Alle Welt fährt elektrisch. Alle Welt? Nicht ganz! Ein gar nicht mal so kleiner, unbeugsamer Autohersteller aus Japan will sich nicht vollends festlegen, hält sich alle Optionen offen und schwimmt deshalb gegen den Trend. Denn nach dem Motto, „das Eine tun, ohne das Andere zu lassen“, flankiert Toyota seine elektrische Offensive rund um Modelle wie den BZ4X jetzt noch einmal mit einer Neuauflage des Prius. Obwohl den Hybridweltmeister schon alle abgeschrieben haben und die keiner mehr was gibt auf die Kombination aus Benzin- und E-Motor, geht der grüne Bestseller deshalb jetzt nach 25 Jahren und rund fünf Millionen Verkäufen jetzt in die fünfte Generation. So ganz können und wollen die Japaner die Zeichen der Zeit allerdings nicht ignorieren: Wenn das viertürige Coupé im Juli in den Handel kommt, gibt es den Prius zumindest bei uns in Europa ausschließlich als Plug-in-Hybrid. Leicht wird es sich auch dann allerdings nicht tun. Denn mit 45.290 Euro ist der Prius derart selbstbewusst eingepreist, dass in gerade mal noch 2200 Euro vom BZ4X trennen – einen Unterschied, den die Förderung mehr als wettmacht.
Dabei macht das neue Auto vieles besser als seine vier Vorgänger. Das beginnt bei Design, das endlich so ansehnlich ist, dass der Prius den Passanten den Kopf verdreht. Und zwar nicht, weil sie vor Scham wegschauen, sondern weil sie seiner kessen Kehrseite hinterherblicken. Nicht umsonst haben die Japaner das Dach deutlich flacher gestaltet, die Konturen geglättet und die Proportionen zurechtgerückt: Bei 4,60 Metern ist der Prius fünf Zentimeter kürzer als bisher, hat aber mit 2,75 Metern etwa fünf Zentimeter mehr Radstand. Aber die Sache hat auch einen Haken: Die Köpfe der Hinterbänkler schleifen jetzt schnell am Himmel und für die Koffer von vier Personen wird es bei 284 Litern unter der großen Klappe schwierig. Das wird vor allem die Taxler stören, die dem Toyota bis zuletzt die Treue gehalten haben.
Gegen den Strom
Während alle anderen auf Elektroautos setzen, hält Toyota am Hybridantrieb fest. Der Prius hat sich deutlich verbessert, wird es in Deutschland aber trotzdem schwer haben.

Toyota hat der fünften Generation des Prius ein Digitalcockpit spendiert.
Der frische, engagierte und alles andere als altmodische Anspruch der Generation Fünf manifestiert sich zudem im neuen Digitalcockpit mit den weit nach vorn unter die Scheibe gerückten Instrumenten und vor allem unter der Haube, wo Toyota in jeder Disziplin nachgelegt hat. So bauen die Japaner auf einen 2,0 Liter Vierzylinder mit mehr Leistung (152 PS) und kombinieren den mit einem derart erstarkten E-Motor (163 PS), dass sie den zweiten Stromer jetzt nur noch als Generator nutzen und trotzdem einen imposanten Sprung im Datenblatt machen: Mit 223 PS ist der Prius fast doppelt so stark wie sein Vorgänger (122 PS) und fährt entsprechend engagiert – zumal Projektleiter Oya-san viel Wert auf ein besseres Einlenkverhalten und eine verbindliche Abstimmung gelegt hat. Klar: Ein Sportwagen ist der Teilzeitstromer noch immer nicht, das verhindert schon das stufenlose Planetengetriebe, selbst wenn die Drehzahlorgien am Gummiband immer seltener werden. Aber auch die verbissensten Weltverbesserer, für die Autofahren nur ein notwendiges Übel ist, kommen kaum umhin, bisweilen die Mundwinkel zu heben, wenn der Prius in 6,8 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigt oder überraschend scharf durch enge Kehren schneidet. Und spätestens bei Vollgas ist die Welt ja wieder in Ordnung: Schließlich zieht Toyota schon bei 177 km/h die Reißleine. Da kommt der Prius einem Elektroauto dann näher, als es manchen lieb ist.
Überhaupt, das E-Auto: Zwar will Toyota mit dem Prius einerseits gegen Trend zur allumfassenden Elektrifizierung stemmen. Doch andererseits haben die Japaner die elektrischen Qualitäten des Bestsellers so weit verbessert, dass er eben doch fast als E-Auto durchgeht. So fährt er nun bis jenseits der Landstraßengeschwindigkeit auch ohne den Verbrenner und schöpft dabei aus einem deutlich vergrößerten Akku: Mit nun 13,6 kWh Batteriekapazität kommt er jetzt anderthalbmal so weit wie früher und fährt bis zu 70 Kilometer ohne Sprit. Wer es ernst meint mit dem Stromern, braucht danach allerdings viel Geduld: Denn bei maximal 3,2 kW Ladeleistung steht man runde vier Stunden an der Steckdose – und freut sich deshalb auch über das optionale Solardach, das pro Tag immerhin den Strom für bis zu acht Kilometer zapft.

Viele Kunden wird der Prius in Deutschland wohl nicht finden. Dafür ist die markeninterne Konkurrenz zu stark, zudem ist die Förderung für Plug-in-Hybride gestrichen worden.
Zwar ist der Prius in der fünften Generation endlich ein brauchbares Auto geworden, das nicht nur für bekennende Klimaschützer und Kostenkiller taugt. Doch leider kommt der verhinderte Stargast ein bisschen zu spät zur Party. Denn ohne die üppige Förderung interessiert sich bei uns für den Plug-in kaum mehr jemand. Und weil Toyota – auch in der Kompaktklasse mehr als genug konventionelle Hybriden im Angebot hat, lohnt sich der serielle Teilzeitstromer für die Japaner hier zulande auch nicht. Deshalb ist der Prius eher ein Auto fürs Image und für die Tradition, als für den Absatz und die Rendite.
Ihn deshalb gleich ganz zu lassen, kommt für Toyota aber nicht in Frage, sagt Europachef Matt Harrison. Denn solange es weder ausreichend Kapazitäten für die Batterieproduktion noch eine lückenlose und hinreichende Ladeinfrastruktur gebe, dürfe man nicht alles auf eine Karte setzten. „Sondern wir müssen die knappen Ressourcen so einsetzen, dass sie den maximalen Effekt haben. Und da kommen wir am Hybrid- und am Plug-In-Hybrid nicht vorbei.“
„Der Feind ist nicht eine spezielle Technologie“, sagt Harrison deshalb. „Sondern unser Feind ist das CO2.“ Und wenn Toyota das reduzieren wolle, dann dürfe sich der größte Autohersteller nicht auf die Elite konzentrieren. „Sondern wir müssen möglichst vielen Menschen möglichst effiziente Autos anbieten, statt alle Kapazitäten in ein paar Elektroautos für wenige Kunden zu stecken.“ Die Welt der Autonutzer und deren Anforderungen sei zu divers, als dass es eine einzige Lösung für alle Fälle gebe.
Aus dem Datencenter: