VW zieht Produktion eines neuen Cabriolets bei Karmann in Betracht

Henning Krogh

Überraschende Wendung beim möglichen Karmann-Einstieg des VW-Konzerns: Nach Informationen aus Kreisen beider Unternehmen erwägt Europas größter Automobilhersteller inzwischen doch die Fertigung von Fahrzeugen bei dem schwer angeschlagenen Zulieferer aus Osnabrück. Bisher galten die Produktionskosten von Karmann unter Wolfsburger Experten als zu hoch. Bei der Kalkulation einer Neuauflage des Golf Cabriolet haben sich dem Vernehmen nach nun aber unerwartete Chancen für die Montage bei Karmann ergeben.

Sonntag, 8. November 2009, 15.19 Uhr

Hamburg. Volkswagen prüft, die Produktion von Fahrzeugen an den Not leidenden Zulieferer Karmann zu vergeben. Hintergrund ist der geplante Einstieg von Europas größtem Automobilhersteller bei dem insolventen Traditionsunternehmen aus Osnabrück. Karmann benötigt dringend neue Aufträge für alle verbliebenen Betriebsbereiche, um nach drastischen Einbrüchen der Nachfrage für die angebotenen Dienstleistungen sowie einschneidenden Massenentlassungen dem endgültigen Aus zu entgehen.

"Es besteht inzwischen die Möglichkeit, dass eine Neuauflage des Golf Cabriolet bei Karmann vom Band laufen könnte", sagte ein VW-Insider am heutigen Freitag (6. 11.) der Automobilwoche. Der Manager bestätigte, dass die Produktionskosten von Karmann unter Experten des Wolfsburger Konzerns lange als weitaus zu hoch galten – und der potenzielle Bau kompletter Pkw damit als zu teuer. Mittlerweile aber haben sich dem Vernehmen nach unerwartete Änderungen der Kalkulationsbasis ergeben.

Das Karmann-Projekt ist für den VW-Konzern noch nicht beschlossene Sache

Ob die Arbeitnehmerseite bei Karmann zu Lohneinbußen bereit wäre oder die niedersächsische Landesregierung um Ministerpräsident und VW-Aufsichtsratsmitglied Christian Wulff finanzielle Förderungen in Aussicht gestellt hat, die VW bei Karmann jetzt ungeahnte Perspektiven eröffnen, war noch nicht zu erfahren. Sollte es zu einer Einigung über die Montage eines neuen Volkswagen bei Karmann kommen, so der Insider, sei aber "auch die Vergabe weiterer Nischenmodelle durchaus denkbar".

Der VW-Aufsichtsrat wird sich im Rahmen seiner Sitzung am kommenden Mittwoch (11. 11.) auch mit der Karmann-Materie befassen. "Danach könnte alles sehr schnell gehen", so der VW-Manager. Es sei jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass der beabsichtigte VW-Karmann-Deal noch auf ganzer Linie scheitert.

VW will auf die Händler hören – aber ein Golf Cabrio zunächst "intensiv prüfen"

Auf die Frage von Automobilwoche, ob VW eine Neuauflage des Golf Cabriolet in Erwägung zieht, das viele Handelspartner im Modellprogramm vermissen, hatte VW-Vertriebschef Detlef Wittig am Rande eines VW-Events in der russischen Stadt Kaluga vor zwei Wochen erklärt: "Wir teilen diese Empfindung unserer Händler". Es sei aber noch intensiv zu prüfen, ob VW dem Kompaktwagen mit Stoffverdeck grünes Licht erteile. Wittig: "Da müssen wir zunächst die Entscheidungsmaschinerie anwerfen".

Ob VW den Fertigungsauftrag für ein Golf Cabriolet oder Teile der Technik- respektive Montageumfänge an den angeschlagenen Zulieferer Karmann vergeben könnte, wollte Wittig nicht kommentieren.