Golf gab es bereits für 25.500 Euro.

Die erheblichen Preisunterschiede haben sich in die Köpfe vieler Verbraucher eingebrannt. Das zeigt die Marktstudie DAT-Barometer der Deutschen Automobil Treuhand. Darin nannten 43 Prozent der Verbrenner-Kaufplaner "hohe Anschaffungskosten" als Grund gegen den Kauf eines E‑Autos.

Doch das ist mittlerweile ein Vorurteil. "E-Antriebe sind bei vielen Modellen auf dem Preisniveau vergleichbarer Verbrenner angelangt", sagt Stefan Schneck, Chief Sales Officer bei AutoScout24. Bei einigen Modellen hat sich die Situation sogar umgekehrt. Laut der Auswertung von AutoScout24 für die Automobilwoche gab es den ID.3 im Mai dieses Jahres bereits ab 23.700 Euro, den Golf hingegen für 27.300 Euro.

Die Angleichung liege auch daran, dass es mittlerweile viele Erfahrungswerte im Markt gebe und Verbraucher die Autos nicht mehr rundheraus ablehnten, sagt Schneck. Eine Rolle dürften auch zunehmende Rabatte und Preissenkungen auf neue E-Autos spielen, die sich auf die Gebrauchtwagenpreise niederschlagen.

Bei Neuwagen ist die Preisparität meist noch in weiter Ferne. Dass sie bei Gebrauchten dagegen bereits erreicht ist, liegt am unterschiedlichen Wertverfall: E-Autos verlieren erheblich stärker an Wert als Verbrenner.

Laut DAT erzielten dreijährige gebrauchte Verbrenner zum Ende des ersten Quartals im Durchschnitt noch 62,6 Prozent ihres Listenneupreises, gebrauchte E-Autos hingegen nur noch 49,4 Prozent.

Die Folge: "In Euro betrachtet bewegen sich gebrauchte Verbrenner und gebrauchte E-Autos mittlerweile auf einem ähnlichen Niveau", sagt Martin Weiss, Leiter der DAT-Fahrzeugbewertung. VWs Golf und ID.3 sind hierfür keineswegs die einzigen Beispiele.

Dass der schwächelnde Markt für gebrauchte E-Autos nun durchstartet, ist nicht zu erwarten. Das belegt eine Umfrage der Meinungsforscher von Civey für die Automobilwoche. Demnach kommt für knapp zwei Drittel der Autofahrer, die den Kauf eines Gebrauchtwagens planen, auch dann kein E‑Auto infrage, wenn es genauso viel kostet wie ein vergleichbarer Verbrenner.

Zwar entfalle durch "die annähernde Preisparität" ein Nachteil gebrauchter E-Autos, doch der Kaufpreis sei nur eines von mehreren Argumenten gegen gebrauchte BEVs, sagt Weiss. Der Umstieg auf E-Autos bedeute für viele Menschen ohne eigene Lademöglichkeit einen erheblichen Komfortnachteil. Zudem gebe es im Unterhalt bisher kaum Kostenvorteile, wenn man auf öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen sei.

Schneck ist dennoch überzeugt, dass die Preisparität einen Unterschied macht: Die Verbraucher müssten ihren persönlichen Use Case deutlich stärker hinterfragen als bisher. "Das war in der Vergangenheit durch die exorbitanten Preisdifferenzen anders. Da musste man nicht lange nachdenken."

Auch beim Unterhalt könnte bald die Wende kommen. Ab 2027 greifen in der EU neue Regeln zur CO2-Bepreisung – der ADAC warnt bereits vor einer starken Erhöhung der Spritpreise. Viele Verbraucher hätten das noch nicht im Blick, so Weiss. "Sobald E-Autos im Unterhalt deutlich günstiger sind als Verbrenner, werden die Komfortnachteile eher in Kauf genommen."

Die Entwicklung könnte über steigende Unterhaltskosten die seit Corona vergleichsweise hohen prozentualen Verbrenner-Restwerte kippen lassen. Für Elektroautos hingegen dürfte es dann aufwärts gehen. Weiss: "E-Autos könnten dann attraktiver werden, was sich auch in den Restwerten widerspiegeln könnte." 

Wie es mit den Restwerten weitergeht, hängt auch von der schwarz-roten Bundesregierung ab. Je nachdem was diese an Fördermaßnahmen für E-Autos beschließt, könnte dies die Restwerte in beide Richtungen beeinflussen. Für viele der Worst Case wäre eine Neuauflage des Umweltbonus.

"Sobald die Bundesregierung in größerem Umfang den Kauf von BEV-Neuwagen fördert, werden die Restwerte wieder kollabieren", warnt Schneck. Das sehen auch Hersteller so. "Ich hoffe, wir sind uns alle einig, dass eine neue Cash-Prämie für den Kauf eines neuen E-Autos eher schädlich wäre", sagt Thomas Djuren, Chef von Kia Deutschland.

Der Herstellerverband VDIK fordert ausdrücklich Maßnahmen für den Gebrauchtwagenmarkt, etwa über niedrigere Ladestrompreise. Für diese plädiert auch der kommissarische ZDK-Präsident Thomas Peckruhn: "Ein wichtiger Hebel, von dem sowohl Neuwagen als auch Gebrauchte profitieren, ist der Strompreis, der in Deutschland nach wie vor viel zu hoch ist."