Rennsiege in den USA als Verkaufsargument

Atlanta. Als Vorsitzender von Porsche North America und somit als Chef im größten Porsche-Markt der Welt steht Detlev von Platen bei den Rennen der American Le Mans Series (ALMS) unter Druck. Denn in dieser Rennserie geht es nicht nur um Siege der Porsche-Werksfahrer Jörg Bergmeister, Patrick Long und Marc Lieb, sondern vor allem um seine Absatzzahlen: "Wer hier gewinnt, hat auch auf dem noch immer größten Sportwagenmarkt der Welt gute Karten.“

Das weiß auch Entwicklungsvorstand Wolfgang Dürheimer, der nicht umsonst an die abenteuerliche Berg- und Talbahn bei Atlanta gekommen ist: "Nirgendwo ist die Verbindung von Straße und Strecke so eng wie hier in Amerika.“ Schon die ersten Porsche, die vor exakt 60 Jahren in New York angelandet wurden, waren vor allem für die Rennstrecke bestimmt. Und heute gibt es kein Land, in dem mehr Sportwagen aus Zuffenhausen über die Rundkurse jagen. Außerdem ist die Fangemeinde nirgends größer: In Amerika sind über 500.000 Porsche auf der Straße, und der Porsche-Club ist mit 80 000 Mitgliedern der größte Kundenclub der Welt. Porsche weiß also, um was es hier geht: "Erfolge im Rennen machen erst Schlagzeilen und dann Stückzahlen“, sagt Dürheimer.

Wie viel Porsche sich das Engagement in der ALMS kosten lässt, will Sportchef Hartmut Kristen nicht verraten: "Doch wie immer bei Porsche schauen wir auch im Motorsport aufs Geld und finanzieren mit dem Verkauf der Cup-Fahrzeuge zum Teil die Entwicklung unserer Rennwagen und den Einsatz unserer Werksfahrer.“ Das gelingt Porsche leichter als anderen. Immerhin verkauft die Marke neben den Straßen- auch hunderte von Rennautos pro Jahr, die alle repariert, gewartet und mit Ersatzteilen versorgt werden wollen. Allein beim Saisonfinale der American Le Mans Series sind in den verschiedenen Klassen zwei Dutzend Porsche am Start, und weltweit fahren jedes Wochenende rund 5000 Elfer irgend ein Rennen, erläutert Pressesprecher Oliver Hilger.

Die amerikanische Motorsport-Abteilung hat mit ihrem Service-Truck deshalb auch in Road Atlanta gut zu tun. Und falls einen Wagen mal nicht auf Anhieb flott bekommen, haben sie Nachschub parat: Für rund 180.000 Dollar verkaufen sie den Cup-Sportler von dem jedes Jahr rund 250 Exemplare zwischen den ganz normalen Serienmodellen gebaut werden. Und wer mit Jörg Bergmeister um die Wette fahren will, bekommt für gut das Dreifache einen von etwa zwei Dutzend handgemachten GT3 RSR, berichtet Kristen: "Da fließt also einiges von unserem Invest wieder zurück.“

In Atlanta geht es Porsche aber nicht allein um die sportliche Seite. Sondern zum ersten Mal starten sie in den USA auch mit ihrem 911 GT3 Hybrid. Der rasante Prototyp mit dem Schwungrad-Speicher, der bereits beinahe die 24-Stunden vom Nürburgring gewonnen hätte, wirbt für die Idee von der "Intelligent Performance“ und soll den Amerikaner die Angst vor dem Spritsparen nehmen: "Damit lernen wir nicht nur sehr viel für die Serienentwicklung von Fahrzeugen wie dem 918 Spyder“, sagt Sportschef Kristen. "Sondern wir zeigen eindrucksvoll, welches Potenzial im Hybridantrieb steckt und wie schnell man mit so einer Technik unterwegs ist.“ Dafür bekommen die Schwaben sogar ein Lob von den amerikanischen Umweltbehörden. Während Bergmeisters 911 GT3 RSR zum effizientesten Sportler der Serie gekürt wird, rühmt Margo Oge, die Direktorin des amerikanischen Office of Transportation and Air Quality, den Hybriden als vielversprechenden Boten aus der Zukunft des Rennsports: "Wie könnte man besser beweisen, dass Autofahren auch morgen noch Spaß macht, als mit solchen Fahrzeugen.“

Zwar kommen zu den Rennen der ALMS anders als bei der Nascar- oder der Indy-Serie nicht viele hunderttausend Fans, und von Einschaltquoten im dreistelligen Millionenbereich kann Veranstalter Don Panoz auch nur träumen. Doch holt er dafür die PS-Elite des Landes an die Strecke. "Wer diese Rennen schaut, gehört ganz klar zu unserer Zielgruppe“, sagt US-Chef von Platen. "Diese Fans schwärmen nicht nur von einem Porsche, sondern können ihn sich auch leisten.“ Das gilt vor allem für die GT-Klasse, wo die Rennwagen zumindest der Form nach noch an die Straßenfahrzeuge erinnern, selbst wenn am Ende doch kaum eine Schraube gleich ist.

Weil auch die anderen Hersteller um die alte Formel "Win on Sunday, sell on Monday“ wissen, ist das Feld ausgesprochen prominent besetzt: Neben Porsche, Corvette und Ferrari fahren deshalb auch Teams mit Werksunterstützung im BMW M3 und im Jaguar XK. Da fehlen eigentlich nur noch Lamborghini und aus Deutschland die Rennversionen von Mercedes SLS und Audi R8. Doch zumindest die Ingolstädter sind in Road Atlanta trotzdem präsent. Weil das Rennen auch für den International Le Mans Cup zählt, fighten sie hier im R15 TDI mit dem Peugeot 908 HDI in der Prototypen-Klasse um Punkte.

Die Fans werden von den Herstellern ordentlich hofiert. Nicht weit von der Boxengasse gibt es direkt an der Strecke wie daheim in Zuffenhausen einen "Porsche-Platz“, wo sich die Kunden treffen, an manchen Tagen hunderte Autos vom alten 356er bis zum neuen GT2 parken und wo der Vorstand regelmäßig eine Stippvisite macht. Damit sind die Schwaben freilich nicht alleine: Gegenüber im Corvette Corral stehen an einem Wochenende wahrscheinlich mehr US-Sportwagen, als die Amerikaner in Europa in einem ganzen Jahrzehnt verkaufen, und selbst bei Ferrari ist Full House. Doch obwohl man an einem ALMS-Wochenende im Infield mehr Luxusautos sieht als in Beverly Hills oder Miami, ist das Rennen keine elitäre Veranstaltung: Die Stimmung ist locker, rund um die Strecke wachsen Zeltstädte aus den Wäldern wie an der Nordschleife des Nürburgrings, und Fahrer eines Ferrari oder Aston Martin hat es sogar geschafft, einen Grill und ein paar Campingstühle in den kleinen Kofferraum zu quetschen.

Zur entspannten Atmosphäre trägt auch die ungewöhnliche Offenheit von Hersteller, Teams und Piloten bei: Im Fahrerlager geht es zu wie auf einem Jahrmarkt, die Boxengasse ist bis kurz vor dem Rennen eine öffentliche Flaniermeile, und bevor die Piloten Gasgeben, müssen sie alle zusammen eine Stunde lang Autogramme schreiben. "Wer da schwänzt, zahlt stattliche Strafen“, sagt Saison-Sieger Bergmeister und eilt zum Tisch vor seiner Box, an dem die Fans schon Schlange stehen.

Viele lassen Poster signieren, manche kommen mit Modellautos oder Helmen. Aber einige haben auch die Bedienungsanleitung oder andere Unterlagen ihres eigenen Porsche dabei. Die Unterschrift des Werksfahrers ist für sie wie ein weiteres Gütesiegel, es erhöht den Stolz auf das eigene Auto und steigert vielleicht sogar irgendwann mal seinen Wert. "Ich fahre seit 20 Jahren Porsche und drehe oft selbst mal ein paar schnelle Runden auf der Rennstrecke“, sagt Steve, der mit einem roten GT2 nach Atlanta gekommen ist und jetzt ebenfalls in der Schlange steht. "Was die hier zaubern, Mann, das ist echt eine Wucht. Es kommt halt doch auch auf den Fahrer an“, räumt er kleinlaut ein.

Auf die rasenden Politur fürs Markenimage setzen bei der American Le Mans Series übrigens nicht nur die Hersteller, die ihre Teams ins Rennen schicken. Sondern angeblich hat selbst Don Panoz hat die Serie nur deshalb ins Leben gerufen, weil er seine exotischen Sportwagen ein wenig promoten wollte. Das allerdings war nur von mäßigem Erfolg gekrönt: Mehr als ein Dutzend Autos pro Jahr hat er seitdem nicht verkauft.