VW und Porsche schaffen ein Stimmungs-Hoch im Norden

Hamburg. Bei der Außerordentlichen Hauptversammlung des Wolfsburger VW-Konzerns am 3. Dezember vergangenen Jahres in Hamburg lauschte Porsche-Personalvorstand Thomas Edig als Vertreter des Stuttgarter Sportwagenbauers den Ausführungen des Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piech. Ein grauer Tag, mit Sturm und Regen. Über Norddeutschland lag ein Tief.

Am Donnerstag dieser Woche (22. 4.), anlässlich der ersten Ordentlichen VW-Hauptversammlung nach dem großen Friedensschluss der Schwaben mit den Niedersachsen, saß Porsche-Lenker Michael Macht persönlich in der ersten Reihe. Direkt zu seiner Linken nahm Karl-Thomas Neumann Platz, VW-Stratege für Elektromobilität und bekennender Fan des Porsche 911 mit klassischer Verbrennungskraftmaschine.

Als VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch den Aktionären mitteilte, man habe "nach Abzug der Steuern im Jahr 2009 ein Ergebnis von 911 Millionen Euro erwirtschaftet", raunte Macht seinem Nachbarn zu: "Schöne Zahl". Elfer-Fahrer Neumann verstand sofort die nach Porsche-Turbo-Manier quasi doppelt aufgeladene Bemerkung und lächelte demonstrativ zurück.

Unter den Augen des kompletten VW-Vorstands und in Seitensichtweite von Piech-Gattin Ursula steckten die beiden Topmanager immer wieder die Köpfe zusammen, zeigten Einigkeit und beste Laune. VW und Porsche, so die gelebte Botschaft, die auch andere Emissäre beider Lager in Hamburg hinter den Kulissen nach Kräften verbreiteten, finden zusammen, sie passen zusammen. Auch das Wetter spielte mit. Blauer Himmel, Sonnenschein. Ein Hoch im Norden, ein Stimmungs-Hoch noch dazu.

Ein eindrucksvolles Beispiel für die immer wieder annoncierte Ausweitung seiner Modulstrategie, die weltweit Konkurrenten von Toyota über Ford bis hin zu Daimler und BMW erschrecken lässt, lieferte der VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn. In Hamburg stellte "Wiko" gewissermaßen den "Modularen Textbaukasten" vor (MTB): Wesentliche Passagen seiner Rede vor den Aktionären im Congress Center Hamburg (CCH) glichen jenen, die er bereits am 11. März dieses Jahres im Rahmen der Jahrespresse- und Investorenkonferenz in der Autostadt Wolfsburg vorgetragen hatte. Manche waren komplett identisch.

Doch kam nicht zu kurz, wer auf der Suche nach Neuigkeiten war. So gab Winterkorn ein konkretes Beispiel für die geplante Zusammenarbeit mit Suzuki preis: "Wir wollen Fahrzeuge wie den Suzuki SUV SX4 mit effizienten Volkswagen-Antriebstechnologien inklusive Hybrid ausstatten".

Aufschlussreich auch Winterkorns Ankündigungen in Sachen Elektromobilität, die er "zur zweiten starken Säule" neben noch effizienteren Motoren herkömmlicher Funktionsweise formen will. "2013 wird dann mit dem E-Golf, dem E-Up! und dem E-Jetta zum Schlüsseljahr bei den reinen Elektroautos", verlas der VW-Vormann am Donnerstag im CCH zu Hamburg aus seinem Redetext.

Auf den Tag genau sechs Wochen zuvor, bei besagter Konferenz am Konzernsitz Wolfsburg, fand sich der entsprechende Satz im Manuskript noch so formuliert: "2013 wird dann mit dem e-up!, dem E-Golf und dem E-Jetta zum Schlüsseljahr bei den reinen Elektroautos". Mögen die verwirrenden Schreibweisen "E-Up!" mit "E" und "U" als Majuskeln respektive "e-up!" mit "e" und "u" als Minuskeln einer kleinen Nachlässigkeit der VW-Schriftleitung geschuldet sein, die Reihenfolge der angekündigten E-Mobile ist es gewiss nicht. In anderthalb Monaten nämlich kann viel passieren. Zumal in einem Unternehmen wie VW, in dem mächtige Interessengruppen nicht immer einer Meinung sind. Jene Fraktion, die das Volumenmodell Golf vor dem neuen Kleinstwagen Up elektrifiziert in Kundenhand sehen möchte, hat sich durchgesetzt.

Kein Zweifel, das VW-Protokoll war hier und ist in Hamburg auch ansonsten wie immer peinlich genau auf die Außendarstellung des größten Automobilherstellers in Europa bedacht, der bis zum Jahr 2018, spätestens, seinen japanischen Erzrivalen Toyota als Nummer eins in der globalen Fahrzeug-Liga verdrängen will.

"Mit der angestrebten Integration von Porsche heben wir unsere erfolgreiche Mehrmarkenstrategie auf eine ganz neue Ebene", ließ Winterkorn die VW-Anteilseigner in der Elbe-Metropole wissen. "Durch die Partnerschaft mit Suzuki wird der Konzern im Kleinstwagensegment einen Quantensprung machen und das Tor in die asiatischen Wachstumsmärkte endgültig aufstoßen", legte er nach.

Im "Tor zur Welt", wie die Hanse- und Hafenstadt Hamburg gern genannt wird, hoben die VW-Planer wie zum Beweis der Ernsthaftigkeit ihrer Ambitionen Porsche zumindest dem Augenschein nach schon mal auf eine neue Ebene. In seiner Rede sprach Winterkorn beim Stichwort "Vielfalt" zwar von "heute neun eigenständigen Marken", die der Wolfsburger Konzern umfasse. Hier zählte Porsche als zehntes Label – noch – nicht.

Über den Köpfen der Aktionäre allerdings, am "Marken-Himmel" im CCH, war das Porsche-Logo längst montiert. Dort als eines von zehn VW-Markenzeichen, wohlgemerkt. Hell illuminiert strahlte die Porsche-Leuchtreklame in den Versammlungssaal. Farbenfroh und sicher mit Bedacht platziert: In der oberen von zwei Fünfer-Reihen. Auf dem "Ehrenplatz" in der Mitte. In unmittelbarer Nachbarschaft der Premiummarke Audi und des Luxuslabels Bentley. "Hoch" im Norden eben, buchstäblich.