Wer Carlos Ghosn nur als Zahlenmensch kennt und ihm jede Leidenschaft für das Automobil abspricht, hat mit ihm noch nicht über das Elektroauto gesprochen. Der Präsident von Renault-Nissan mag ein Experte für Bilanzen und Unternehmensübernahmen sein, doch beim Thema E-Auto wird deutlich, was Ghosn antreibt.
„Wir fühlen uns verpflichtet, zu einer Null-Emission-Welt beizutragen“, sagte Ghosn im Januar auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas. Es ist ein Satz, der auch von einem Greenpeace-Geschäftsführer stammen könnte.Ghosn beschrieb in Las Vegas auch, was seine Elektro-Strategie von der vieler anderer Wettbewerber unterscheidet: „Wir halten die besten Technologien nicht nur für Luxusmodelle vor“, betonte er. „Und wir arbeiten von Anfang an daran, die richtigen Technologien für unsere gesamte Fahrzeugpalette einsetzbar und für die Mehrzahl unserer Kunden erschwinglich zu machen.“
Diversifikation und Bezahlbarkeit hat sich Renault-Nissan auf die Fahne geschrieben. Keine Top-down-Strategie wie bei Mercedes oder Tesla, sondern eine gewagte Bottom-up-Strategie: Nissan und Renault sind mit Milliardeninvestitionen in den Elektromarkt eingestiegen, als es ihn noch gar nicht gab. Ghosn folgt damit der „Prius-Strategie“ von Toyota: Erster zu sein auf einem unerforschten Kontinent ist zwar stets riskant, kann aber auch besonders lohnend sein. Möglich ist das nur großen Konzernen mit einem ausreichenden Polster für viele Jahre ohne nennenswerten Return on Investment.
Als Nissan im 2009 in Yokohama erstmals den Leaf der Weltöffentlichkeit zeigte, schlug Ghosn breite Skepsis entgegen. Die Batterien viel zu teuer, die Reichweite viel zu gering, keine Ladeinfrastruktur, kurzum kein Bedarf für eine unausgereifte Technik, hieß es in der Branche.
Wie man sich täuschen kann. Seit dem Verkaufsstart des Leaf im Dezember 2010 haben Renault und Nissan zusammen weltweit mehr als 350.000 rein batterieelektrische Fahrzeuge verkauft, allein 230.000 davon waren Leaf. Ein Weltrekord ist es in beiden Fällen.