Daimler drosselt Lkw-Produktion um 30 Prozent

Wörth. Wegen der stark rückläufigen Lkw-Bestellungen im Kernmarkt Europa will Daimler im Werk Wörth die Fertigung im ersten Quartal 2009 herunterfahren. „Wir stellen uns derzeit auf eine Produktionsdrosselung um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein,“ sagte Werkleiter Martin Daum im Interview mit der Automobilwoche. Derzeit lägen die Auftragseingänge deutlich unter den im Branchenzyklus üblichen Rückgängen. Er betonte, dass aufgrund der hohen Flexibilität, die mit dem Betriebsrat erreicht wurde, weder Kurzarbeit noch ein Abbau der Stammbelegschaft ein Thema ist: „Bis April haben wir überhaupt keine Probleme.“ Um der Flaute zu begegnen, hat Daum die für Wartungsarbeiten ohnehin geplante dreiwöchige Weihnachtspause nun um eine Woche verlängert. Darüber hinaus soll die Produktion auch in der Faschings- und Karwoche ruhen. Weitere einzelne Schließungstage können noch dazu kommen. „Die Zeitkonten der Mitarbeiter sind gut gefüllt. Davon können wir jetzt zehren,“ so der Manager.

Das Mercedes-Benz-Werk in Wörth ist das weltgrößte Lkw-Werk überhaupt. Bis Ende November liefen dort 110.000 Fahrzeuge vom Band. Damit wird 2008 auf jeden Fall ein neuer Produktionsrekord erreicht. In der Hochphase im Sommer wurden täglich über 500 Fahrzeuge und Teilesätze, die in Montagewerke auf der ganzen Welt verschickt werden, gefertigt. Dabei laufen sowohl die schweren Baureihen Actros und Axor als auch mittelschwere Modelle wie der Atego vom selben Band. Auch sämtliche Varianten vom Basissattelzug bis zu hochspezialisierten Baustellenfahrzeugen werden auf den Standard-Linien gebaut. Insgesamt beschäftigt Mercedes im Lkw-Bau in Wörth 12.000 Mitarbeiter. Am Standort gibt es außerdem den Sonderfahrzeugbau, für Kundenbestellungen, die so aufwendig sind, dass sie nicht am Band erledigt werden können, und verschiedene Entwicklungsbereiche. Wörth dient auch als Leitwerk für die Lkw-Fabrik im türkischen Aksaray, dessen Chef Daum in Personalunion ist.

„Wir haben eine sehr flexible Produktion, sowohl was die einzelnen Produkte als auch die Nutzungszeiten angeht,“ so der Manager. Während im Grundsatz mit einem Zwei-Schicht-Betrieb zu je acht Stunden geplant wird, kann die Nutzungszeit zwischen 80 Stunden und 102 Stunden in der Woche je nach Auftragslage in Abstimmung mit dem Betriebsrat angepasst werden. Dabei erhalten die Mitarbeiter stets ihr Gehalt auf Basis der tariflichen 35-Stunden-Woche, Überzeiten fließen auf das Zeitkonto. Weil die Nutzfahrzeugbranche in den vergangenen zwei Jahren deutlich stärker geboomt hat als üblich, hat Daimler darüber hinaus Zeitarbeiter beschäftigt, die in der Regel einen Einjahresvertrag erhielten. Eine Konzern weite Betriebsvereinbarung stellt dabei die gleiche Bezahlung wie die Stammbelegschaft sicher. „Zum Jahresende werden wir die Zahl der Zeitarbeiter auf Null reduzieren,“ bestätigt Daum erstmals offiziell die Pläne, die zuvor bereits vom Betriebsrat angekündigt worden waren. Von den insgesamt 900 Zeitarbeitern laufen 700 Verträge planmäßig aus, die restlichen 200 wurden vorzeitig gekündigt. Mit dieser Fertigungsstruktur wurde Wörth in diesem Jahr in einer internen Erhebung zum effizientesten Werk in der Lkw-Sparte von Daimler ausgezeichnet. Damit sieht Daum den Standort deshalb auch für die Zukunft gerüstet – zumal an weiteren Produktivitätsfortschritten permanent gearbeitet werde.

Auf den branchenüblichen zyklischen Nachfragerückgang hat sich das Werk ebenso wie die anderen Standorte der Sparte bereits seit langem vorbereitet. „Wir haben das in einer Art Feuerwehrübung simuliert,“ so Daum. Deshalb schrecke ihn ein Markteinbruch von 20 Prozent gegenüber einer Nachfragespitze nicht. „Wer das nicht managen kann, macht etwas falsch.“ Die aktuelle Situation hat seiner Ansicht nach aber nichts mit einer normalen Abkühlung zu tun. Während der Warenaustausch in Europa eine jährliche Durchschnittsnachfrage von 320.000 bis 350.000 Lkw über acht Tonnen erzeugt, liegt der Bestelleingang der Hersteller derzeit praktisch brach. „Es lassen sich im Moment überhaupt keine Prognosen treffen. Deshalb fahren wir die Produktion auf Sicht,“ so Daum. Die Produktionsdrosselung des ersten Quartals deshalb auf das Gesamtjahr hochzurechnen, hält er für verfrüht. „Dann würde unser ganzes Wirtschaftssystem zum Stillstand kommen.“