Mit unserem neuen Kooperationsmodell "Daimler Supplier Network“ wollen wir den strategischen Einkauf und unsere Lieferantenbeziehungen noch effizienter steuern. Zum ersten Mal teilen wir die Lieferanten in drei Segmente ein und knüpfen daran jeweils spezifische Erwartungen, verbunden mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten. Rund 50 Zulieferer bilden dabei als strategische Partner die exklusivste Gruppe, in der zweiten Gruppe finden sich die Key Suppliers und schließlich gibt es noch die große Basis aller Lieferanten.
"Wir haben schon lange mit dem Armdrücken aufgehört"
In der Pkw-Einkaufsorganisation ist - neben einer Top-Performance - das jährliche Einkaufsvolumen eines Zulieferers mit uns ein wichtiges Kriterium. Wir haben etwa 250 Millionen bis 300 Millionen als Schwellenwert definiert. Deshalb sind in dieser Gruppe praktisch alle großen etablierten Zulieferunternehmen vertreten. Es können aber auch kleine Unternehmen dazu gehören, die bei bestimmten Innovationen führend sind - nicht zuletzt bei alternativen Antrieben und der Batterietechnik. Ob groß oder klein, müssen die Lieferanten in unserer Beurteilung zu den absolut Besten gehören.
Wir beurteilen unsere Lieferanten jeden Monat neu anhand von vier Kriterien. Das ist zum einen die relative Kostenposition sowie die wirtschaftliche Stabilität, die in der aktuellen Krise deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Zum zweiten beurteilen wir die Qualität, drittens die Logistik und viertens die Innovationsfähigkeit. Anhand der gewichteten Gesamtnote entscheiden wir, wie der Lieferant eingestuft wird. Zu den strategischen Partnern kann aber nur gehören, wer in jeder Kategorie Spitzenwerte erreicht. Wichtig ist zu sagen, dass das System durchlässig ist. Es wird also Aufsteiger und Absteiger geben.
Das ist richtig. Wir nehmen jedes Jahr eine Neueinstufung vor. Wer eine erstklassige Performance bietet und eine wichtige Innovation gemacht hat, kann aufsteigen. Auch ein Lieferant aus der Basis hat die Möglichkeit, direkt zu den strategischen Partnern aufzurücken.
Selbstverständlich wollen wir im Rahmen unserer Zusammenarbeit auch kontinuierlich effizienter werden und damit unsere Einstandskosten noch weiter senken. Eine genaue Zahl will ich Ihnen dazu nicht nennen, ich möchte aber ausdrücklich betonen, dass wir in Preisverhandlungen schon lange mit dem Armdrücken aufgehört haben. Das bringt nur faule Kompromisse, die wir nicht wollen. Vielmehr erwarten wir von unseren Lieferanten, dass sie bis Ende 2010 für jede Komponente und jedes Modul den von uns kalkulierten Preis erreichen.
Wir kalkulieren von Grund auf alle Komponenten unter Benchmark- und Best-Practice-Gesichtspunkten. Dabei nutzen wir über Jahre erworbenes Wissen. Das sind also keine Mondzahlen, sondern realistisch zu erreichende Werte. Ein Beispiel: Wir können genau sagen, was eine Türverkleidung für eine bestimmte Baureihe heute unter idealen Bedingungen kostet. Nun ist möglicherweise ein Lieferant noch nicht auf dem von uns gewünschten Niveau. Dann legen wir gemeinsam die beiden Kalkulationen übereinander und schauen, woher die Differenz stammt. Möglicherweise sind die Maschinenstundensätze zu hoch, zu viele Komponenten werden noch zu teuer bezogen bzw. gefertigt oder die Gewinnerwartungen sind zu anspruchsvoll. Durch diese transparente Ermittlung der relativen Kostenposition ergibt sich eine sachliche Diskussion. Konkret erwarten wir nun, dass die Deckungslücke zwischen Zielpreis und tatsächlichem Preis bis Ende 2010 geschlossen wird.
Insbesondere die strategischen Partner müssen unser Zielsystem verstanden haben und akzeptieren. Aber natürlich gilt dies generell für alle Lieferanten. Wir sind uns aber auch darüber im Klaren, dass manche Maßnahmen etwas mehr Zeit brauchen. Nur muss wenigstens der Weg dahin erkennbar sein.
Diejenigen, die unsere Ziele der Referenzkalkulation erfüllen, genießen bestimmte Vorzüge. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir dann bestimmte Bedarfe nicht mehr ausschreiben, sondern direkt vergeben. Die strategischen Partner binden wir außerdem frühzeitig in unsere strategischen Überlegungen mit ein. Wir sagen etwa, welche Bedeutung wir künftig dem Nafta-Raum beimessen oder legen unsere Innovationen offen. Oder wir bieten ihnen statt den üblichen Einjahresverträgen längere Laufzeiten von drei bis zu Life-Time-Vereinbarungen an. Das gilt auch für Key Suppliers. Durch längere Laufzeiten können wir auch intern eine Menge an Verwaltungsaufwand einsparen.
Das Zielsystem der Referenzkalkulation wurde im Zusammenhang mit dem Core-Programm erstellt. Seither wurde es verfeinert. Bis Ende 2010 wollen wir im Pkw-Einkauf mit dem bestehenden technischen Konzept in den Fahrzeugen und bezogen auf die dann realisierten Stückzahlen flächendeckend auf Benchmark-Niveau sein. Allerdings variiert die absolute Größe ständig, weil der technische Fortschritt einerseits die Zielpreise drückt und zum Beispiel auch Materialpreisbewegungen das Niveau nach oben oder unten verändern. Unsere Ziele sind daher selbstschärfend.
Mit unserer Modul-Strategie werden wir darüber hinaus ein neues, signifikant niedrigeres Kostenniveau erreichen. Durch die Vereinheitlichung von Modulen über alle Mercedes-Baureihen hinweg wollen wir zusätzliche Skaleneffekte erschließen. Bis Ende des Jahres wollen wir etwa 100 geplante Module technisch definiert haben und das Konzept sukzessive über alle Baureihen ausrollen. Es gibt dann Modulhefte etwa zu Türverkleidungen, Kombiinstrumenten bis hin zum Automatikgetriebe. Wir arbeiten auch daran, den Transporterbereich stärker einzubeziehen, um weitere Vereinheitlichungen und Größeneffekte zu erreichen.
Hier ist es aufgrund des einzigartigen Fahrzeugkonzepts sehr schwer, Vereinheitlichungspotenzial mit Mercedes-Benz zu erkennen. Man kann sich etwa überlegen, ob Smart ein Radiosystem, das wir auch bei Mercedes einsetzen, verwendet.
Wir beziehen bereits heute zahlreiche Systeme von nur einem einzigen Lieferanten. Das Einspritzsystem für den neuen Vierzylinder-Dieselmotor OM 651 etwa stammt von Delphi. Das wird auch, wenn wir hohe Stückzahlen erreichen, so bleiben. Ein zweiter Lieferant wäre bei Vorentwicklung und Testing eines solch komplexen Bauteils viel zu teuer. Umgekehrt überprüfen wir über unseren Einkaufsbedarf hinweg regelmäßig, ob wir zu monopolistische Strukturen haben und wir einen zusätzlichen Lieferanten aufbauen, der für mehr Wettbewerb sorgt.
Dieses Kriterium hat durch die Krise stark an Bedeutung gewonnen und ist ganz hoch gewichtet. Wir brauchen neben der hohen Liefersicherheit vor allem Partner, die mit uns die Innovationen vorantreiben und auch in neue Regionen gehen können. All das geht nur auf Basis einer gesunden wirtschaftlichen Situation.
Wie ich bereits erklärt habe, basieren unsere Preisvorstellungen auf realistischen Kalkulationen, die jedem Lieferanten ein vernünftiges Auskommen sichern. Dass viele Zulieferer derzeit Probleme haben, kann mehrere Gründe haben. Zunächst einmal ist für Unternehmen derzeit generell schwierig, Kredite zu bekommen. Viele Zulieferer sind allein dadurch in eine finanzielle Schieflage geraten. Dies gilt insbesondere für Lieferanten mit einem Private-Equity-Eigentümer, der dem Unternehmen eine hohe Schuldenlast aufgebürdet hat. Da reicht der Gewinn angesichts der Absatzschwäche oftmals nicht, um auch noch Zukunftsinvestitionen zu decken.Wir stellen zudem auch fest, dass mangelnde Management-Qualität eine weitere wesentliche Ursache ist.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Firmen mit einem geringen Wertschöpfungsanteil und einer extremen Abhängigkeit von Rohstoffpreisen stärker gefährdet sind als andere. Es geht dabei aber nicht nur um Insolvenzen.
Ein nicht unerhebliches Problem ist, dass zahlreiche Lieferanten mittlerweile nicht mehr in der Lage sind, die Vorentwicklungen zu finanzieren. Außerdem sind einige auch bereit, Verträge von ihrer Seite aufzukündigen, falls sich keine Preissteigerungen erzielen lassen.
Häufig gelingt es uns, aufgrund unserer gewachsenen Beziehungen eine Priorisierung unserer Projekte beim Lieferanten zu erreichen. Dabei hilft natürlich unsere Markenstärke und Zukunftsfähigkeit. Zum Teil übernehmen wir auch selbst die Vorentwicklung. In Einzelfällen diskutieren wir auch über eine verkürzte Laufzeit der Umlagen. Von direkten Stützungsmaßnahmen sind wir schon seit längerem weitestgehend weggekommen. Meistens finden wir eine andere Lösung.
Das ist nicht unsere Aufgabe. Man muss auch zugeben, dass man nicht die komplette Supply-Chain vollständig überprüfen und kontrollieren kann. Wir verfügen über ein seit Jahren gewachsenes Monitoring-System. Damit erkennen wir Problemfälle ziemlich früh und versuchen dann bereits im Gespräch mit dem Management gegenzusteuern. Bei unseren Tier1-Lieferanten haben wir das ganz gut im Griff. Häufig geraten aber Tier2-Zulieferer in Schwierigkeiten, die uns gar nicht direkt beliefern. Zurzeit laufen nach unseren Beobachtungen im Schnitt in der Woche zwei Insolvenzfälle auf.
Einmal wöchentlich treffen sich alle relevanten Bereiche und wir besprechen die Situation aller auf Basis der Rahmendaten als kritisch anzusehenden Lieferanten. Dann legen wir fest, welche Präventiv oder Akut-Maßnahmen wir brauchen - etwa auch, ob wir an einen alternativen Lieferanten denken müssen. Das kann bei Stützungsmaßnahmen auch Vorstandsbeschlüsse erfordern. Wenn eine Insolvenz eingetreten ist, unterstützen wir dabei, Interessenten oder Investoren zu finden, die mehrheitlich einsteigen und am Besten mit Synergieeffekten das Unternehmen sanieren und weiterführen. Klar ist aber, dass wir nicht jeden Lieferanten unterstützen können. Das würde nicht zuletzt unsere finanziellen Mittel überfordern. Unser Fokus ist insgesamt ein anderer.
Wir sind bei der Identifikation möglicher Problemfälle und der Prävention schon sehr weit. Nun geht es aber darum, aus der Negativ-Liste eine Positiv-Liste zu machen. Das heißt, dass wir derzeit jede Materialgruppe durchgehen und die für uns in Zukunft strategisch wichtigen Lieferanten definieren. Die muss man, wenn es kritisch wird, auf jeden Fall unterstützen.
Wir haben grundsätzlich keine Ziele für das Einkaufsvolumen in bestimmten Regionen festgelegt. Es ist aber klar, dass in unsere Referenzkalkulation immer der günstigste Preis für ein bestimmtes Teil mit einer bestimmten technischen Spezifikation einfließt. Wenn wir also meinen, dass es ohne technologische Probleme in Osteuropa gefertigt werden kann, wird auch dieser Preis als Referenz hinterlegt. Grundsätzlich sehen wir für unser europäisches Pkw- und Van-Geschäft Osteuropa als den Niedrigkosten-Beschaffungsmarkt, denn aufgrund der hohen Logistikkosten etwa macht es wenig Sinn, große Volumina für Europa in China oder Indien einzukaufen.
Das ist richtig. Bei der aktuellen C-Klasse dürfte der Lieferanteil aus Osteuropa bereits bei etwa 35 Prozent liegen. Eine solche Größenordnung streben wir für die ganze Sparte an.
Das würde ich so nicht sagen. Der Trend nach Osteuropa ist zwar erkennbar und den brauchen wir auch, sonst erreichen wir die notwendige Kostenposition im Wettbewerb nicht. In Zukunft wird es aber noch genügend anspruchsvolle Technologien geben, die nur hier entwickelt und im Anlauf produziert werden können. Die LED-Technik zum Beispiel. Möglicherweise wird die Serienfertigung später in günstigere Standorte verlagert. Wichtig ist aber auch zu erwähnen, dass wir in diesem Zusammenhang immer noch Teile von etablierten Zulieferern aus deren osteuropäischen Standorten beziehen. Rein osteuropäische Zulieferer, die wettbewerbsfähig sind, gibt es bisher kaum.
Ja, wir bauen unser Büro in Mexiko derzeit aus, um von dort den Nafta-Raum, also unter anderem unser SUV-Werk in Tuscaloosa, zu versorgen. Derzeit liegt unser Lieferanteil aus Mexiko bei rund 15 Prozent. Ich halte auch hier den genannten angestrebten Anteil von 30 bis 35 Prozent für machbar. Im Vergleich zu Osteuropa gibt es dort übrigens bereits eine ziemlich leistungsstarke regionale Zulieferindustrie. Mit dem verstärkten Einkauf in Mexiko erhöhen wir zudem auch unsere natürliche Absicherung gegen Kursschwankungen des Dollar. Für unsere chinesischen Pkw- und Transporter-Werke kaufen wir vor Ort ein, um den gesetzlich geforderten Local-Content-Anteil zu erreichen, dieser liegt aktuell bei 40 Prozent.
Ich kann nur sagen, dass wir uns in sehr konstruktiven Verhandlungen befinden. Das läuft alles sehr effizient. Zu den Details der Gespräche und zu den Spekulationen über bereits vereinbarte Kooperationsthemen will ich mich hier nicht äußern. Grundsätzlich - und ich betone gänzlich unabhängig von BMW - sehe ich aber für potentielle Kooperationen ein großes Einsparungspotenzial bei der Standardisierung von nicht-markenspezifischen Komponenten. Durch die Schaffung von Standards fallen nur einmal Entwicklungskosten an und später können im Einkauf Skaleneffekte genutzt werden. Das sind generell die beiden Aspekte von solchen Kooperationen, denen wir offen gegenüber stehen, wenn beide Seiten von einer Zusammenarbeit profitieren.
Stimmt: Aufgrund von unterschiedlichen Modellzyklen etwa lassen sich Effekte erst über Jahre hinweg generieren. Das größte Potenzial gibt es deshalb bei der Entwicklung von neuen Modellen und besonders bei alternativen Antrieben, weil wir da noch vergleichsweise am Anfang stehen. Die Kreativität der Entwickler ist natürlich ein Stück weit eingeschränkt, wenn man sich erst einmal auf ein bestimmtes Modulheft geeinigt hat.
Mercedes-Benz Cars und Vans verfügt derzeit über 1500 Lieferanten, von denen die 250 größten Unternehmen allein 80 bis 90 Prozent des gesamten Einkaufsvolumens der Mercedes-Sparte repräsentieren.
Die Einkaufsorganisation ist direkt Daimler-Finanzvorstand Bodo Uebber zugeordnet. Für den Einkauf von Mercedes-Benz Cars und Vans ist Frank Deiss verantwortlich. Sein Kollege Stefan Buchner ist der Chefeinkäufer für Lkw und Busse. Heinrich Reidelbach leitet den Einkauf für Nicht-Produktionsmaterialien.
Deiss - der fachlich an den Mercedes-Benz Cars-COO Rainer Schmückle berichtet - führt sieben Bereichsleiter, die für eine Materialgruppe und gleichzeitig in einer Matrixorganisation für eine bestimmte Baureihe verantwortlich sind.
Im Procurement für Pkw- und Vans arbeiten weltweit 700 Mitarbeiter. Neben den deutschen Standorten Untertürkeim (Powertrain) und Sindelfingen (Aufbau) gibt es große Einkaufsbüros u.a. in China, Indien und Singapur sowie in Südafrika und neuerdings auch in Mexiko. Durch das im Frühjahr 2005 gestartete und im September 2007 abgeschlossene Core-Programm hat die Pkw-Sparte gegenüber dem Referenzwert 2004 bereits 1,5 Milliarden Euro bei den Materialkosten gespart. Nach Informationen der Automobilwoche sollen bis 2010 mindestens weitere 750 Millionen Euro wegfallen, der Modul-Baukasten soll das Einkaufsvolumen nochmals um mehr als zwei Milliarden Euro drücken.
Die Bereitschaft, sich auf dieses Thema einzulassen, ist stark gestiegen. Allerdings habe ich Zweifel, dass man bezogen auf alle oder auch nur die deutschen Hersteller flächendeckend zu übergreifenden Standards kommen wird. Dazu sind die Interessen aus meiner Sicht einfach zu unterschiedlich. Viel Erfolg versprechender ist deshalb, dass man im Rahmen von Kooperationen mit einem oder zwei Partnern an dieser Stellschraube dreht - das kann auch rein Projekt bezogen sein. Damit erreicht man das Ziel aber deutlich schneller und effizienter. Ein Beispiel: Mit unseren Kooperationspartnern RWE bei Elektroautos und Evonik bei der Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterie geht es vor allem darum, frühzeitig Industriestandards zu schaffen.