München. Outsourcing in der Automobilbranche ist so alt wie die Massenproduktion von Fahrzeugen. Und der Trend ist ungebrochen: Die Autohersteller dürften in den nächsten Jahren ihre Wertschöpfungstiefe weiter reduzieren.
"Durch Outsourcing können die Hersteller gemeinsam mit den Zulieferern neue Märkte schneller erschließen. Außerdem lassen sich dadurch die Kosten deutlich reduzieren und die zunehmende Komplexität besser beherrschen", sagt Wolfgang Meinig von der Forschungsstelle Automobilwirtschaft (FAW) in Bamberg.
Der Wettbewerbsdruck auf die arrivierten Automobilhersteller ist immens: Während sie in den weitgehend gesättigten Märkten einem Verdrängungswettbewerb ausgesetzt sind, entstehen gleichzeitig in den schnell wachsenden Schwellenländern weitere Konkurrenten, die klare Kostenvorteile haben.
Aufgrund dieser extrem herausfordernden Rahmenbedingungen könnte die Entwicklung sogar so weit gehen, dass die seit Jahrzehnten geltenden Definitionen von Hersteller, Zulieferer und Dienstleister über den Haufen geworfen werden. "Viele Automobilkonzerne werden einen Paradigmenwechsel vollziehen und ihre Kernkompetenzen neu festlegen. Während bei den meisten Unternehmen bis heute der Schwerpunkt auf der Produktion liegt, treten viele künftig nur noch als Markenintegratoren auf", prophezeit Meinig. Solche Unternehmen konzipieren zwar noch die Fahrzeuge entsprechend ihrer Marken und Kundenstruktur, überlassen die Entwicklung und Produktion aber darauf spezialisierten Dienstleistern. Gleichzeitig kümmern sie sich viel stärker als bislang um die Markenpflege, den Vertrieb und das Aftersales-Geschäft ("Downstream").
Von der neuen strategischen Ausrichtung könnten Automobilunternehmen, die ihre eigene Fertigung aufgeben, ebenso profitieren wie bereits etablierte Auftragsfertiger wie Magna Steyr, Karmann, Valmet oder Pininfarina. "Möglich ist aber auch, dass die Auftragsfertiger selbst zu Automobilanbietern mit eigenen Marken werden", so Meinig.
Dass solche strukturellen Veränderungen mittlerweile längst stattfinden, zeigt sich am Beispiel Porsche. Der Stuttgarter Sportwagenhersteller lässt mit dem Boxster und dem Cayman eine ganze Baureihe ausschließlich beim finnischen Auftragsfertiger Valmet produzieren. Der gemeinsam mit Volkswagen entwickelte Geländewagen Cayenne wird im VW-Werk Bratislava gebaut, sogar die Grundmotoren kommen vom Wolfsburger Konzern. Damit dürfte Porsche die mit Abstand geringste Wertschöpfungstiefe der gesamten Automobilindustrie aufweisen.
Umgekehrt hat sich der Zulieferkonzern Magna International am Bieterverfahren für die Chrysler Group beteiligt. Wäre er zum Zuge gekommen, wäre er zum Hersteller mit drei eigenen Automobilmarken aufgestiegen.
"Wir gehen davon aus, dass bereits in drei Jahren die Zulieferer rund 75 Prozent der Wertschöpfung auf sich vereinigen und so immer mehr zu kleinen Autoherstellern werden", so Andreas Baier, Automobilexperte bei der Unternehmensberatung Accenture (siehe Interview S. 17). Allerdings brauchen Automobilhersteller seiner Meinung nach einen gesunden Mix aus Eigenfertigung und Auftragsherstellung.
Ein wichtiger Zukunftstrend ist beiden Experten zufolge das Outsourcing von Ingenieurdienstleistungen ("Engineering Services Outsourcing", ESO). Grund: Die Lebenszyklen der Fahrzeuge werden immer kürzer und gleichzeitig steigt die Zahl der Derivate. Accenture beziffert den Umsatz dieser Industrie über alle Branchen auf jährlich 750 Milliarden Dollar weltweit.