Frankfurt. Trotz der Krise auf dem europäischen Absatzmarkt haben die deutschen Autokonzerne im vergangenen Jahr so viel verdient wie nie zuvor: Der Umsatz stieg um 15Prozent auf 384 Milliarden Euro, der operative Gewinn erhöhte sich leicht um 1Prozent auf 28,4 Milliarden Euro. Dies ergibt eine aktuelle Bilanzanalyse der 17 weltweit größten Autohersteller durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young.
Noch stärker als die deutschen Hersteller legten im vergangenen Jahr demnach allerdings die japanischen Autokonzerne zu, deren Umsatz und Gewinn um 18 beziehungsweise 108Prozent stiegen – was allerdings in erster Linie auf den Einbruch im Vorjahr zurückzuführen ist: Die Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe hatte bei den japanischen Unternehmen zu Produktionsstillständen und einem drastischen Absatzrückgang geführt.Deutsche Autobauer verdienen so viel wie nie zuvor
Im Zehn-Jahres-Vergleich hingegen fahren die deutschen Hersteller der Konkurrenz aus Japan und vor allem den Autoherstellern aus den USA und Südeuropa davon: Während Volkswagen, Daimler und BMW ihren Umsatz seit 2003 um insgesamt 78Prozent steigern konnten, legten die japanischen Unternehmen nur um 23Prozent zu. Bei den südeuropäischen Herstellern lag der Umsatz um 7Prozent unter dem Wert von 2003, der Umsatz der US-Hersteller schrumpfte sogar um 15Prozent.
Die 17 größten Autokonzerne der Welt setzten im vergangenen Jahr insgesamt 1,32Billionen Euro um – das waren – bereinigt um Wechselkursschwankungen – 11Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die Verkäufe legten zu: um 7Prozent auf 67,2Millionen Fahrzeuge, so die Analyse.Während die Autobranche in Europa in einer Krise steckt, wiesen andere Absatzmärkte im vergangenen Jahr hohe Wachstumszahlen auf: In den USA verkauften die Autobauer 14Prozent mehr Fahrzeuge als im Vorjahr, in China lag das Plus bei 12Prozent. In Westeuropa hingegen brach der Pkw-Absatz um
8Prozent ein.Während der Umsatz der deutschen und japanischen Hersteller im Jahr 2012 deutlich stieg – um 15 bzw. 18Prozent –, kämpfen PSA, Renault und Fiat (ohne Chrysler) mit sinkendem Umsatz und rückläufigen Verkaufszahlen: Die Zahl der insgesamt von ihnen verkauften Autos ging um 7Prozent zurück, der kumulierte Umsatz sank um 5Prozent. "Die Spaltung im Lager der großen Autokonzerne hat sich im vergangenen Jahr weiter vertieft“, kommentiert Peter Fuß, Partner bei Ernst & Young, die Analyseergebnisse. "Und derzeit ist kein Ende der Absatzkrise in Europa absehbar. Im Gegenteil: Die Schuldenkrise ist längst nicht ausgestanden, die Konjunkturkurve in wichtigen südeuropäischen Märkten zeigt weiter nach unten. Das Jahr 2013 droht sich auf dem europäischen Absatzmarkt zu einem Horrorjahr zu entwickeln.“Im Jahr 2011 hatten die Autokonzerne noch jedes fünfte Fahrzeug in Westeuropa verkauft, 2012 war es nur noch jedes sechste. Und angesichts weiter sinkender Zulassungszahlen in Europa dürfte die Bedeutung des europäischen Absatzmarkts in diesem Jahr weiter deutlich schrumpfen.
Die Notwendigkeit gegenzusteuern sei deshalb größer denn je, so Fuß: "Die europäischen Volumenhersteller müssen die Kapazitäten massiv herunterfahren, um ihre Substanz zu erhalten – das schließt auch komplette Werksschließungen mit ein. Unausgelastete Fabriken kosten enorm viel Geld – Geld, das die Unternehmen nicht mehr haben. Die deutschen, koreanischen und japanischen Hersteller haben die Finanzkraft, die europäische Krise durchzustehen. Die Autobranche in Südeuropa steht hingegen mit dem Rücken zur Wand.“ Das Gefälle zwischen den Herstellern werde immer größer, beobachtet Fuß: "Die Autoindustrie entwickelt sich zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: Während einige Konzerne Rekordgewinne erwirtschaften, fahren andere buchstäblich auf den Felgen.“ Diese Entwicklung sei umso besorgniserregender, als gerade jetzt hohe Investitionen in Zukunftstechnologien anstehen: "Die Unternehmen müssen Milliardensummen in die Entwicklung alternativer Antriebe stecken, und sie müssen in Kooperation mit Technologie- und Telekommunikationsunternehmen zügig an der besseren Vernetzung der Fahrzeuge mit der Umgebung arbeiten. Auch das kostet Geld und bindet Ressourcen. Wem aber jetzt das Geld ausgeht, der kann nicht investieren und wird morgen der Verlierer sein.“ Das könnte zu tief greifenden Umbrüchen in der Branche führen, prognostiziert Fuß: "Wenn sich die Situation nicht bald bessert, könnte das der Ausgangspunkt für eine neue Konsolidierungswelle in der Automobilindustrie sein.“Der operative Gewinn der deutschen Autobauer stieg 2012 um 1Prozent von 28,0 auf 28,4Milliarden Euro – damit erwirtschafteten die deutschen Konzerne weiterhin einen höheren Gewinn als die japanische Konkurrenz (25,6Milliarden Euro). Die US-Hersteller kamen zusammen nur auf 9,5Milliarden Euro, die südeuropäischen Konzerne rutschten 2012 operativ sogar in die roten Zahlen (minus 265Millionen Euro).
Den höchsten Gewinn erwirtschaftete im vergangenen Jahr Toyota mit 14,2Milliarden Euro, gefolgt vom deutschen Trio Volkswagen (11,5Milliarden Euro), Daimler (8,6Milliarden Euro) und BMW (8,3Milliarden Euro). "Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen auf dem europäischen Heimatmarkt haben sich die deutschen Konzerne im vergangenen Jahr erstaunlich gut geschlagen“, kommentiert Fuß. Allerdings nimmt der Druck auf die Margen zu: Die EBIT-Marge der deutschen Konzerne sank von 8,4 auf 7,4Prozent. Zum Teil ist dieser Rückgang auf hohe Investitionen in neue Modelle zurückzuführen, vor allem aber schlage sich hier die Krise auf dem europäischen Absatzmarkt nieder, so Fuß: "Die Absatzflaute in Europa macht auch den deutschen Herstellern zu schaffen, und auch im Premium-Segment sinken die Gewinnspannen. Zum Teil müssen die Unternehmen erhebliche Rabatte gewähren, um ihre Autos an den Mann zu bringen. Es wäre derzeit ohnehin illusorisch, in Europa Wachstum erzielen zu wollen – ihre Marktanteile müssen die deutschen Konzerne aber mindestens halten, und das geht inzwischen oft nur noch mit massiven Preisnachlässen.“Dennoch wies im Jahr 2012 BMW mit 10,8Prozent die höchste EBIT-Marge aller untersuchten Konzerne aus (Vorjahr: 11,7Prozent). Hyundai ist dem bayerischen Autohersteller mit einer EBIT-Marge von 10,0Prozent (Vorjahr: 10,3Prozent) aber weiter dicht auf den Fersen. Daimler liegt mit einer Marge von 7,5Prozent knapp vor Kia (7,4Prozent) auf dem dritten Platz.
Angesichts der anhaltenden Krise in Europa und gleichzeitig hoher Investitionen in neue Modelle und Märkte sowie in Zukunftstechnologien erwartet Fuß in naher Zukunft keine Verbesserung der Gewinnsituation. "Der Margendruck wird 2013 weiter zunehmen.“ Dementsprechend sieht Fuß keine Alternativen zu einem konsequenten Spar- und Flexibilisierungskurs: "Die Kosten müssen runter – sonst droht ein weiterer Margenrückgang und damit ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit.“Nachdem sich die weltweite Autokonjunktur 2012 unterm Strich noch positiv entwickelt hat, mehren sich die Zeichen, dass in diesem Jahr der Gegenwind für die Autokonzerne zunimmt: "Der Start ins Jahr 2013 fiel unerwartet schwach aus“, so Fuß. "Europa stürzt weiter ab, und auch auf anderen wichtigen Märkten wie Indien oder Japan fehlen die Wachstumsimpulse.“ Zwar dürfte sich der wichtige US-Markt auch 2013 noch leicht positiv entwickeln, die Hoffnungen der Autobranche ruhten aber vor allem auf China, so Fuß: "In China gewinnt die Konjunktur wieder an Dynamik, wovon auch der Autoabsatz profitieren wird. Dementsprechend setzen die Hersteller derzeit massiv auf Wachstum in China, was wiederum den Konkurrenzdruck vor Ort verstärken wird.“
So erfreulich die positive Entwicklung in China sei – die starke Abhängigkeit der Unternehmen vom chinesischen Markt berge neue Risiken: "China ist ein dynamischer, aber auch ein schwieriger Markt. Für viele Autobauer ist China inzwischen der wichtigste Wachstumstreiber – eventuelle Rückschläge vor Ort können daher schnell massive Folgen haben.“