Viele Probleme noch nicht gelöst

Es war eine Entscheidung mit Signalwirkung. Vor wenigen Wochen gaben die Autohersteller Volkswagen mit den Töchtern Audi und Porsche sowie Daimler, BMW und Ford bekannt, von 2017 an ein Schnellladenetz entlang der europäischen Hauptverkehrsachsen aufbauen zu wollen. Dabei sollen zunächst 400 La­de­stationen mit Tausenden Ladepunkten entstehen, ein weiterer Ausbau ist vorgesehen.

Die Stromtankstellen werden über eine Leistung von bis zu 350 kW verfügen und innerhalb von 15Minuten Strom für 300 Kilometer und mehr laden können. Mit dem gängigen CCS-Standard ist das ­Laden dann für nahezu alle Modelle möglich. „Die Verfügbarkeit von Schnellladesäulen ermöglicht erstmals Langstrecken-E-­Mobilität und wird dazu beitragen, dass sich immer mehr Kunden für ein Elek­trofahrzeug entscheiden“, so Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Auch wenn noch viele Details unbekannt sind, so machen die Hersteller damit klar, dass sie esernst meinen mit der Elektromobilität. Alle deutschen Autobauer wollen bis Ende des Jahrzehnts neue E-Autos mit größerer Reichweite auf den Markt bringen. Dazu zählen der Mercedes EQ, der Audi Q6 e-tron Quat­tro, der VW I.D. oder der Porsche Mission E. Dabei gilt neben der Reichweitenangst als Haupthindernis für den Verkauf das dünne Ladenetz in Deutschland und ­Europa. Wer aber künftig mit ­einem Mission E von Porsche schnell unterwegs ist, der will beim Aufladen nicht ewig warten, bis erwieder auf die Straße und Gas geben kann.

Als Vorbild für diese Art von Netz darf der Elektropionier Tesla gelten, der den deutschen Herstellern derzeit beim E-Antrieb die Rücklichter zeigt. Der kalifornische Autobauer betreibt weltweit bereits 700 Ladestationen mit fast 5000 Ladepunkten und setzt dabei auf einen eigenen Stecker. Andere Fabrikate können hier bislang nicht laden. Den Tesla-Kunden wurde der Strom sogar geschenkt, was sich für Neukunden nun aber ändert. Und während die deutschen Hersteller noch über die ­Details ihres Ausbauprogramms diskutieren, bietet Tesla seinen Kunden bereits das induk­tive ­Laden an, bei dem der lästige Kabelsalat entfällt.

Doch noch besteht kein Grund zur Panik. In Deutschland gibt es aktuell rund 6800 Ladepunkte für E-Autos, darunter 150 für das Schnellladen. Sie sind meist auf die großen Metropolregionen wie ­Berlin, Hamburg, München, das Ruhrgebiet oder Stuttgart kon­zentriert. Auf dem Land dagegen ist die Versorgung wesentlich schlechter. Dem stehen laut Kraftfahrt-Bundesamt knapp 37.000 rein elektrische Fahrzeuge gegenüber.Dazu kommen geschätzte 50.000 Plug-in-Hybride. Rein rechnerisch teilen sich damit 13 E-Autos einen öffentlichen Ladepunkt. Und laut Statistik werden ohnehin 80 Prozent der Stromer an der Steckdose daheim aufgeladen. VonMangel kann also noch keine Rede sein.

Der Bedarf wird mit dem Hochlauf des Markts in den nächsten Jahren jedoch gewaltig ansteigen. So rechnet etwa Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach in seiner jüngsten Studiedamit, dass die Dynamik bei E-Autos vom Jahr 2020 an drastisch zunimmt. Zu diesem Zeitpunkt hätten alle deutschen Autobauer wettbewerbsfähige Modelle auf dem Markt. 2025 könnte demnach ein Viertel aller neu zugelassenen ­Wagen E-Autos sein. In Deutschland wären dies auf der Basis der Neuzulassungen von 2016 mehr als 800.000 Einheiten.

Daher engagieren sich nicht nur die Autobauer, sondern auch der Staat beim Aufbau der Ladeinfrastruktur. Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat ein Förderprogramm in Höhe von 300 Millionen Euro aufgelegt, um zusätzliche Stromtankstellen zu schaffen. Mit 100 Millionen Euro sollen rund 10.000 Normalladestationen gefördert werden, mit 200 Millionen ­Euro 5000 wesentlich teurere Schnellladestationen entlang von Autobahnen und Bundesstraßen. Wie das Bundesverkehrsministerium (BMVI) auf Anfrage mitteilte, befindet sich das Programm derzeit noch in der Genehmigungsphase in Brüssel. Die ersten Mittel sollen noch indiesem Jahr abgerufen werden können. Die Initiative der Autobauer sieht man positiv. „Das ­BMVI investiert rund eine Milliarde Euro in den Aufbau der Infrastruktur für alternative Antriebe wie Strom, Wasserstoff und Erdgas. Wir begrüßen alle Beiträge von Industrie und Unternehmen, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge voranzubringen“, sagt eine Sprecherin.

Während die Zahl der Ladesta­tionen in den nächsten Jahren also deutlich ansteigen wird, gelten viele Probleme beim Aufbau der Infrastruktur als noch ungelöst. Dazu zählt etwa die Frage der Stromversorgung. Für eine Ladestation mit vielen Ladepunkten und 350 kW Leistung reicht das normale Stromnetz nicht aus. Notwendig sind Mittelspannungsnetze, die üblicherweise größere Industrieanlagen versorgen. Gleiches gilt etwa, wenn in einer Tiefgarage plötzlich alle Stellplatzmieter eine Wandbox mit Lademöglichkeit installieren.

Unklar ist außerdem, wie eine Ladestation profitabel betrieben werden kann. Franz Loogen, Chef der E-Mobil-Landesagentur Baden-Württemberg, vergleicht die Situation mit den Anfängen des Internets: „Da wussten auch viele noch nicht, wie sie damit Geld verdienen sollen.“ Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) rechnet vor, dass für einen rentablen Betrieb einer Schnellladestation mit 50 kW im Mittel zehn Ladegänge pro Tag erfolgen und die Kunden bereit sein müssten, zu den reinen Stromkosten einen Aufschlag von bis zu zwei Euro zu zahlen. Der Aufbau schlägt mit 35.000 Euro zu Buche.

Eine Förderung des Staats wird bei der Ladeinfrastruktur also noch auf Jahre hin notwendig sein. Dazu muss weiterhin mit einem stattlichen Mix von Betreibern gerechnet werden. In Deutschland sind dies derzeit einige Dutzend – von Energieriesen wie RWE oder ­EnBW über Unternehmen wie Allego oder New Motion bis hin zu Supermärkten.