Herr Tumminelli, Opel verkauft den neuen Kleinwagen "Adam" als "Individualisierungs-Champion" mit zig Ausstattungs- und Dekorvarianten für den Innenraum. Was halten Sie von dieser Strategie?
Die Strategie ist ja bekannt. Als Italiener erinnere ich mich besonders an den Lancia Y, der mal in 112 Karosserie-Farben und ebenfalls zig verschiedenen Alcantara-Sitzbezügen angeboten wurde. Opel bietet dazu kombinierbare Farbakzente – zum Beispiel am Grill oder in den Außenspiegeln. Bemerkenswert ist außerdem, dass der Hersteller einige Accessoires in die Kleinwagenklasse eingeführt hat, die es dort bisher nicht gab, wie zum Beispiel einen LED-Sternendachhimmel, wie man ihn bislang aus dem Rolls-Royce kannte.Bei Opel spricht man von der "neuen Freiheit". Das bedeutet, dass der Kunde sich sein Fahrzeug aus den drei Ausstattungswelten "JAM", "GLAM" und "SLAM" und zusätzlich aus den Ausstattungspaketen "Black/White", "Twisted" sowie "Extreme" zusammenstellen kann. Das erinnert doch sehr an ein Cocktail-Menu mit allerlei Schirmchen und kandierten Früchten. Ist so ein Mehr an Möglichkeiten sinnvoll?Ich bin bei übertriebenen Individualisierungs-Strategien immer etwas skeptisch, vor allem, wenn es darum geht, alles schön bunt zu gestalten. Das haben wir beim Smart erlebt. Den gab es am Anfang nicht nur außen in zweifarbiger Gestaltung, auch innen war er sehr farbenfroh gehalten. Erfolgreich wurde der Smart aber erst, als man kapiert hatte, dass die Außen-Farbkombination "Silber-Silber" oder "Schwarz-Schwarz" mit dezent gehaltenem Innenraum am besten beim Endkunden ankam. Selbst bei so einem emotionsbeladenen Kleinwagen verhält sich der Kunde eher bedacht. Von daher würde es mich wundern, wenn bei Opel nun tatsächlich alle Kunden superkreativ mitspielen. Opel hat schließlich ein ganz anderes Image als Mini und 500, und so was baut man nicht von heute auf morgen auf.Aber der Wagen sieht doch frech aus. Unsere Cocktail-Assoziation kommt auch nicht von ungefähr. Grün heißt bei Opel "Mojito Green"…...und sieht eher wie Matsche-Gelb aus. In der Tat sind Adams Farben weniger außergewöhnlich als die Kombinationsmöglichkeit. Die Frage ist, wer sich dazu aus welchen Gründen entscheiden sollte. Die "Adam"-Kunden werden hauptsächlich Privatkäufer sein, und die schauen genau darauf, wie sich so ein Wagen in einigen Jahren weiterverkaufen lässt. Wenn man sich jetzt für ein gelbes Cockpit mit einem karierten Dachhimmel entscheidet, dann muss man später auch erst einmal einen Nachkäufer dafür finden. Nichtsdestotrotz ist die Varianten-Vielfalt bei der Ausstattung natürlich ein wichtiges Indiz für die größere Bedeutung, die dem Fahrzeuginnenraum heute zukommt.Warum erlebt das Interieur jetzt eine Renaissance?Hersteller sprechen hinsichtlich des Innenraums von einer Entwicklung zur Wohlfühloase. Wir verbringen immer mehr Zeit in unseren Autos, mitunter mehr Zeit als im heimischen Wohnzimmer. Holzessenzen, Klavierlack, innovative Beleuchtungskonzepte, es gibt viele Möglichkeiten für den Innenraum. Wobei das Poppig-Bunte eher die Seltenheit bleibt. Grau-schwarz oder neuerlich Brauntöne sind nach wie vor die beliebtesten Farben. Der Normalkunde bleibt bei der Stilfrage sehr unsicher. Nicht so die Superreichen, die sich auf einmal Zwölf Bentley Azure bestellen: Violett, Gelb, Rosa, Orange, fantastisch innen wie außen. Wie bei der Wahl eines Luxus-Schuhs, die absolute Freiheit auch im Fahrzeug-Innenraum ist nur dann möglich, wenn man an keinerlei ökonomische Zwänge gebunden ist. Denn auch ein Opel Adam ist ja nicht unbedingt ein Schnäppchen für Scheichs, sondern eher ein kleines Luxus für die Zielgruppe, für die er gemacht is. Ein Auto dessen Wert man nach außen vermitteln möchte. Es wäre ein interessantes Experiment: Zu Opel fahren, einen Adam in „Mojito-Green“ mit allen bunten Extras im Interieur bestellen und dann hören, was der Verkäufer in Sachen Wiederverkaufswert erzählen würde. Am Ende gilt es, mit volkstümlichen Premiumwagen zu wetteifern, und die sind ja alle Grau.Wenn sich der normale Kunde am Ende für "Schwarz-Schwarz" entscheidet, so hat er doch aber immerhin das Gefühl, er selbst habe sich dafür entschieden.Das ist richtig und sehr wichtig! Für den Hersteller ist die Vielfalt der Ausstattungsvarianten ein wichtiges Marketing-Instrument, um eine Beziehung zum Kunden aufzubauen. Im Verkaufsgespräch muss der Eindruck entstehen, dass man ihm, dem Kunden, nun den Traum seines Lebens erfüllt. Der Trend zur Individualisierung ist daher nicht nur bei Opel, Mini oder im Fiat 500 zu sehen, auch bei den klassischen Limousinen von BMW, Audi und Mercedes kann der Käufer zwischen einer Vielzahl von Interieur-Optionen wählen. Wobei die sich in Dekor, Farbe und Material sehr ähnlich sind. Man orientiert sich allgemein an der Anmutung und Qualität zum Beispiel von klassischen Designermöbeln. Das Interieur auch von Oberklasse-Limousinen ist eine sehr präzise definierte Welt. Und innerhalb dieser Welt entscheidet man sich dann für vielleicht für "Schwarz-Schwarz". Aber, man hat sich selbst entschieden.Das Interview führte Philip Wesselhöft."Skeptisch bei übertriebenen Individualisierungs-Strategien"
Paolo Tumminelli, Professor für Design Konzepte an der Köln International School of Design, sprach mit der Automobilwoche über die zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten beim Opel Adam und über die wachsende Bedeutung des Interieurs.
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