Bonn. Das deutsche Kraftfahrzeuggewerbe steht vor einer massiven Flucht aus den Flächentarifverträgen. Da viele Betriebe mit ihrem Austritt aus den Landesorganisationen des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) gedroht haben, falls die Tarifbindung nicht aufgehoben wird, hat ihnen der ZDK eine Tür zur Tarifflucht geöffnet: In einer Klausurtagung beschloss der ZDK-Vorstand einstimmig, seinen Landesverbänden ein Tarifgemeinschaftsmodell zu empfehlen.
Das Modell sieht vor, dass Kfz-Betriebe nach der Kündigung des Tarifvertrags eine Tarifgemeinschaft gründen, die in den Verhandlungen mit der IG Metall die Rolle der Landesverbände einnehmen kann. Bindend sind die Verträge dann nur für jene Betriebe, die sich freiwillig der Tarifgemeinschaft angeschlossen haben.
Bislang konnten Betriebe die Tarifbindung nur umgehen, indem sie aus ihrer Innung und damit aus dem jeweiligen Landesverband des Kfz-Gewerbes austraten. Dem ZDK drohte dadurch der Verlust zahlreicher Mitglieder, die nicht länger an den Tarifvertrag gebunden sein wollen. Mit dem Modell der Tarifgemeinschaften wird es den Kfz-Betrieben nun ermöglicht, Mitglied des ZDK zu bleiben und sich dennoch der Tarifbindung zu entziehen. Die großen Landesverbände Bayern und Baden-Württemberg haben diese Möglichkeit bereits genutzt.
"Es zeichnet sich die Tendenz ab, dass der Flächentarif im bisherigen Sinne durch die Gründung von Tarifgemeinschaften auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird", sagte Harry Brambach, Vorsitzender des ZDK-Tarifausschusses, gegenüber der Automobilwoche.
Erfahrungen mit Tarifgemeinschaften in den neuen Bundesländern und Niedersachsen haben gezeigt, dass nur wenige Betriebe einer solchen Gemeinschaft beitreten. Für Baden-Württemberg, wo der Landesverband den Tarifvertrag gekündigt hat, rechnet Brambach damit, dass 85 bis 90 Prozent der Betriebe der Tarifgemeinschaft fernbleiben und damit künftig nicht an Tarifverträge gebunden sind.
Die IG Metall weigert sich, mit Tarifgemeinschaften zu verhandeln. Dies zeigt der andauernde Tarifkampf in Schleswig-Holstein, wo der Landesverband mit dem Ausstieg aus dem Flächentarif droht. "Wir werden künftig nicht mit einer Tarifgemeinschaft verhandeln", sagt Wolfgang Lorenz, Bezirkssekretär der IG Metall Küste.