München. Und nun ist es abermals der größte Autobauer der Welt, der einer neuen Antriebstechnologie zum Durchbruch verhelfen will. Schon ab April nächsten Jahres will Toyota in Japan eine wasserstoffgetriebene Limousine einführen, im Sommer folgen dann die USA und Europa. In Deutschland rechnet der Importeur zunächst „mit einigen Hundert Fahrzeugen“ im ersten Verkaufsjahr. Toyota legt damit den Marktstart seines Fuel-Cell-Autos einige Monate nach vorn, wohl auch deshalb, um Hyundai nicht alleine die Schlagzeilen zu überlassen. Die Koreaner wollen von ihrem im vergangenen Jahr gestarteten ix35 Fuel Cell bis 2015 rund 1000 Einheiten verkaufen, insgesamt soll diese erste Generation auf 10.000 Einheiten kommen. Spätestens seit dem Prius weiß die Branche, dass es beim Start einer grundlegend neuen Technologie nicht auf die Verkaufszahlen in den ersten Jahren ankommt, sondern auf den langen Atem eines großen Herstellers. Die Japaner sind sich dieser Herausforderung bewusst: „Bei dem Prius dauerte es zehn Jahre, bis eine kumulierte Stückzahl von einer Million erreicht war. Auch bei der Brennstoffzelle wird es zehn, vielleicht auch 15 Jahre dauern, bis sie so hohe Stückzahlen erreicht“, sagt Toyota-Entwicklungschef Katsuhiko Hirose, der als Vater des Prius gilt. Längere Anlaufverluste seien einkalkuliert, betont Hirose. „Uns ist bewusst, dass mit Brennstoffzellen- Fahrzeugen anfangs noch kein Geld zu verdienen ist. Wir denken in sehr langen Amortisationszyklen und haben dafür auch die Rückendeckung unseres Managements.“ Deshalb sei für Toyota die Frage nachrangig, wie viele Einheiten des ersten H2-Autos verkauft werden, so Hirose weiter. Unternehmensvertreter sprechen bislang von einer Größenordnung zwischen 5000 und 10.000 Einheiten weltweit. Dies würde kaum ausreichen, die Kosten der platinbeschichteten Brennstoffzelle spürbar zu senken. In der Zelle reagiert Wasserstoff mit Sauerstoff. Heraus kommen Strom und sauberer Wasserdampf. Toyota selbst rechnet damit, dass die erste Generation seines Autos nur zu einer Kostensenkung von fünf Prozent führt. „Selbst bei einem Szenario mit einer jährlichen Produktion von 300.000 Brennstoffzellen-Fahrzeugen ist Platin für mehr als 70 Prozent der Herstellungskosten verantwortlich“, merkt dazu Wolfgang Bernhart an, Partner von Roland Berger Strategy Consultants. Bis 2025, so das Fazit einer aktuellen Studie der Berater zum Thema Brennstoffzelle, seien zwar um bis zu 80 Prozent geringere Herstellungskosten für die Brennstoffzelle möglich. „Damit würden sich dieser Antriebstechnik zwar erste Marktchancen eröffnen, für einen Durchbruch aber reicht diese Kostensenkung nicht aus“, urteilt Bernhart. Neben den Kosten des Platins nennen Skeptiker stets auch das dünne Tankstellennetz und den gegenüber Batterien geringeren Wirkungsgrad als Argumente gegen Fuel-Cell-Fahrzeuge. Tesla- Chef Elon Musk, der stattdessen das batterieelektrische Auto propagiert, spricht deshalb gerne von „Fool Cell“ (Narren-Zelle). „Es ist wichtig, jetzt mit der Entwicklung zu beginnen, sonst wird sie niemals großserienreif“, entgegnet Hirose. Selbst in Japan mangelt es derzeit noch massiv an H2-Tankstellen. Nur 31 Stationen sind derzeit in Betrieb oder im Bau. Auch im potenziell größten Markt für Wasserstofffahrzeuge, in den USA, gab es Ende 2013 erst zehn öffentliche Stationen. Allerdings planen dort Mineralöl- und Energiekonzerne Dutzende neue Tankstellen. Allein Kalifornien will bis 2024 mindestens 100 H2- Stationen errichten. Sollte es dazu kommen, würden die hohen Kosten für den Tankstellenbau rasch sinken. Auch in Deutschland kommt langsam Bewegung in das Thema. Die unter anderem von Daimler finanzierte H2-Mobility- Initiative will bis 2023 das aktuelle „Netz“ von 15 Tankstellen auf 400 Stationen ausbauen, derzeit sind 20 konkret geplant.
Wasserstoff – die nächste Welle
Bei den Komponenten für sein erstes Brennstoffzellenauto bedient sich Toyota seiner etablierten Hybridtechnik, um die Kosten im Rahmen zu halten. So stammen die Batterie, der Elektromotor und die Kontrolleinheiten aus dem hybriden Baukasten des Herstellers. Unter anderem wird dabei voraussichtlich auch die etablierte Metallhydrid-Batterie der ersten Prius-Generation eingesetzt statt teurer Lithium-Ionen-Akkus. Trotz des Griffs in den Konzernbaukasten soll das FCV von Toyota zum Marktstart 50.000 Euro kosten. Selbst dieser Preis ist nach Einschätzung aller Experten bei Weitem nicht kostendeckend. In einem ähnlichen Preisrahmen dürfte sich das erste Wasserstoffauto aus dem Hause Daimler bewegen. Man orientiere sich am Preis eines vergleichbaren Fahrzeugs mit Hybridantrieb, so der Leiter der Daimler-Konzernforschung, Herbert Kohler (siehe Interview). Die Schwaben sind im vergangenen Jahr eine strategische Partnerschaft mit Ford und Nissan eingegangen, um bei der Entwicklung der kostenträchtigsten Komponenten zu kooperieren. Gemeinsames Ziel ist es, von der für 2017 geplanten ersten Modellgeneration im Laufe von sieben Jahren insgesamt 100.000 Einheiten zu produzieren. Damit hätte die Allianz das Potenzial, Toyota sogar noch zu überholen.