"Hersteller drehen Daumenschrauben, bis es blutet"

Herr Voßkamp, die Autobranche steckt in der Krise und die Bleker-Gruppe meldet Rekordzahlen. Ist die Bleker-Gruppe ein Krisengewinner?
Christian Voßkamp: Wir sind zumindest bislang gut durch die vergangenen Krisen gekommen – egal ob Corona, Halbleiter oder die derzeitige Nachfrageschwäche bei E-Autos. Wir haben unseren Umsatz seit 2020 in etwa verdoppelt. Wie das alles ohne Krise gelaufen wäre, lässt sich nicht sagen.

Woher kommt das immense Wachstum?
Also Corona losging, haben viele Autohäuser ihre Läden geschlossen und Kurzarbeit angemeldet. Wir haben quasi das Gegenteil gemacht: Alle haben gearbeitet und die Werbepower haben wir verdoppelt. Als es wieder richtig losging, hatten wir bereits deutlich mehr Schwung als viele andere. Wir sind dann voll durchgestartet. Das hat uns lange getragen.

Die Bleker-Gruppe ist nicht nur im klassischen Autohausgeschäft aktiv, sondern betreibt auch noch Sonderfahrzeugbau, Lackierung, Teilegroßhandel und eine Sattlerei. Welche Rolle spielt dies?
Das hilft uns natürlich, gerade in turbulenten Zeiten. Denn wir können unseren Kunden ein exzellentes Gesamtpaket liefern. Wir sind automobiler Vollsortimenter. Unterm Strich kommt aus den Bereichen etwa ein Viertel der Erlöse und 40 Prozent der Erträge.  

Entscheidend ist natürlich immer, was übrigbleibt. Sind auch die Gewinne auf Rekordhoch?
Schön wäre es, leider nicht. Die Lieferprobleme der Hersteller haben dazu geführt, dass unsere Bestände viel zu alt sind. Das kostet uns leider viel Geld. Denn die Banken langen kräftig zu, die Zinssätze sind nicht gerade gering. Allerdings gehen wir davon aus, dass sich dies im Laufe des Jahres wieder auf ein annehmbares Niveau einpendelt.

Inwiefern?
Solange die Hersteller nicht liefern konnten, haben wir unsere Kunden mobil gehalten. Schließlich sind wir auf langjährige Kundenbeziehungen angewiesen. Als Partner vor Ort sind wir das Schmiermittel zwischen Hersteller und Kunden. Das hat uns Unsummen gekostet, an denen sich die Hersteller nicht beteiligt haben.

Stellantis hält die Händler an der kurzen Leine, Renault hat die fixe Vergütung auf sechs Prozent gekürzt. Lässt sich mit den Marken Geld verdienen?
Mit einer solchen Vergütung sicher nicht. Die Hersteller haben die Daumenschrauben gedreht, bis es geblutet hat. Jetzt lockern sie diese wieder etwas. Aber die Marge im Fahrzeughandel bleibt dramatisch.

Wir jonglieren mit Millionen, am Ende bleibt eine Rendite von 1,x Prozent. Das ist doch Wahnsinn. Eine gravierende Fehlentscheidung können Sie sich hier nicht leisten. Mit zwei Prozent sind Sie ein Vorzeigebetrieb. Das gibt es sonst in keiner Branche. Die durchschnittliche Umsatzrendite des deutschen Mittelstands lag im Jahr 2022 bei sieben Prozent.

Inwiefern spüren sie eine Lockerung von Seiten der Hersteller?
Wir Händler werden nicht mehr als Feindbild behandelt, das war in der Vergangenheit bei einigen Herstellern so.  Der eine oder andere Verantwortliche auf Herstellerseite wird sich langsam bewusst, was vom Handel im Alltag geleistet wird, um Fehler und Versäumnisse aufzufangen. Das gilt besonders für die Ersatzteilversorgung, die in Teilen katastrophal war und noch ist. Da stehen wir dem Kunden gegenüber an vorderster Front.

Was bedeutet dies konkret?
Wir halten ihn mobil und überbrücken elendig lange Wartezeiten. Im besten Fall sorgen wir dafür, dass er von den Problemen gar nichts mitbekommt. Und das ohne angemessene Vergütung vom Hersteller – aber aus Verantwortung für eine langfristige Kundenbeziehung. Es reicht einfach nicht, nur an die kurzfristige Gewinnmaximierung zu denken, viel wichtiger sind langfristige Beziehungen. Dass Kooperation besser ist als Defektion (Nicht-Kooperation), ist hinlänglich wissenschaftlich bewiesen. Ich hoffe, dass das nun in allen Konzernen wieder gelebt wird.

Gute Voraussetzungen, um weiter zu wachsen. Was erwarten Sie 2025?
Die ersten beiden Monate liefen gut. Jetzt drehen wir richtig auf. Unsere absolute Grenze an Neuwagenauslieferungen waren bislang 13.500 Einheiten. Das haben wir im vergangenen Jahr erreicht. Mehr ging nicht. Unser aktueller Flaschenhals ist das Auslieferungszentrum. Im April führen wir hier eine Nachtschicht ein. Dadurch steigern wir unsere Auslieferungskapazitäten um 4.500 Einheiten und entlasten unsere Werkstätten.

Inwiefern?
Unsere Kfz-Mechatroniker können sich wieder um ihr Kerngeschäft kümmern: das Warten und Reparieren von Fahrzeugen im Kundenauftrag. Diese Tätigkeiten sind deutlich ertragreicher als die neuen Fahrzeuge zur Auslieferung vorzubereiten. Wir eröffnen uns also auch im Service neue Kapazitäten. Insbesondere durch die diversen Netzbereinigungen ist der Termindruck auf die Werkstätten immens. Hier müssen wir nicht zuletzt im Sinne der Kundenzufriedenheit neue Kapazitäten schaffen.

Was heißt Nachschicht?
Die Mitarbeiter kommen abends um 22 Uhr und arbeiten die Nacht durch bis morgens 6:30 Uhr. Die Frühschicht startet um 06:00, die bis etwa 14:45 Uhr die Fahrzeuge für die Auslieferung fertig macht.  Wir fahren künftig also ein Doppelschichtsystem.

Warum eine Nacht- und keine Spätschicht?
Weil niemand Spätschicht arbeiten will. Sie teilt den Tag in zwei Hälften, sodass man letztlich gar nichts von ihm hat. Das ist bei der Nachtschicht anders.

Aufgrund der Zuschläge dürfte dies deutlich teurer sein.
Das ist ein Vorteil für uns. Durch die Zuschläge liegen die Löhne rund acht Euro über den vergleichbaren Werkstattlöhnen. Entscheidend ist: Sir bringen das Lohngefüge in der Gruppe nicht durcheinander und lösen keinen Flächenbrand aus. Alle Werkstattmitarbeiter hatten das Angebot, in die Nachtschicht zu wechseln. Durch die höhere Vergütung erreichen wir Kfz-Mechatroniker, die wir zuvor aufgrund der besseren Bezahlung an die Industrie verloren haben. Jetzt kommen sie wieder zurück.

Internes Wachstum ist die eine Seite, externes die andere. Planen Sie auch Zukäufe?
Der Markt ordnet sich neu, das bietet Chancen, die wir auf jeden Fall nutzen. Wir sind bereits in konkreten Gesprächen mit zwei größeren Autohausgruppen, die entweder einzelne Standorte oder ihr gesamtes Geschäft veräußern wollen. Wie schnell es zu einem Abschluss kommt, lässt sich noch nicht abschätzen. Aber unsere Zeichen stehen klar auf Wachstum.

In den vergangenen Jahren haben Sie asiatische Marken wie Kia, Suzuki und Xpeng hinzugenommen. Wollen Sie im Rahmen der Zukäufe das Portfolio weiter ausbauen oder bei den vorhandenen Marken das Vertriebsgebiet?
Darauf legen wir uns nicht fest. Entscheidend ist, was zum Verkauf steht. Sie finden nicht immer das passende Portfolio in der gewünschten Region. Wir sind offen. Am besten wachsen wir in alle Richtungen.

Zuletzt haben Sie in Städten zugekauft – 2021 in Dortmund, 2023 in Bremen. Bleibt der Fokus?
Auf jeden Fall. Gerne auch am Stadtrand, mit guter Verkehrsanbindung.

Was macht Großstädte attraktiv?
Mit den Zukäufen in Dortmund und Bremen sind wir letztlich unseren Kunden hinterhergezogen. Wir hatten zunehmend Käufer aus den beiden Regionen, die wir nun auch im Service bedienen können und dadurch enger an uns binden. In Städten ist das Potenzial auf einer kleineren Fläche deutlich größer. Da wollen wir stärker mitmischen.

Die Heimat und Stärke der Bleker-Gruppe ist aber eigentlich das Land.
Der Ursprung liegt im Kreis Borken, aber da sind wir längst darüber hinaus. In der Vergangenheit war eine Netzwerkveranstaltung das örtliche Schützenfest, in der Stadt ist es das lokale Fußballstadion. Und wenn früher der Longdrink Korn Fanta war, so ist es heute der Gin Tonic. Unser Team fühlt sich mittlerweile überall zu Hause.

Bleker verkauft auch Leapmotor – die zum Stellantis-Konzern gehörende Billigmarke aus China. Wie kommen die Fahrzeuge an?
Wir sprechen eher nicht von einer Billigmarke, sondern einer Preis-Leistungs-Marke oder wie es im Englischen heißt: Value for Money Brand. Stellantis stößt mit dem kleinen Elektroauto in ein Segment vor, das noch kaum besetzt ist. Es gibt viele preissensible Verbraucher, die auf ein solches Auto warten. Entsprechend spüren wir eine Nachfrage. Ohne große Werbung haben wir in den ersten drei Monaten rund 40 Einheiten verkauft. Das nimmt langsam zu.

Händler bieten Privatkunden den Leapmotor T03 zu einer Leasingrate ab 89 Euro.
Das stimmt. Wir sind hier etwas weniger preisaggressiv unterwegs. Bei uns können sie den T03 ab 100 Euro bekommen. Und selbst das ist noch zu wenig, um daran etwas zu verdienen. Bei dem Auto geht es nicht um Erträge, sondern darum, die Elektroquote zu erfüllen. Hier tasten sich jetzt alle ran.

Den ë-C3 der Konzernschwester Citroën gibt es für Gewerbekunden bereits ab 79 Euro. Kannibalisieren sich die beiden Fahrzeuge und Marken?
Grundsätzlich sehen wir zwei unterschiedliche Zielgruppen bei den Fahrzeugen. Aber es lässt sich natürlich nicht ausschließen, dass der eine oder andere Kunde offen für das günstigere Angebot ist. Wir sind aktuell zufrieden, in dem geforderten Preisbereich Alternativen anbieten zu können.

Lassen sich solche Fahrzeuge als Gebrauchte verkaufen, wenn sie in zwei oder drei Jahren zurückkommen?
Ja sicher. Aber fragen Sie mich bitte nicht nach dem Preis.