Bietigheim-Bissingen. Die Dürr AG sieht enorme Wachstumspotenziale in der Klebetechnik – im Automobilbau und der allgemeinen Industrie. "Wir wollen spätestens 2015 mit der Klebetechnik einen Umsatz von 50 Millionen Euro schreiben“, kündigte Dürr- Chef Ralf Dieter im Gespräch mit der Automobilwoche an. Vor Kurzem hat der Lackieranlagenhersteller und Maschinenbauer den Klebetechnik-Spezialisten Helmut Rickert GmbH übernommen. Das in Wolfsburg ansässige Unternehmen konzentriert sich auf Anwendungen im Rohbau. Zu Jahresbeginn wurde bereits die Klaus Kleinmichel GmbH erworben, ein Spezialist für das Kleben in der Endmontage. Mit beiden Akquisitionen hat Dürr ein neues zukunftsträchtiges Geschäftsfeld aufgebaut, das auf einen Umsatz von 15 Millionen Euro kommt. Der im S-DAX gelistete Konzern ergänzt mit den Klebeaktivitäten auch seine Geschäfte im verwandten Feld der Versiegelung im Lackierprozess.
Mit Klebetechnik wachsen
Die Zukäufe sind Teil der neuen Strategie von Dieter: "In den kommenden Jahren streben wir ein jährliches Konzernwachstum zwischen fünf und zehn Prozent an.“ Dies soll durch die Expansion in Schwellenländer, Produktinnovationen und neue Geschäftsaktivitäten erreicht werden. Während sich das Kleben im Automobilbau vor zehn Jahren in der Einführungsphase befand, wird dieser Markt heute auf ein Volumen von über 150 Millionen Euro geschätzt. "In den nächsten Jahren dürfte er weiter sehr stark wachsen“, so Hans Schumacher, Leiter des Dürr-Geschäftsbereichs Applikationstechnik, zu dem die Klebetechnik gehört. Vor allem im Rohbau wird das Kleben seiner Ansicht nach einen immer breiteren Einsatz finden und traditionelle Fügeverfahren wie das Schweißen verdrängen. "Ein wichtiger Treiber ist der Leichtbau und damit der Einsatz verschiedenster Materialien, die nur durch Kleben verbunden werden können“, erklärt Schumacher.
Die Vorteile der Klebetechnik liegen laut Dürr auf der Hand: Im Leichtbau reduziert der Einsatz eines Kilogramms Klebstoff das Gewicht der Rohkarosse um 25 Kilogramm. Die Steifigkeit und die Crashsicherheit werden erhöht. Dazu lässt sich bei einem Mittelklassewagen die Hälfte der 5000 Schweißpunkte, die jeweils fünf Cent kosten, durch Kleben einsparen, wodurch die Karosserie um rund 70 Euro billiger wird. Im Rohbau will Dürr als reiner Applikationsanbieter auftreten und die Integration Unternehmen wie Edag und Kuka überlassen. In der Endmontage wird Dürr dagegen komplette Roboterzellen für das Kleben liefern. Neben dem üblichen Scheibenkleben werden heute etwa auch das Cockpit und die Reserveradmulde teilweise geklebt. "Weitere Geschäftschancen gibt es bei Zulieferern – etwa beim Zusammenbau von Scheinwerfern und Türmodulen“, ist Schumacher sicher. Dürr-Chef Dieter: "Während die beiden zugekauften Unternehmen stark auf Deutschland konzentriert waren, können wir die Klebetechnik nun weltweit anbieten. Wir stoßen dabei auf großes Interesse – auch in China.“