München. Die Autobranche wartet seit Jahren auf eine Reform der Kfz-Steuer. Automobilwoche sprach darüber mit Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie.
"Das wäre ein ökologischer Treppenwitz"
Die Grundidee ist, Neufahrzeuge mit vergleichsweise geringen CO2-Werten zu entlasten und Pkw, die unter einem bestimmten Schwellenwert liegen, für einen gewissen Zeitraum von der Kraftfahrzeugsteuer freizustellen. Bei den Neufahrzeugen sollte jedes Gramm CO2 gleich belastet werden, das heißt, wir plädieren für einen linearen Verlauf der Steuersätze.
Wir sehen die Grenzwerte in der Größenordnung von 110 bis 120 Gramm. Darüber kann man ebenso reden wie über die Frage des Einführungßeitpunkts. Klar ist aber, dass man die Fahrzeuge mit den geringsten Werten von der Steuer freistellen muss, wenn man Anreize für den Klimaschutz schaffen will. Der durchschnittliche Käufer von kleinen und mittleren Volumenmodellen verfügt über ein Einkommen von weniger als 2000 Euro. Wenn er durch die neue Kfz-Steuer in Kombination mit einem niedrigen Benzinverbrauch mehrere Hundert Euro im Jahr sparen kann, überlegt er sich natürlich den Kauf eines Neuwagens.
Eine Steuerreform, die den Altbestand überhaupt nicht einbezieht, halte ich für einen ökologischen Treppenwitz. Wer die anspruchsvollen Klimaschutzziele erreichen will, muss zumindest für eine gewisse Zeit ältere Fahrzeuge mit hohen Emissionen moderat belasten. Dabei sollte eine zusätzliche Belastung im Wert einer halben Tankfüllung möglich sein. Eine Verjüngung des Altbestandes um ein Jahr würde die Einsparung von 800 Millionen Liter Kraftstoff beziehungsweise zwei Millionen Tonnen CO2 im Jahr bringen.
Weil wir das bei der letzten Kfz-Steuerreform Mitte der 90er-Jahre mit großem Erfolg getan haben. Diese Reform, die ich als damaliger Bundesverkehrsminister auf den Weg gebracht habe, war umwelt- und industriepolitisch ein großer Erfolg. Durch die steuerliche Belastung der alten Dreckschleudern haben wir die Emissionen deutlich gesenkt und über mehrere Jahre hinweg den Absatz von verbrauchsärmeren Neufahrzeugen angekurbelt. Es spricht also nichts dagegen, das damalige Modell an die heutigen CO2-Ziele anzupassen. Dazu darf die Politik aber nicht bei jedem Aufkommen von Populismus zurückschrecken.
Das Thema ist meiner Ansicht nach noch nicht verloren. Sowohl die Bundeskanzlerin als auch andere politische Kräfte wollen die Neuordnung. Bis zur Sommerpause Ende Juni sollten allerdings die Grundsatzentscheidungen gefallen sein. Bereits jetzt sorgt das jahrelange Gezerre für eine hochgradige Verunsicherung der Autokäufer. Dabei sollte die Politik auch daran denken, dass der deutsche Autohandel und das Kraftfahrzeuggewerbe, die im Gegensatz zu den Automobilherstellern nicht vom Export profitieren können, seit Jahren unter der lahmenden Binnenkonjunktur leiden. Mit Sorge beobachte ich aber den wachsenden Populismus.
Es ist noch zu früh für eine abschließende Bewertung. Wir haben aber festgestellt, dass vor der Einführung der CO2-Steuer Fahrzeuge, die hoch belastet werden sollten, Ende 2007 noch einmal stark nachgefragt wurden. In der Folge gingen die Verkäufe in den ersten drei Monaten dieses Jahres zurück. Die Frage ist, ob sich das über das gesamte Jahr hinweg ausgleicht.
Die Bundeskanzlerin hat ja vor wenigen Tagen erklärt, dass sie an der europäischen Biokraftstoffstrategie, also der Beimischung von zehn Prozent bis 2020, festhalten will. Damit ist auch der fünfprozentige Anteil, der bisher bei der EU-Kommission bei der CO2-Regulierung für Biosprit vorgesehen war, weiter gesichert. Trotzdem bin ich nicht glücklich über die Sprunghaftigkeit der deutschen Politik beim Biosprit.
Das Gespräch führten Matthias Krust und Guido Reinking
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