Zwangsdiät für Zulieferer

München. Die Rechnung ist einfach, das Ergebnis liegt auf der Hand, die Folgen betreffen in Westeuropa rund 40 Prozent der Zulieferer: Wenn ein Hersteller einen Vierzylinder- durch einen Dreizylindermotor ersetzt, büßen manche Zulieferer bis zu einem Viertel ihres Umsatzes ein. „Durch das Downsizing geht die Wertschöpfung deutlich zurück. Am stärksten betroffen sind Motorblock- und Gussteilehersteller sowie Lieferanten von Kolben, Pleueln und Ventilen“, sagt Wolfgang Bernhart, Partner der Unternehmensberatung Roland Berger.

In Europa kam der Trend zum Downsizing hauptsächlich durch die anspruchsvollen Klimaziele der Europäischen Union ins Rollen. Um die geforderten Grenzwerte zu erreichen, müssen praktisch alle Hersteller ihre CO2- Emissionen massiv senken – wobei die Premiumanbieter mit ihren großen und schweren Autos stärker gefordert sind. Vereinfacht gesagt ist unter Downsizing die Verringerung des Hubraums zu verstehen, während gleichzeitig die Leistung durch einfache oder doppelte Turboaufladung meist sogar gesteigert wird. Dazu kommen je nach Hersteller und Marktsegment Direkteinspritzung, variable Ventilsteuerung, abschaltbare Nebenaggregate und anderes.

In einem ersten Schritt haben viele Hersteller diese Spritspartechnologien in die bestehenden Grundmotoren eingebracht und nur wenig Hubraum eingedampft. „Dadurch sind die Kosten gestiegen. Nun geht es darum, den Aufwand für künftige Emissionssenkungen neutral zu halten“, so Bernhart. Die unten links stehende Beispielrechnung von Roland Berger für einen Reihenvierzylinder-Benzinmotor zeigt die bisherige Kostenentwicklung, das Einsparpotenzial durch die Verringerung auf drei Zylinder sowie künftig notwendige Maßnahmen. Schon heute gibt es diverse Dreizylindermotoren vor allem für Kleinwagen.

Zu den neuesten zählt ein 1,2-Liter-Benziner mit Kompressoraufladung von Nissan, der in den nächsten Monaten im neuen Micra auch nach Europa kommt und nur 95 Gramm CO2 pro Kilometer emittiert. Volkswagen hatte im Polo 2009 einen entsprechenden Turobdiesel mit 87 Gramm CO2 auf den Markt gebracht. Geschlagen wird dieses Aggregat nur vom 0,8-Liter-Smart- Diesel, der lediglich 86 Gramm CO2 ausstößt, mit nur 54 PS aber auch deutlich weniger Leistung bietet. Auch Toyota bringt im Aygo einen Dreizylinder und verkauft diesen zudem an Peugeot und Citroën. „Vor allem im Kleinwagensegment wird sich der Dreizylinder immer mehr durchsetzen und sogar zunehmend in die Kompaktklasse einziehen“, ist Markus Baum, Motorenexperte bei Roland Berger, überzeugt.

Als erster Autohersteller in Europa hat Fiat die Zahl der Zylinder sogar auf zwei gekappt: Der Twin- Air-Motor weist in der 85-PS-Variante im Cinquecento einen CO2- Wert von 95 Gramm auf. Selbst in statusträchtigen Segmenten und bei Firmenwagen scheint der Trend zu kleineren Motoren unaufhaltsam. Hier bieten die Hersteller statt Achtzylindermotoren verstärkt Sechszylinder an. Mercedes etwa setzt in der modellgepflegten S-Klasse seit Kurzem einen Vierzylinder-Diesel ein. Mit einem Verbrauch von 5,7 Liter (CO2-Ausstoß: 149 Gramm) ist der S 250 CDI die derzeit verbrauchsgünstigste Luxuslimousine der Welt.

Während das Downsizing den Umsatz vieler Zulieferer aus der Fraktion Stahl und Eisen abschmelzen lässt, müssen sich alle Unternehmen des Powertrain-Segments auf eine zweite Entwicklung einstellen, die den Wettbewerbsdruck noch einmal enorm erhöht. „Die europäischen Hersteller werden in den nächsten fünf Jahren die Zahl der Motorenfamilien reduzieren und verstärkt zusammen mit Wettbewerbern Aggregate entwickeln“, so Unternehmensberater Baum.

Das bedeutet einerseits weniger Aufträge für das Gros der Zulieferer, während andererseits jene, die eine Order ergattert haben, aufgrund der höheren Stückzahlen Preisnachlässe gewähren müssen. Diese Strategie müssen laut Roland Berger praktisch alle Autoproduzenten verfolgen, die nicht über vier Millionen Neuwagen pro Jahr kommen. „Weil die Hersteller enorme Summen in die Elektrifizierung des Antriebsstrangs investieren müssen, sind sie gezwungen, dies an anderer Stelle einzusparen“, begründet Baum. Allein die Applikationskosten der Motoren für die einzelnen Modelle dürften sich bei einer Hybridisierung des Antriebsstrangs verdoppeln. Da es hier praktisch kein Einsparpotenzial gibt, müssen die Entwicklungskosten der Basismotoren fallen. „Dabei sind im Mittel Kostensenkungen von 20 Prozent möglich“, so der Motorenexperte.

Angesichts dieser Rahmenbedingungen erwartet Bernhart, dass die Profitabilität der Powertrain- Zulieferer in den nächsten Jahren nach unten geht: „Nur einzelne Unternehmen werden es schaffen, über eine EBIT-Marge von drei bis fünf Prozent zu kommen.“ Zu den Profiteuren gehören vor allem Hightech-Lieferanten – etwa Anbieter fortschrittlicher Direkteinspritzungs- und Abgasreinigungssysteme sowie E-Motorenhersteller und Ventiltriebspezialisten. Auf durchschnittlichem Profitabilitätsniveau sieht Roland Berger unter anderem Turbolader-Anbieter, Abgassystem- und Partikelfilterhersteller sowie Produzenten von Kabelbäumen.

Unter Druck geraten dürften Lieferanten von Komponenten wie Lufteinlässe, Katalysatoren, Motorblöcke, Kraftstofftanks sowie Schmiersysteme. Für die betroffenen Lieferanten gibt es nur zwei Wege aus dem Dilemma: Sie müssen ihr Portfolio um neue, zukunftsträchtige Produkte erweitern oder – möglichst gleichzeitig – ihre Stückzahlen deutlich erhöhen. Damit ist eine weitere Konsolidierung abzusehen. „Jetzt ist eine gute Zeit, wieder anzugreifen, weil sich die Liquidität deutlich verbessert hat“, erklärt Bernhart.